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Volltext: Alte und Moderne Kunst VII (1962 / Heft 56 und 57)

Der Frage der Kunstgeographie 
hat die XViener Forschung im- 
mer wieder ihre Aufmerksam- 
keit zugewandt. Dokumentatio- 
nen, auf die man sich hiebei 
stützen kann, müssen in erster 
Linie in den Werken der Klein- 
kunst gesucht werden. Handels- 
wege und Wallfahrtsstraßen sind 
zum Ausgangspunkte solcher Be- 
trachtungen gemacht worden. 
Ihnen sind die Bestände der 
Kirchenschätze anzuschließen, 
welche die verschiedensten Rück- 
schlüsse in kunstgeographischer 
Hinsicht ermöglichen können. 
Aus diesen Beständen ist nun 
bereits die Trennungslinie in der 
mittelalterlichen Kunst ersicht- 
lich, daß nämlich im allgemeinen 
nur Kunstwerke kleineren Aus- 
maßes für kunstgeographische 
Untersuchungen in Betracht 
kommen. Die internationale 
Verflechtung sei hier an einer 
Gruppe von Elfenbeinen kurz 
skizziert. 
Die zwei wesentlichsten Werke 
über diese Elfenbeine, von Fer- 
randis und Cott, die als Corpus 
zu betrachten sind, lassen in 
ihrem aufgezählten Bestand 
einige Werke vermissen, die hier 
kurz nachgetragen seien. 
Die Elfenbeinarbeiten umfassen 
rechteckige Kästchen, zylindri- 
sche Dosen und Krummstäbe. 
Der ursprüngliche Verwendungs- 
zweck der Behälter war für 
Schmuck gedacht. Später hat man 
sie dann als Reliquiare benützt. 
Die Elfenbeinplatten der Käst- 
chen sind auf einen Holzkern 
aufgeleimt. lhr äußerer Schmuck 
besteht in flachen Schnitzereien, 
vielfach auch in gemalten Dar- 
stellungcn und in vergoldeten 
Beschlägen. 
Die siculo-arabische Gruppe, mit 
Ausgangspunkt in Palermo, ar- 
beitet im 12. und 13. Jahrhun- 
dert. Die moz-arabische Gruppe 
führt diese Richtung im 14. und 
15. Jahrhundert fort. lhr Sitz be- 
findet sich in Siidspanien. Für 
die Gruppe der Krummstäbe 
dürfte eine venezianische Werk- 
statt, die nachempfunden arbei- 
tet, im 13. und 14. Jahrhundert 
verantwortlich sein. 
Ferranclis verzeichnet in seinem 
Werk Bestände in SalzburglNonn- 
berg, St. Peter sowie im Dom, 
weiters das Kästchen in der 
Schatzkammer in Wien. Cotr ka- 
talogisiert Krumrnstäbe aus Ad- 
rnont, Altenburg, Götrweig, Klo- 
sterneuburg und Salzburg; wei- 
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ters in Salzburg einen Tau-Stab, 
eine Pyxis und ein Kästchen. 
Aus Wiener Bestand drei Käst- 
chen. 
Zu diesem erfaßten Bestand, der 
auf der Grundlage publizierter 
Objekte beruht, können einige 
Objekte angefügt werden. Das 
Österreichische Museum für an- 
gewandte Kunst besitzt eine 
Pyxis, deren Deckelspange aus 
Silber ist. ln Linz besitzt das 
Oberösterreichische Landesmu- 
seum ein Kästchen, dessen 
Zustand etwas fragmentarisch ist, 
aber doch wohl als echt anzusehen 
ist. Die Art der Malerei findet 
eine Parallele in einer Pyxis in 
Baltimore, die mutmaßlich eben- 
falls nachgemalr wurde. Der 
schwere Farbauftrag scheint dar- 
auf hinzuweisen. Hinsichtlich der 
gemalten Darstellungen über- 
wiegt der EinHuß der islamischen 
Welt, doch kennen wir aus dem 
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Halle'schen Heiltum eine Pyxis, 
die Darstellungen der deutschen 
Gotik zeigt. Das gleiche gilt 
für ein dort abgebildetes Käst- 
chen. 
Außer den beiden angeführten 
Objekten mangelt in den Kata- 
logen beispielsweise eine Pyxis 
in Münchener Privatbesitz sowie 
ein Kästchen des Diözesan- 
museums in Brixen, das hier 
nachgetragen sei. Möglicherweise 
 
ist auch der Pastoralstab des 
Stiftes Fiecht in Tirol eine siculo- 
arabische Arbeit. Die überaus 
starke Stilisierung läßt einen siche- 
ren Schluß nicht so ohne weite- 
res zu, nachdem auch die ur- 
sprüngliche Form nicht mehr 
vorhanden ist, da sie abgeschlif- 
fen erscheint. 
Die Pyxis des Museums für an- 
gewandte Kunst hat eine silberne 
Deckelspange, deren Ausformung 
glatt und mit einer Inschrift 
versehen ist. Ebenfalls aus Sil- 
ber, auch in gotischen Formen, 
ist die Verzierung einer zylin- 
drischen Pyxis des SL-Annen- 
Museums in Lübeck, deren Da- 
tierung in das 13.f14. Jahrhundert 
anzusetzen ist. Metalldeckel, in 
glatter Form, jedoch 
goldetem Metall, besitzen eine 
Pyxis in Madrid aus dem 12. Jahr- 
hundert sowie eine Pyxis des 
Victoria and Albert Museum 
in ver- 
aus dem 12. Jahrhundert, deren 
Deckel ringförmig graviert ist. 
Das vergoldete Metall ist Kupfer. 
Die Pyxis des Museums für an- 
gewandte Kunst ist als eine 
Arbeit vermutlich des 15. Jahr- 
hunderts anzusehen. 
Bei den Kästchen zeigt sich, daß 
eine große Gruppe weder mit 
Traggrirf noch mit Henkeln ver- 
sehen ist. Das Linzer Kästchen 
gehört zu dieser Gruppe. Ein
	        
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