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Volltext: Alte und Moderne Kunst VII (1962 / Heft 56 und 57)

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2, 3 Krcuzlgungsgrurvpe des Knlxxaricnhcrges. Pariser (vlilklflllilll. um 1420 
4 (Ihmlus an der Marwrslullc, llclzul aus dem Ka 
5 Prophet, lh-tmi aus dem Kalvaricnheig 
ß Uxllcrsail des Kalvarienbcrgcx. Uudapestur Golrlichlmeil: 
7 1mm mit vcarwpcxistlnlillragcmlcl spmm. im Wappen 
 
arienlwvsrg. Parixer Goldenuil. um 1421i 
arbcil (a), zwisnlieil 1469und 1491i 
"igl den Raben (Corvlnux). den bohmi- 
 
 
Sfllüll Lowen und ast- ungaliwlliru Farben. liudapcstel (loldwrhixundearbvit (2). zwiuhvn uns und 
l-Nil 
König Sigismunrl, der schon in 
früher Jugend den ungarischen 
Thron bestieg und der fünfzig 
Jahre (1387-1437) regierte, hatte 
sich in Budapest eine große 
Residenz erbauen lassen, in die 
er immer wieder in den Zeiten 
zwischen seinen großen Reisen 
zurückkehrte. Obwohl ihm als 
römisch-deutschem Kaiser das 
Recht zugestanden wäre, sich in 
Aachen begraben zu lassen, trug 
er Vorsorge, daß er in Nagy- 
wiratl (Großwardein) bestattet 
wurde. Nach seinem Tode erbte 
König Nlatthias Corvinus seine 
Schätze, darunter auch die Kal- 
varie aus Frankreich. König Mat- 
thias, der sich der Einmaligkeit. 
dieser Goldschmiedearbeit be- 
wußt gewesen sein muß, ließ 
sie mit dem überaus prächtigen 
Fuß versehen. Wie aus den von 
Sphingen gehaltenen Wappen- 
schildern hervorgeht, kann dies 
nur zwischen 1469 und 1490 
geschehen sein. ln den Wappen- 
kartuschen ist nicht nur das un- 
garische und persönliche Wap- 
pen des Matthias (lorvinus an- 
gebracht, sondern auch der tsche- 
chische Löwe, den Matthias von 
1469 bis zu seinem Tode im 
Jahre 1490 in seinem Schilde 
führte. Dieser prachtvolle Fuß 
in den Formen der Renaissance- 
kunst ist wahrscheinlich von 
einem (ioldschmietlemeister in 
Budapest xierfertigt worden, ub- 
wohl seine Struktur und Ausge- 
staltung auf italienische, womög- 
lich lombardische Abstammung 
hinweist (siehe das große Osten- 
sorium in der Kathedrale von 
Lodi) und die Analogien zu 
den Triumphwagenbilrlern auf 
Emails im großen Medaillun des 
Wiener Kunsthistorischen blu- 
seums, im Tryptichon des Poldi- 
Pezzcili-Nltiseums in Mailand und 
auf dem Spiegel der lsabella 
7 von Aragonien zu finden sind. 
Was für unsere Annahme einer 
Herstellung in Budapest spricht, 
ist die Überlegung, daß Matthias 
(lnrvinus den kostbaren Oberteil 
kaum der Gefahr einer unsicheren 
und langwierigen Reise ausge- 
setzt hätte. 
Nach dem in Wien erfolgten 
Äbleben des Königs Matthias 
Corvinus fiel dieses Prunkstück 
seinem unehelichen Sohn Johann 
Corvin als Erbschaft zu. Dieser 
schwache und hilflose Fürst ver- 
pfandete bald darauf den Kal- 
varienberg für 520 (Zulden an 
den mächtigen und einrlußrei- 
chen Erzbischof von Eger (Erlau), 
Thomas Bakocz. lm Jahre 1494 
ging dann das Kunstwerk end- 
gültig als Geschenk an den Erz- 
bischof. Thomas Bakocz wurde 
später Erzbischof von Esztergom, 
wo er die Bakocz-Kilpelle errich- 
ten ließ, ein singuläres Bauwerk 
im Stile der Renaissance dies- 
seits der Alpen. Durch Ver- 
mächtnis kam dann die Kal- 
varie in den Besitz der Schatz- 
kammer der Kathedrale von 
Esztergom. 
Unter den lXferkcn, die in der 
seltenen Technik „email sur ronde 
bossc" gearbeitet sind, nimmt 
der Lisztergomer Kalvarienberg 
einen besonderen Rang ein. Ver- 
dankt das sogenannte „Goldene 
Rössel von Altötting" seinen 
Zauber der nahezu profan an- 
mutenden Intimität der Dar- 
stellung, so beeindruckt die Esz- 
tergomer Kalvarie durch die ern- 
ste und dramatische Auffassung 
des Geschehens. Die prächtige 
Modellierung der milchweißen 
Emailiiguren, die feurigen Far- 
ben der Gewander und die plasti- 
sche Kraft der feinen und zarten 
Formen legen Zeugenschaft ab, 
daß wir hier wohl eines der 
monumentalsten und feierlichsten 
XVerke der gotischen Goldschmie- 
dekunst um 1400 vor uns haben. 
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