MAK

Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1886 / 7)

Die Ausstellung weiblicher Handarbeiten im Oesterr. 
Museum. 
(März, April, Mai 1886.) 
Von Dr. A. Riegl. 
(Schluss.) 
Unter den Stickereischulen muss die k. k. Fachschule für 
Kunststickerei in Wien nicht blos aus formellen Gründen vorangestellt 
werden, sondern auch um Wiederholungen zu vermeiden, indem diese 
Schule im Grunde allen übrigen, selbst denjenigen anderer Kronländer, 
sowie den Damenarbeiten und denen der Berufsstickerinnen, ja sogar den 
Expositionen der industriellen Etablissements die Signatur gibt. Sämmt- 
liche Stickerei-Techniken der Renaissance, des Orientes und der nationalen 
Hausindustrie führt uns der Lehrplan dieser Schule im Wesentlichen in 
vier Jahrgängen vor. Die Vorbedingungen für einen guten Erfolg: gute 
Zeichnung" und gewählte Farben, sind erfüllt durch die treiiliche Mit- 
wirkung kunstverständiger Factoren, mit denen das Lehrpersonal der 
Schule vom Anbeginne in steter und lebhafter Fühlung gewesen ist. Nur 
alte tadellose Muster oder Vorlagen von stilkundigen Zeichnern decoraa 
tiver Entwürfe wurden zur Ausführung mit der Nadel zugelassen, bis 
sich in neuerer Zeit selbständige Entwerfer und Entwerferinnen für 
Stickereivorlagen an und aus der Schule herangebildet hatten. Die erste 
Classe, in welcher die Grundlage für den ganzen Cursus gelegt wird, 
beginnt mit den primitven Stickereien nach gezählten Faden, überrascht 
uns aber auch durch tadellose Weißstickereien einfacherer Art und Roth- 
stickereien in Plattstich, die alles leisten, was man von der Hausstickerei 
überhaupt verlangen kann. Die folgenden Classen bringen in stufenweisem 
Vorschreiten ausschließlich Kunst- und Luxusstickereien. ln der zweiten 
Classe werden die orientalischen Techniken, wie Tambourirarbeit und 
arabische Stickerei, gelehrt, ferner Fransenknüpfung, punto tirato und 
spanische Spitzen. Die dritte Classe bringt feine Battiststickereien und 
a jour-Arbeiten nach persischer Art; in der vierten Classe schließt die 
Stufenleiter mit den prächtigsten Leistungen der Nadelmalerei, Gold- und 
Applicationsstickerei ab. Die fünfte Classe bringt wahre Kunstwerke zur 
Schau, ohne aber das Vorangegangene in Schwierigkeit der Technik 
oder Feinheit der Ausführung überbieten zu können. Die chinesische 
Flachstickerei und Knötchentechnik wetteifert hier mit der alten Platt- 
stichstickerei der Renaissance in der Wiedergabe von Gemälden durch 
die Nadel, und wenn auch der Stilpuritanismus der Nadel nicht den 
Beruf zur gleichwerthigen Ersetzung der Malerei einräumen darf, so wird 
man die exponirten Nadelrnalereien mit Genuss und mit Nachsicht 
betrachten, da sie durch ihre vollendete Ausführung den Eindruck der 
Unzulänglichkeit nicht aufkommen lassen. 
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