Man unterscheidet seither über meinen Antrag, welchen es mir ge-
lungen war, siegreich zu verfechten, einerseits die fabriksmäßige und
andererseits die nationale Hausindustrie. Als fabriksmäßige bezeichnet
man die in Deutschland, Frankreich, Belgien und England vorherrschende
Hausindustrie, bei welcher ein l-Iandlungshaus von Gewerbetreibenden,
die selbständig oder unselbständig, aber in ihren eigenen Behausungen
arbeiten, nach bestimmten Vorschriften oder Mustern gegen Stückbezahlung
Waaren fertigen lässt und in der Regel Rohstoff zuliefert. Als nationale
erscheint hingegen jene Hausindustrie, welche eine Nebenbeschäftigung
der landwirthschaftlichen Bevölkerung ist und dieser dazu dient, die
lange Muße des Winters und alle übrige freie Zeit lohnend auszufüllen.
Diese steht in manchen Theilen des östlichen Europa in hoher Blüthe,
ist dagegen im westlichen nur noch sporadisch anzutreffen. Das Vordringen
der Maschinen in der Spinnerei, Weberei und Wirkerei, in der Holz-,
Thon- und Metallwaarenfabrication und andere Fortschritte der Technik
rauben ihr das Arbeits- und Absatzfeld.
Unleugbar bietet die Hausindustrie erhebliche Vortheile. Die Arbeit
erfolgt in der Familie, Eltern, Kinder und Ehegatten sind nicht getrennt.
Der Vater kann die Erziehung seiner Kinder leiten, die Frauen können
für ihren Haushalt und ihre Kinder sorgen, die Mädchen stehen unter
Aufsicht und Schutz der Familie. Die Arbeitsart ist in der Regel eine
die Gesundheit nicht schädigende und kann mit gesunder landwirthschaft-
licher Arbeit abwechseln. Dabei gestattet sie die Verwendung aller pro-
ductiven Erwerbskräfte der Familie. Freilich hat die Hausindustrie auch
ihre volkswirthschaftlichen Nachtheile. Die Arbeiter werden durch die
Unternehmer und die Mittelspersonen oft in hohem Grade ausgebeutet.
Ungünstige Conjuncturen des Absatzmarktes verschlechtern ihre Lage,
während günstige ihr nur selten entsprechenden Vortheil bringen, daher
dauernd niedrige Löhne bei übermäßiger Anspannung der Arbeitskraft.
Ueberall, wo der Hausindustrie die Fabrikindustrie concurrirend
entgegentritt und das gleiche Product mit geringeren Kosten herzustellen
vermag, erliegt im Kampfe allmälig die Hausindustrie, welche dauernd con-
currenzfähig und rationell nur dort bleibt, wo aus technischen Gründen
größere kostspielige Maschinen unverwendbar sind, die Arbeit also wesentlich
Handarbeit mit einfachen Werkzeugen und Geräthschaften ist, oder wenn
auch Maschinenarbeit, doch nur kleine, nicht theuere Maschinen, z. B. Näh-
maschinen, zur Verwendung kommen, oder schließlich, wo durch ent-
sprechende Fürsorge eine kunstgewerbliche Production in's Leben
gerufen wurde, wodurch eine bestehende nationale Hausindustrie gekräftigt
und erhalten werden kann.
Denn mit dem Fortschreiten der Cultur macht sich auch in der
Industrie neben technischer Vervollkommnung ein immer grö ßerer An-
spruch auf ästhetische Auffassung und Behandlung geltend. Soll das
Handwerk lebensfähig bleiben gegenüber dem Maschinen Werk, so darf
z.