3 A. Lchmdcn
Czcrny.
andschnft
-Darumer eine Bronzefigur von
Bei den neuerdings in Wien auftauchenden kleinen und
kleinsten Sammlern von Druckgraphik geht es offen-
sichtlich um andere Dinge. llicr tritt das deutliche Be-
dürfnis, ja geradezu der Drang zutage, sich regelrechte
Injektionen lebendiger Werte in das zermürbende Dasein
mit seinem tödlichen Verschleiß hereinzuholen, wie das
im Grunde überhaupt und heute erst recht der Antrieb
zum echten Sammeln ist.
Genau in diesem Sinne will auch die in den nebenste-
henden Bildern angesprochene reife und reiche Wiener
Sammlung verstanden werden, aus der nur einige Bei-
spiele zeitgenössischer Plastik herausgegriffen seien. Sie
sind hier mitten in den menschlichen Lebensraum ge-
pflanzt, sodaß man mit ihnen einen nahezu vertrauten
Umgang pflegen kann. Auf dem einen Foto begegnen
wir einem großen frühen Greco, den „flirten am Feuer",
die mehr etwas von einem offiziellen und Ehrfurcht hei-
sehenden Kunstwerk an sich haben. Aber die Plastiken
auf der Truhe darunter, ganz links ein Bronzerelief von
Wotruba, dann zwei gegens liche Figuren von Urteil
und Czerny und rechts der frühe „Mandolinspiclcf von
Bertoni, dazwischen die Picasso-Keramiken aus Vallatiris
- die lassen als Zeitgenossen schon eher mit sich
reden.
Nicht ganz so gemütlich ist es dann mit der einer
kleinen Gehirgslandschaft ähnelndcn „Liegenden" von
1953 und den heidcn etwas früheren und stehenden
Bronzefiguren Wotrubats auf dem Kaminsims. Sie näm-
lich stellen eine Forderung. llier haut sich der Mensch
zur Gänze von neuem auf. Gestalt und Haltung also
setzen die „Stunde Null" voraus, die man im allgemeinen
so gerne vergessen möchte und sie darum mit Sinnen-
reizen und Ästhetik, mit Gesten, Allürcn und Kostüm-
fetzen von vorher zudeckt. Damit kommt man aber bei
Wotruba nicht durch.
Der Torso und der Kopf von Marini mit ihrer raffinier-
ten Sinnenfretidigkeit sind da entschieden liebenswürdi-
ger, wenngleich auch ihre Plaeicrung unter der „Ver-
suchung des hl. Antonius" von Ernst Fuchs mancherlei
zu denken gehen könnte. Da scheinen die stille, kleine
Landschaft von Lehmden zusammen mit der kleinen
zarten Bronzefigur von (Izerny und dem lieben alten
Messing-Kerzenleuchter mit em im Messingfutteral
verhüllten Schirm eine friedliche Oase zu sein. Doch
wenn man den schwarzen Vogel und die menschenleere
Weite auf Lehmdens Landschaft genauer anschaut, fällt
ein leichter Schatten der Trauer auf diesen lirieden.
Ein Erlebnis besonderer Art vermittelt die Gegenüber-
stellung der Cranach-Madonna mit dem Kinde und der
Bronzen aus der „licelcsizW-liolge Bertonis von 1957. Bei
Cranach zeigt sich die Entfaltung des in der Romanik
archaisch verschlossenen, in der Gotik crblühten Themas
ins fast ein wenig derb Realmenschliche des frühen
16. jahrhundcrts hinein; bei Bcrtoni aber der immer
wieder anders ansetzende Versuch, das gleiche Thema
umgekehrt in die Verschlüsselung zurückzuholen. Es tut
sich da eine Fülle von Denk- und Erkenntnismöglichkci-
ten auf, wenn man sich nur selber dem Erschauten durch
ständigen Umgang öffnet.
Wer freilich wahrhaft und mit Liebe sammelt, ist willig
und bereit dazu, sich derart zu öffnen. Das echte Sam-
meln von Kunst nämlich ist immer zugleich auch ein sich
selber Sammeln und ein sich Öffnen für das Lebendige
an sich. Insofern hält sogar das Sammeln und Fördern
guter Kunst eine der wenigen verbliebenen Durchlafl-
stellen offen, an denen das Schöpferischc noch wirklich
in unsere durchorganisierte Zivilisation und damit das
Menschliche im Menschen stützend in uns selber cin-
dringt.