cento kann abgesehen werden. Zwischen 1570 bis 1590 schuf
der Bolognese Bartolomeo Passarotti im Rahmen seiner
Genrebilder virtuos gemalte Stilleben und bald darauf gab der
Florentiner Ja c o p o d a E m p o l i darin sehr fortschrittliche
Proben. Ferner hat der 1543 in Verona geborene Jaco p o
Ligozzi (gest. 1626 als Hofmaler in Florenz), seiner Wahl-
heimat, durch vorzüglich studierte Aquarelle von Blumen und
Vögeln, solche Themen erstmalig vorgeführt. In der Lombardei
ging dann vor 1600 Vincenzo Campi (1536 bis 1591 Cre-
mona) noch um einen bedeutungsvollen Schritt weiter, indem er,
Einflüsse durch P. Aertsen bald überwindend, eine Zahl großer
und reich komponierter Obststilleben malte, mit welchen er die
lombardische Malerei dieser Sparte auf viele Jahrzehnte hinaus
nachhaltig beeinflußte. V. Campi und der bereits erwähnte
Bolognese Passarotti sind ferner die ersten Maler von Genre-
bildern, die qualitativ auch nordischen Genreszenen von damals
Stand halten können. Über die bedeutende italienische Genre-
malerei des Barocks soll später einmal näher gesprochen werden.
Mit den jetzt genannten mittel- und oberitalienischen Malern ist
ein tragfähiges Fundament geschaffen worden, auf welchem dann
um 1600 in Rom Caravaggio, (1570 Caravaggio, 1610 Porto
d'Ereote), der erste wirkliche Großmeister des Stillebens, und
seine umfangreiche Schule weiterbauen konnten.
Keiner der bisher angeführten Maler war Stillebenspezialist im
Sinne des Spezialistentums des 17. Jahrhundertes im Norden,
auch Caravaggio nicht. Aber wenn er entweder für sich allein,
oder im Rahmen einer figuralen Darstellung ein Stilleben mit
Blumen und Früchten malt, so ist dies weit mehr als ein - wenn
auch ausgedehntes - Beiwerk, es wird im Ganzen des Bildes zu
einem Bestandteil voll eigenständiger Entwicklungsmöglichkei-
ten. Zwar kann man Caravaggio nicht den Vater des italieni-
schen Stillebens nennen, doch ist er der Schöpfer von Beispielen,
welche in ihrer Bedeutung und in der Art der malerischen Dar-
stellung geradezu revolutionär wirkten. Der bereits 1589 in Rom
gemalte „Bacchus mit den Früchten", der vermutlich im gleichen
Jahr entstandene „Jüngling mit dem Fruchtkorb" und der schöne
„Fruchtkorb" in der Ambrosiana, sind die wichtigsten solcher
Vorbilder, wobei das Gemälde in der Ambrosiana zugleich das
erste italienische Stilleben für sich ist, also ohne jedes figurale
Beiwerk. Es dürfte um 1596 entstanden sein, offenbar gleichzeitig
mit dem, durch ein schönes Stilleben ausgezeichneten Bild „Chri-
stus in Emmaus" (London).
Caravaggios Stilleben sind von einer geradezu naturwissenschaft-
lichen Akribie. Blumen und Früchte werden als Teil einer plasti-
schen Welt gesehen, welche er koloristisch zwar überaus nobel
gestaltet, ohne jedoch sein charakteristisches Helldunkel dafür
anzuwenden. Der Pinselstrich ist elegant, auch ausdrucksvoll,
aber das Gefühlsmäßige, das die Dinge der Natur in eine höhere
Sphäre Hebende, das freilich fehlt den schönen Stilleben des Cara-
vaggio. Der latente Naturalismus seiner figuralen Bilder kommt
bei den Stilleben zum unverhüllten Ausbruch.
Der ungeheure Umfang, den Caravaggios Einfluß auf große Teile
der italienischen und auch außeritalienischen Malerei erreicht
hat, ist bekannt. Hinsichtlich der Stillebenmalerei gilt dies jedoch
nur für Italien, weil die Länder jenseits der Alpen (von Italien
aus gesehen) in ihren Stilleben sich hegreiflicherweise schon so
viel Eigenes geschaffen hatten, um dadurch der fremden An-
regung entbehren zu können. In Italien hingegen wirkte Cara-
vaggio auch auf dem Gebiet der „natura morta" außerordentlich
stark ein. Weniger gilt dies für Oberitalien, als weit mehr, aber
nur kurzfristig, für R om und N e a pel. Hinsichtlich beider
Städte wäre dazu zu bemerken, daß sie, trotz mehrfachen Bezug-
nahmen auf Caravaggio, gleichmäßig seine klare Sachlichkeit
nicht übernehmen, sondern einen ihm fremden Sensualismus ein-
führen. Er liegt weniger im Bodenständigen, als in der hier be-
sonders intensiven Berührung mit den Niederländern, in Rom
mit den sogenannten „BambocciantW, in Rom arbeitenden Vlä-
men von Bedeutung, und in Neapel in der Anregung durch den
dort lebenden Abraham Brueghel (geb. 1631 Antwerpen, gest. um
1690 Neapel). Ihn aber als „Begründer der neapolitanischen Stil-
lebenmalerei" zu feiern, wäre wieder übertrieben, denn diese
errang ihre Bedeutung doch durch Caravaggio und besonders
durch dessen Nachfolger, den ersten großen Stillebenmaler in
Neapel, Giovanni Batt. Ruoppolo (1620-1685 Nea-
pel). Dieser malte in einem lyrischen, gelegentlich bis zum
Traumhaften verstoßenden Stil Obst und Blumen, sehr gut und
wirkungsvoll komponiert, doch gegen Ende seines Lebens in
fast über-dekorativ werdender Form. Während Caravaggio in
seiner betonten Sachlichkeit seine Stilleben, um ja klar genug zu
sein, stets vor einen hellen Hintergrund setzte (für seine sonstige
Art seltsam genugl), entwickeln sich die Blumen und Früchte
des Ruoppolo stets fast magisch aus einem dunklen Hintergrund
und gewinnen dadurch nicht nur an Sensualismus, sondern auch
an koloristischer Feinheit. Diese Auffassung wird dann nicht
nur in Neapel, sondern fast in ganz Italien beibehalten, wo Stil-
leben auf hellem Grund ebenso selten sind, als in den Nieder-
landen. Hinsichtlich Caravaggio wie Ruoppolo ist eine Gegen-
überstellung mit gleichzeitigen, bedeutenden niederländischen
Stillebenmalern von symptomatischer Bedeutung. Es wird sich
dann eine tiefrcichende substantielle Unterschiedlichkeit zeigen,
in welcher Italiener wie Niederländer das gleiche Thema so ver-
schieden behandeln. Am ähnlichsten sind die koloristischen Am-
bitionen, am unterschiedlichsten die kompositorischen Absichten.
Im Koloristischen nähern sich die Neapolitaner der Ruoppolo-
Zeit der Auffassung des Abraham Brueghel dadurch, daß beide
Teile Ähnliches ab ovo anstreben. Das Kompositorische dagegen
ist typisch neapolitanisch, es beginnt bald jenes Theatralische
aufzuweisen, das dann nach 1700 fast vorherrschend wurde.
Ruoppolo ist ein Schüler des um 1680 in Neapel gestorbenen
Pao I o Po rp o ra und des dort um 1650-1660 tätigen Luca
Forte; leider sind von diesen beiden Malern, Vertreter der
ersten Stufe der neapolitanischen Stillebenmalerei, keine voll
gesicherten Arbeiten nachzuweisen. Die dem Porpora zugeschrie-
benen Stilleben mit Blumen, Obst und Fischen zeigen eine selt-
same Mischung caravaggesker Sachlichkeit mit vlämischer Kolo-
ristik und malerischer Breite, eine Doppelgeleisigkeit, welche sich
bald zu Gunsten einer magischen Koloristik verliert. Ruoppolo
zeigt dies deutlich. Komponierte Luca Forte noch im Stil des
ausgehenden 16. Jahrhunderts in einfacher Reihung seiner Stil-
lebenbcstandteile, so arbeitete Porpora bereits in die Bildtiefe,
und Ruoppolo vollendete die Illusion der Dreidimensionalität.
Anregungen verschiedener Herkunft und Art werden nach 1640
in Neapel rasch und geschickt assimiliert. Das gilt hinsichtlich
des Abraham Brueghel, des Daniel Seghers und auch für den
jüngeren Francisco Herrera, welcher als realistischer Tonmaler
auf die Neapolitaner einwirkte, von ihnen jedoch die Kunst des
dekorativen Stillebens übernahm und sie nach Spanien ver-
pflanztc. Schon um 1655 hat die neapolitanisehe Stillebenmalerei
ihren koloristischen Höhepunkt erreicht und kann es nunmehr
darin mit den besten Holländern aufnehmen.
Groß ist die Zahl tüchtiger Stillebenmaler in Neapel bis in die
Dreißigerjahre des 18. Jahrhunderts, nach welchen diese Kunst
rasch abflaut. Es wären aus der Fülle der Namen besonders her-
vorzuheben G i u s e p p e R e c c o (1634-1695), der auch als
Komödiendichter bedeutende A n t o n i o B e l v e d e r e (1642 bis
1732), und als Meister der in das erste Drittel des Settecento
fallenden, bedeutenden Nachhlüte Gasparo Lopez de' fiori
(1680 Neapel, aber 1732 in Florenz gestorben), B a l da s s are
del Caro (tätig um 1730), Nicola Malinconico (um
1670 bis um 1721) und der in der ersten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts in Neapel tätige Schüler des Andrea Belvedere Tom-
m a s o R e a l fon s o. Alle diese Maler und viele ihrer Gleiches
malenden Kollegen spezialisierten sich auf das Stilleben, wie
denn gerade Neapel jene Stadt Italiens ist, in welcher das nordi-
sche Spezialistentum am deutlichsten sich zeigte. Ihren weit-
reichenden Ruhm dokumentierte am besten Giuseppe Recco,