7 Herwrg Zens, Brahms-Saul, 1969. Federzemhnung
und Gruppenwesen figuriert. Dabei wird der Künst-
ler mit seinem typischen, zum Skurrilen und Kari-
katuristischen neigenden Strich, der stets aber nur
Mittel bleibt zu dem von einer Idee geleiteten
Zweck, zu einem - oft scharfen - Kritiker der
Gesellschaft unserer Zeit. Van den zahllosen
Spannungen, die sich auftun zwischen Mensch und
Mensch, zwischen Mensch und Kollektiv, zwischen
Mensch und Sachobiekt und letztlich zwisdien dem
Menschen und einer Idee, finden manche bei Zens
überzeugenden künstlerischen Ausdruck, wobei wir
zum Teil recht eigenwilligen Verschlüsselungen und
Interpretationen begegnen. Meist wird das mensdi-
liche Sein, egebenenfalls unter Hinzuziehung auto-
biographischer Momente, erst nach vielen Brechun-
gen in den einzelnen Persönlichkeitsschichten sicht-
bar, und derlei Spiegelungen, fremd und kaum
kenntlich anmutend, erscheinen dem Beschauer dann
nur noch als phantastische Komposition mit kaum
erkennbaren Wirklichkeitsbezügen.
Aber solches - meist unbewußte - Auf- und Ab-
kreuzen in den bewegten und unabgrenzbaren
meerweiten Bereichen zwischen Tag und Traum,
zwischen Wirklichkeit und Uberwirklichkeit - ia
selbst Unwirklichkeit - macht erst, die vollendete
Handhabung des technischen Riistzeugs voraus-
gesetzt, das eigentlich Künstlerische aus, zumindest
für den, der in der Kunst einen Weg zu den dunklen
Tiefen der Seinsfragen, zu den letztlich unenträtsel-
baren Geheimnissen des Lebens sucht.
Unter den Bildnissen dominieren die sogenannten
Selbstporträts, die freilich infolge ihrer bis zu
maskenhafter Unkenntlichkeit reichenden Fremd-
artigkeit eher beklemmende Visionen einer fast
schon utopisch anmutenden Welt als Spiegelungen
der eigenen Persönlichkeit zu sein scheinen. Und in
manchen Blättern erreicht die Ausdruckskraft des
Grauens eine Dichte und Intensität, wie man sie
seit den expressionistischen Schöpfungen der zwan-
ziger Jahre nur selten gesehen hat.
In den Gruppendarstellungen liegt fast durchwegs
ein unüberhörbarer satirischer Ton, der sich bis zu
heftiger Aggressivität zu steigern vermag. Publikum
wird wiederholt Zielscheibe seines Sarkasmus. Der
akademische Bereich mit all seinen Auswüchsen
wird besonders scharf aufs Korn genommen, die
Fragwürdigkeit politischer Agitotionen angeprangert
und die würdevoll sich gebärdende Hohlheit so
mancher abgelebten Institution ad absurdum ge-
führt.
In vielen Zeichnungen ist der Mensch nur ein Teil
innerhalb eines kompositorischen Ganzen. In frü-
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heren Blättern weist etwa manches ins Gebiet
einer grotesken Anatomie, mit Totenschädeln,
Skeletteilen, isolierten Gliedern und Sehnensträn-
gen. In iüngster Zeit wieder nehmen architektoni-
sche Elemente in wachsendem Maße einen immer
breiteren Raum ein. Ja mitunter tritt der Mensch
gänzlich zurück, und die Kulisse einer Stadt ader
ein eindrucksvolles Bauwerk (gelegentlich mit spar-
samer Andeutung von benachbarten landschaft-
lichen Elementen) wird zum ausschließlichen Bild-
inhalt. Eine Folge von interessanten Zeichnungen
niederösterreichischer Burgen und Schlösser gibt da-
von Zeugnis.
In den Landschaftsdarstellungen aus der iüngsten
Zeit finden wir in wachsendem Maße aquarellistische
Elemente miteinbezogen, und das führt zu reizvoller
Synthese von diffiziler Schwarzweißzeichnung und
großflächig, großzügig gesetzter, im ganzen aber
gemäßigter Farbigkeit.
In der Druckgraphik ist Zens von Holz- und Linol-
schnitten ausgegangen. Manches davon ist in Buch-
form erschienen, als Beigabe zu lyrischen Texten,
die dadurch eine treffende, doch sehr freie, von der
Illustration im herkömmlichen Sinn weit entfernte
graphische Ergänzung erfahren. Eine ähnliche Be-
ziehung zum lyrischen Text zeigen auch die Radie-
rungen des Mappenwerkes „Bahnhof der Hoffnung",
interessante Arbeiten, die noch stark mit seinem
individuellen Zeichenstil korrespondieren. Seit die-
sen Anfängen gelangte er, im Erkennen und Nützen
der verschiedenartigen technischen Möglichkeiten
dieses Verfahrens, darin zu immer neuen graphi-
schen Lösungen. Und hat er bisher seine Thematik
im ganzen beibehalten, so weist im iüngsten Schaf-
fen manches darauf hin, daB sich das in stetiger
Arbeit erworbene tedinische Rüstzeug auch an
neuen Anwendungsgebieten wird erproben wollen.
Die Anfänge von Herwig Zens' skurril-phantastischer
Kunst reichen bis ins Jahr 1960 zurück, doch hat er
sich der Öffentlichkeit erst vor wenigen Jahren
vorgestellt, mit vereinzelten Illustrationen in Zeit-
schriften sowie durch einige Ausstellungen, die ihm
die spontane Zustimmung eines größeren Publikums
und der Kritik einbrachten. Daß sein Werk in-
zwischen nicht nur in thematischer Hinsicht beträdit-
liche Bereicherung, sondern auch manche Vertiefung
und Verfeinerung erfahren hat, konnte man während
einer im vergangenen Jahr in der Galerie Bosilisk
in Wien stattgefundenen Ausstellung, die diesem
Künstler gewidmet war, an Hand einer gültigen
Auswahl seiner Arbeiten erkennen.
PREISTRÄGER DES MULTIPLES-WETTBEW
Helmut Gsöllpointner, Rupert Klima, Beri
Cornelius Kolig, Jörg Schwarzenberger.
BILDTEXTE ZU Tangenten '70 und Hans Knesl
i Helmuth esei ointner, „Telescopeplastiw
Vordergrund . asobiekte" von Tim Schröde
2 Ernst lnsom, „Farbraulett" (rechts); im Vori
win Reiter, .Himmlische Äpfel", rechts dah
ätlle Schar landend'; links davon Jerrit Torn
3.
Nyrom, Obiekt
Im Vordergrund eine Blechskulptur, .Symbo
Hannes TUIßO
Hans Knesl, „Gebeugte', 1970. Stein, H vs
Hans Knesl, ,.Große Schreitende', wss. Bete
Hans Knesl,.Relief in Scheibenfarm",'l968.G
Hans Knesl, „Grofie Schreitende", 1970. ex;
msiesoi zu