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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1889 / 12)

dem Säulen und Bedachung aus Krystallglas bestanden. Diesmal fehlen 
auch solche Arbeiten, wenn man nicht etwa eine hohle geblasene Glas- 
kugel von einem Meter Durchmesser, welche einer riesigen Seifenblase 
gleicht, dahin rechnen will, - jedenfalls eine technische Leistung. 
Künstlerisch bietet die französische Glasausstellung gar kein Interesse, 
außer negativ, indem wir uns über die Abwesenheit aller Originalität, 
alles feineren Geschmacks verwundern. Selbst die gravirten Arbeiten in 
Krystallglas sind durch die Nachahmungen japanischer bizarrer Formen 
und Ornamente verdorben, und wenn wir nach Beispielen suchen, wie das 
farbige Glas künstlerisch nicht verwendet werden soll, so finden wir sie 
reichlich in der französischen Abtheilung. ln diesem Zweige der Kunst- 
industrie zeigt sich der englische Geschmack dem französischen weit 
überlegen. 
Dagegen tragen die französischen Metallarbeiten, sowohl die in 
Silber und Gold, wie die in Bronze, über alle Concurrenten auf dieser 
Ausstellung unbestritten den Sieg davon. Hier tritt auch der specifisch 
französische Geschmack, die stilistische Vorliebe der Franzosen bemer- 
kenswerther, deutlicher hervor. Man kann von den modernen franzö- 
sischen Faiencen sagen, soweit sie nicht auf der Nachahmung oder An- 
regung von Specialitäten der Vergangenheit beruhen, dass sie sich frei 
und unabhängig zu einer ganz modernen Erscheinung entwickelt haben. 
Bei den Metallarbeiten, und ebenso bei den Möbeln, ist das nicht der Fall. 
Hier gibt es bestimmte Stilarten und sie bilden die Charakterzüge, wenn 
auch nicht ausschließlich, doch so, dass sie den Eindruck beherrschen. 
Diese Stilarten sind echt französisch, sind diejenigen, welche in der Blüthe- 
zeit der Alleinherrschaft des französischen Geschmacks, im achtzehnten 
Jahrhundert, geschaEen worden, und zwar sind sie von Frankreich, vom 
französischen Geiste geschaffen. Wenn die heutige französische Kunst- 
industrie an ihnen festhält, oder wieder an ihnen festhält - denn es gab 
ja eine Zwischenperiode - und in ihrer Art arbeitet, so kann man das 
kaum eine Nachahmung nennen, denn die Arbeit geschieht im eigenen 
homogenen Geiste. 
Diese Stilarten, wie gesagt. sind diejenigen des achtzehnten Jahr- 
hunderts, diejenigen aus dem Zeitalter Ludwigs XV. und Ludwig's XVI. 
Was die Kunst der Epoche Ludwig's XIV. betrifft, die Kunst in der Epoche 
der großen Perrücke, die eigentliche und echte Barockkunst, welche in 
Italien ihre Entstehung hatte, so hat Frankreich niemals eine Vorliebe 
dafür gezeigt. Als Architektur, obwohl in Italien und bei uns in Oester- 
reich heimisch geworden, ist sie an Frankreich fast spurlos vorüber ge- 
gangen; selbst Ludwig XlV., noch ein Zeitgenosse der großen italieni- 
scben Barockmeister, hat im classischen Stil des Palladio gebaut. Nur in 
die französische Kunstindustrie, in Mobiliar, Geräth und Ornamentik, ist 
der Barockstil eingedrungen, um in der ersten Hälfte des achtzehnten 
Jahrhunderts in das echt französische Rococo auszuarten. Das Pompöse,
	        
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