WILHELM MRAZEK Der
ln der Ausstellung „Romantische
Glasmalerei in Lnxenburg" werden
auch mehrere Exponate jener Klein-
kunst gezeigt, dcr die beiden Künstler
G. S. Mohn und Anton Kothgasser
eigentlich ihren Ruhm verdanken. Es
sind dies die Zylinder- und Ranft-
bcchcr, die beide mit Ansichten,
Porträts, Enblcmen der Liebe und
Freundschaft, Tieren, Blumen und
sorgfältig gemalten Ornamenten
schmückten und die hochbegehrte
Andenken und Geschenkartikel dar-
stellten. Jeder Fremde mußte einen
solchen Becher als Souvenir mit-
bringen, in icdcr Familie von Stand
und Ansehen mußten solche Gläser
in der Vitrine stehen.
Unter den ausgestellten Objekten ist
ein Dcckelpokal, der durch seine
Größe (34 cm hoch) und seine reiche
Bemalung aus dem Rahmen der
üblichen Produktion Anton Koth-
gasscrs herausfällt. G. F.. Pazaurek ver-
tritt die Meinung, daß er aus Anlaß
der vierten und letzten Vermählung
des Kaisers Franz entstanden ist.
Der Pokal, in gotisierenden Schliff-
formen und überaus reich vergoldet,
hat an der lnnenwandung der Kuppa
einen Zettel mit dem Vermerk:
„Große Vase, reich vergoldet, mit
einem historisch-allegorischen Ge-
mälde von Anton Kothgassner in
Wien, 1330." Damit weist er seine
Herkunft aus dem Nationalfabriks-
produktenkabinctt aus, von wo er
nach Auflösung dieses Institutes in
das Technische Museum gekommen
In dem Fabriksproduktenka-
hinett des Kaisers Ferdinand I.
wurden jedoch nur die ausgezeich-
neten Produkte des „vaterländischen
Kunstfleißes" aufgenommen. Es muß
sich daher bei unscrcm Pokal um
eine Arbeit auf Bestellung oder für
einen besonderen Anlaß handeln.
Pazaureks Vermutung, daß er zur
Vermählung des Kaisers Franz ent-
standen trifft aber unserer
Meinung nach nicht zu, denn Kaiser
Franz hat zum letzten Wale im Jahre
1816 geheiratet. Die Auflösung des
,,historisch-allegtirischen Gemäldes",
das rund um die ganze Kuppa-
wandung gemalt ist, erbrachte zu-
sammen mit dem nur mehr zum Teil
lesbaren Gedicht darunter eine xiöllig
neue Version.
Diese Ualerei, uelche durch die für
Kothgasser typische Verwendung
von reichlichen Flußmitteln leuch-
tend frisch und glänzend erscheint,
ist ohne Zweifel nach einem Pro-
gramm gemalt, das eine ganz be-
war.
sei,
Kairrrpnka! von Anton Kofltguurrrr
harocke Prinzip der Allusion, der
Anspielung.
Der auf einem Thron sitzenden
Ewigkeit nahen Gcnien mit den
Opfergaben der ehelichen Liebe:
Herzen, Tauben und Rosen. In
einer Art Huldigungszug schließen
daran die allegorischen Figuren des
Jugendalters, begleitet von den drei
Grazien, der Glückseligkeit, der
Fruchtbarkeit mit dem Horn des Über-
Husses, der drei Jahreszeiten, Früh-
ling, Sommer und Herbst mit ihren
Gaben und der Göttin Hygiea,
welche die Arzneikunst repräsentiert.
Das Friedenszcichcn des Regen-
bogens überwölbt diesen Zug, dessen
Ahschluß ein Palmcnhain bildet, der
einen Altarstein mit dem Allianz-
wappcn Österreichs und Bayerns
umgibt, auf welchem in einem Nest
ein junger Phönix sitzt.
Die Auflösung, die „l)echitfrierung",
dieser ikonologischen Szenerie ergab,
daß es sich bei dem zentralen Älotiv
- der Phönix im Nest dcs mit dem
österreichisch-bayrischen Wappen ge-
schmückten Altarsteincs 7 nur um
eine Anspielung auf die Gchurt des
Flrzhcrzogs Franz Joseph handeln
kann, der am 1B. August 1830 ge-
horcn wurde und dessen liltern der
zweite Snhn des Kaisers Franz, Erz-
herzog Franz Karl, und Erzherzogin
Sophie von Bayern, gewesen sind.
Hit der Geburt des ersten männ-
lichen Iinkels war für Kaiser Franz
der Weiterbestand des llauses Öster-
reich und der Monarchie gesichert.
Nach dem Tode dcs Kaisers Franz
irn Jahre 1835 übernahm zwar sein
ältester Sohn Ferdinand die Regent-
schaft, mußte sie aber im Jahre 1848
an seinen Nelfcn Franz Joseph ab-
tfCtCn.
Anton Kothgasser hat dieses Ge-
burtscreignis im Sinne der Barockzeit
auf der Wandung der Kuppa aus-
geführt. Er folgte nicht nur inhalt-
lich einem Programm, sondern ent-
nahm auch die einzelnen Figuren
einem Bildermagazin, das seit dem
16. Jahrhundert zum eisernen Bestand
der Maler gehörte: der lkonologie
dcs Cesare Ripa. Dieses Werk, das
in allen europäischen Ländern immer
wieder aufgelegt wurde, hat Koth-
gasscr für die formale Gestaltung, als
Vorlage, herangezogen. Wie seine
Typen mit ihren merkwürdigen Pro-
portionen und Gesten
lassen, hat ihm eine der letzten Aus-
gaben vom Beginn des 19. Jahr-
hunderts vorgelegen. Vielleicht war
es die im Österreichischen bluseum
erkennen