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zuerst geübt schon unter Constantin, fand sie sofort reiche Anwendung in Rom, Byzanz,
besonders zu Ravenna und vielen anderen Städten. Blühend im fünften und sechsten
Jahrhunderte, verfiel diese Kunst nach dem Untergange des Gothenreiches, um im
zwölften Jahrhunderte eine neue Auferstehung zu erleben, wie die zahlreich erhaltenen
Beispiele in Rom, Palermo, Florenz, Pisa, Venedig u. s. w. zeigen. Auch anderwärts
über die Alpen wurde diese kostbare Kunst verpiianzt, doch seltener, und es ist nichts
davon erhalten geblieben. In den nordalpinischen Kirchen vertrat die Frescomalerei
die Stelle des Glasmosaiks, schwach zwar in der Zeichnung, aber doch decorativ be-
deutsam aus coloristischem Gesichtspunkte, nicht ohne Eigenthümlichkeit und eigene
Schönheit. Die Schilderung dieser Wandmalerei in der gothischen Epoche, die gewisser-
maßen die mittelalterliche Kunst abschließt und vollendet, bildete auch den Schluss
der ersten Vorlesung.
Die zweite Vorlesung hatte die Aufgabe, den geschichtlichen Gang der Malerei
und der Decoration tn der neueren Zeit von ihrer ersten Entstehung an bis auf die
Gegenwart zu verfolgen und neben ihrer Art auch zugleich ihren ästhetischen Werth,
ihren Werth für die Kirche, zu würdigen. Zu diesem Zwecke musste der Vortrag tief
in das Mittelalter zurückgehen, zu jener Epoche, da sich zuerst die Tendenz regte, die
Gegenstände der Kunst real zu behandeln, speciell was die Kirche betrifft, die Erzählungen
und Begebenheiten der Bibel oder die Legenden der Heiligen so darzustellen, wie sie
sich in Wirklichkeit hatten ereignen konnen, denn bis dahin hatte die Bedeutung des
Bildes vor der Darstellung vorgewaltet. Merkwürdigerweise waren es gerade zwei
Männer der Kirche, zwei überaus bedeutungsvolle Heilige, von welchen diese Richtung
ausging, welche im Verlaufe einiger Jahrhunderte zur höchsten Entwickelung der Kunst,
aber auch zur vollen Verweltlichung ihrer kirchlichen Seite führen sollte. Diese beiden
Männer waren der heilige Franciscus von Assisi und der heilige Dominik, der erstere,
für dessen Richtung Giotto der Bahnbrecher wurde, der andere, dessen mehr mystische,
von Thomas Aquinas systematisch ausgebildete Richtung von der Schule von Siena
gepflegt wurde, in Orcagna ihren Hauptmeister fand und mit Fra Angelico da Fiesole
abschloss. Beide Schulen und Richtungen wurden vom Vortragenden ausführlich be-
sprochen und gewürdigt. Die Richtung, welche Franz von Assisi eingeleitet und Giotto
so erfolgreich in der Kunst vertreten hatte. die eigentlich reale Richtung, setzte sich
nun in der ßorentinischen Schule fort und fand ihren nächsten großen Meister in
Mnsaccio. lhr Streben ging nicht blos dahin, die Kunstgesetze der Malerei immer
weiter auszubilden, vor Allem die menschliche Gestalt immer vollkommener darzu-
stellen, sondern auch dahin, alle heiligen Begebenheiten als wahr und wahrhaftig, als
Begebenheiten aus dem wirklichen Leben erscheinen zu lassen. Zu diesem Zwecke hielt
man sich an die eigene Umgebung, nahm die Architektur, die Landschaft, die Menschen,
die Trachten, die Gegenstände, wie man sie um sich sah, und führte sie in die religiöse
Kunst ein. Auf diesem Wege bezeichnet Ghirlandajo den Höhepunkt. Offenbar liegt
darin bereits eine Richtung zur Verweltlichung, wenn auch die Künstler im Stande
waren, die Form vollkommen zu machen und den Ausdruck der Empfindung zu ver-
tiefen. Nun aber kam ein Anderes hinzu, der Kunst eine neue Richtung zu geben, das
Wiederaufleben des classischen Alterthun-es, das die Menschen zu gebildeten Heiden
machte, und mit ihm das Studium der Antike, welches zu der realen Form die ideale
brachte. ln der Vereinigung dieser beiden Richtungen, und zwar in höchster Vollen-
dung, beruht RafaeYs Große, der immer noch der Kirche die gottlichsten und vollkom-
mensten, wenn auch nicht die heiligsten und die frommsten Gestalten schuf, wahrend
bei Michelangelo jene Richtung auf die vollendete Darstellung des Menschen allein, ohne
alle Rücksicht auf die Kirche, als einziges Ziel erscheint. Nicht anders war es bei den
Venetianern, wo nur an Stelle der Zeichnung der Florentiner der coloristische EEect als
Ziel der Kunst erscheint. Ohne Frage war durch diese Entwickelung die Kirche zu
kurz gekommen. Früher hatte sie allein das Gebiet beherrscht; jetzt hatte sich ihr die
Weltlichkeit übermaclitig zur Seite gestellt. Zwar mit der Gegenreformation schienen
wieder bessere Zeiten zu kommen, es fehlte im siebzehnten Jahrhunderte den Kirchen
durchaus nicht an Malereien und reichem plastischen Schmucke, aber dieser Schmuck
war ein völlig decorstiver, es fehlte den Malereien die tiefe religiöse Empfindung
und damit das eigentlich kirchliche Element, welches sie früher ausgezeichnet hatte. lm
Laufe des achtzehnten Jahrhundertes ließ man auch in dieser Decoration wieder nach;
es folgte die Vorliebe für den farblosen Stucco und den weißen Kalkanstrich, bis man
bei der Purification der Kirchen in unserem Jahrhunderte auf die graue i-Steinfarbe-
kam, die man für das Höchste und Richtigste halt. Dagegen hat sich nun heute eine
Reaction erhoben; man kehrt wieder zur farbigen Decoration der Kirche zurück, sei sie
ornamental, sei sie Ggürlich; man hat selbst die Glasmosaik wieder erneuert zur An-
wendung gebracht. Ueber das Wie aber, wie man heute alte Kirchen neu zu decoriren
oder zu schmücken hat, darüber erheben sich verschiedene Fragen, deren Beantwortung
den Schluss der zweiten Vorlesung bildete.