sind sie gewöhnt nur durch das Wort zu lernen und entwöhnt die Augen
zu brauchenw, .
Ganz um dieselbe Zeit, als von der Philosophie aus die ersten Ver-
suche einer Theorie, des Schönen in Vorträgen der Aesthetik gemacht
wurden, fesselte ein junger Professor der Geschichte und Poetik zu Leip-
zig, Johann Friedrich Christ (1- 1756), welcher als Reisebegleiter eines
Grafen Bünau eine reiche Anschauung sich erworben, selbst technische
Fertigkeit im Kupferstechen besass, eine Reihe begabter Zuhörer durch
Vorträge: de re liternria, die er mit bildlichen Darstellungen und Vorzei-
gen von Gegenständen seiner Sammlung unterstützte. Unter dem wunder-
lichen Titel der Literatur oder Archäologie der Literatur bargen
sich die Anfänge einer Archäologie der Kunst, weine sattsame Erkenntniss
dessen-i, so definirt er sie, wworaus etwas der Wissenschaft dienliches er-
kannt werden kannn, also eigentlich eine Quellenkunde für alles geschicht-
liche Wissen. lnschriftenkunde, Miinzkunde, Diplomatik, Druckgesqhichte,
Kupferstich gehören da so gut hinein, als die Kunst des Alterthums.
Christ's Schüler, Chr. Guttl. Heyne, hat das Verdienst, auf der neu
gegründeten Universität Göttingen diese Vorlesungen über Literatur zu
einer Archäologie der Kunst umgebildet zu haben, unter dem gewaltigen
Einfluss der Werke Winckelrnann's, desjenigen Mannes, welcher aller-
dings weit ab von deutschen Universitäten, ein bitterer Gegner der gelehr-
ten Zunft, auf italienischem Boden die bis dahin nur immer dunkel er-
kannte Aufgabe einer Geschichte der Kunst des Alterthums aussprach,
und zugleichi 1764 bewunderungswürdig löste. Heyne7s Einleitung in das
Studium der Antike 1772 war fortan das Programm für das akademische
Ziel solcher Vorträge. Hunderte von jungen Männern der besten Stände
haben zu Heyne's F üssen gesessen, sind durch ihn angeregt nach dem
Süden gepilgert, um dort die volle Anschauung von der geahnten Schön-
heit zu gewinnen.
Armselig war es ja in Deutschland, zumal auf den Universitäten, um
eine solche Anschauung bestellt. Man glaubte schon viel gethan zu haben
wenn etwa die Bildung einer kleinen Münzsammlung oder einiger Reihen
von Abgüssen, geschnittener Steine in zierlichen Schränkchen, höchstens
einige Abgüsse antiker Köpfe vergünstigt wurden. Fünfzig ja sechzig
Jahre, seitdem eine Archäologie der Kunst gelesen wurde, vergingen, bis
die ersten akademischen archäologischen Sammlungen unter wissenschaft-
licher Leitung und mit bestimmter materieller Unterlage gegründet wurden.
Die neue Universität Bonn ist darin den älteren Schwestern rühm-
lich vorangegangen. Hier in Heidelberg, wo ein hochberühmter Mann
nahezu fünfzig Jahre über Kunst des Alterthums las und durch seine kleine
Privatsamrnlung erläuterte, sind es erst 25 Jahre, seitdem die ersten An-
schaifungen dafür geschahen, sind es kaum 4 Jahre, seitdem das archäo-
logische Institut aus einem in der Bibliothek nur geduldeten zu einer
räumlich selbstständigen Sammlung geworden ist. Noch heute mögen
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