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überreichten. Dieser aber ließ sich nicht irre machen. Ein Thurm von
dieser Höhe, welche mehr als das Doppelte unseres Stephansthurmes be-
trägt, war in der Welt noch nicht dagewesen; wenn auch in der Form
barbarisch, so musste er ein Weltwunder werden, für sich allein genug,
der Ausstellung die höchste Anziehungskraft zu geben.
Die Kühnheit des Gedankens liegt, so scheint es mir, lediglich
in der Größe und der Höhe, nicht etwa in technischen Schwierigkeiten.
Die Stärke der Fundamente, die Stärke der Eisenmassen, welche die Last
zu tragen haben, das ist ein Rechenexempel für den Ingenieur; alsdann
ist es Schmiedearbeit bis oben hinauf, die allerdings, je höher hinauf,
wegen Wind und Wetter und des l-linaufbringens der Lasten um so
schwieriger werden mag. Dem lngenieur Eitfel lag die Idee nahe, weil
er bereits bei Ueberbrückungen von Thälern ähnliche Thürme bis zu
160 Meter Höhe als Stützen der Viaducte gebaut hatte. Das technische
System war da, die Höhe, ob zweihundert oder dreihundert Meter,
ziemlich gleichgiltig; die Form musste der Stelle, wo der Thurm zu
stehen kam, angepasst und oben die Spitze als künstlerischer Abschluss
gestaltet werden.
lm Uebrigen hat die Kunst kaum mitzusprechen gehabt bei diesem
gigantischen Werke, und wenn man von demselben, wie auch gesagt
worden, eine neue Eisenarchitektur ableiten will, so können wir und
unsere Nachkommen auf alle ästhetischen Bedürfnisse Verzicht leisten.
Wenn von Schönheit bei dem Eilfelthurme die Rede sein soll, so liegt
sie einzig in dem schlanken Bau und dem sanft sich verjüngenden Con-
tour oberhalb der ersten Plattform und ebenso in gewissen Stimmungen
der Luft und des Himmels. Wenn wir am dämmernden Abend den Thurm
z. B. über die Bäume sich erheben sehen, und sehen, wie der goldig oder
röthlich verglimmende Himmel durch das Sparrenwerk hindurchscheint
und mit seinem Zwielicht den schlanken, durchsichtigen Obelisken um-
hüllt, so hat der Anblick allerdings etwas Märchenhaftes und wir können
auch von ästhetischem Wohlgefallen reden. Anders aber ist es, wenn
wir uns am hellen Tage in unmittelbarer Nähe am Fuße des Thurmes
befinden und sehen die gewaltige, braun gefärbte Eisenmasse, die vor
uns aufsteigt. Obwohl ja Alles in schönster Ordnung ist, sehen wir doch
ein Sparren- und Lattenwerk, ein Gegitter in wildem Durcheinander der
unzähligen sich kreuzenden und schneidenden Stäbe. Die schräg gestellten
Stützen - jede wiederum ein Gitterwerk von dreißig Schritte im Ge-
vierte - welche die unterste Plattform tragen, und mit derselben freilich
den ganzen Obelisken - veranlassen, dass die verbindenden Bogen eben-
falls schräg gestellt sind und schief liegen; das ist denn gegen alle unsere
architektonische Vorstellung und erscheint überaus hässlich. Wir müssen
weit in die Ferne treten, um ästhetischen Eindruck zu bekommen, oder
wir müssen den Thurm selber besteigen und uns des colossalen Rund-
bildes erfreuen mit der mächtigen, von Hügeln umsäumten Stadt zu