1 Franz Anton Busxelli,
Lalagä, Komödjentigur.
Berlin-Charlottenburg. Kunstgcwcrbcmlßeum,
größere Schildrnarkc der Ncudecker
bzw. Nymphenburger Manufaktur, H, 21,1 cm
2 Franz Anton Bustelli.
Pierrot. Kumödienügur.
München, Bayerisches Natiunalmusemn,
größer: Schildmurkc der Neudecker
bzw. Nymphcnburger Manufaktur. H. 20,5 cm
3 Franz Anton Busrelli.
Bclcndes Chinescnkind.
München, Privazbesinz.
größere Schildmarkc der Neudecker
bzw. Nymphcnburger Manufaktur. H. 9.2 an
Lirßi
Wäre es nicht möglich, die F.in-
heit des Rnkoko von seiner Auf?
fassung des Lichtes her zu be-
stimmen? Denn jeder echte Stil,
so scheint es, hat ein spezifisches
Verhältnis zum Licht.
Das Licht des Rokoko meint ein
verklärtes, aber durchaus irdi-
sches, sublirnesinnliches Licht. Die
drei wesentlichsten Mittel, es in
den Räumen zu erzeugen, sind
die neue FrFmdung (oder doch
Verwendung) der Fenstertüren
(„french Windows"), das Weiß
und die Spiegel. Dazu die (ilanz
verleihende Behandlung stumpfer
Werkstoflie.
Die hohen Fenstertürcn schaden
gegenüber normalen Fenstern
nicht nur eine gesteigerte Licht-
fülle; mitunter nähern sie sich
gotischen Proportionen. Wesent-
licher ist, daß sie viel natürliches
Licht von der „Sohle" her in
den Raum bringen. Dagegen
kommt Licht von hoch oben so
gut wie nicht vor, und wo es
vorkommt, wirkt es als barockes
Rudimeiit. Das Kuppellicht ver-
schwindet. Das entlang dem lirde
boden hoch und hell hcreindießenv
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Zu dieser erwünschten Qualität
des Lichtes gehört die Umstellung
der Innenräume auf das Domi-
nieren der weißen Farbe in den
Wänden, in den sie verkleidenden
Boiserien. Sie zeigt sich schon
um 1700. Auch wo das Weiß
nicht ausschließlich herrscht,
bleibt es doch die Basis, auf
welche der lichtfarlmige Dekor
typischer Rokokorüume begrün-
det oder bezogen ist.
Dieses Weiß ist sozusagen ma-
terialisiertes, zur Farbe geronnenes
Licht. Das warme Weiß der
Regence und das kühlere Weiß
des Rokoko sind beide nicht
farblos wie das VUeiß des foh
genden Klassizismus, welches sich
de Licht ist aber ein betont irdi-
sches l.icht, das durch den Spiegel-
glanz der polierten Parkettboden,
durch die Spiegel der Wände,
durch glänzend polierte Möbel
und schimmernde Stoffe verklärt
wird.
Das neue intensive Verhältnis
zum Licht tritt in den Forderungen
der Theoretiker mit großer Be-
stimmtheit hervor. Man soll, fur-
dcrn sie, in den Zimmern jeden
dunklen Schatten ängstlich ver-
meiden; dunkle F.cken gelten als
der (iipfelptinkt der Geschmack-
losigkeit. Angestrebtes Ziel ist es,
durch entsprechende Beleuchtung
alle tiefen Schatten zu eliminieren,
die so beleuchteten Dinge zu ver-
schönen, die Menschen zu ver-
jüngen und zu beleben. Der
Architekt Architekturtheo-
retikcr lltiflirantl, dem man mit
die berühmtesten Räume des
Rokaikr; verdankt Ä die ovalen
Salons des Hotel de Soubisc A,
fordert, daß die Luster in sechs
Fuß Hohe, also fast in Kopfhöhe
angebracht werden: „pour ne pas
rendrc les hattus et en-
foncös".
und
yeux
dem (irau verbindet. lhr Weiß
ist nicht hiangel an Farbe, sondern
die Möglichkeit zu allen Farben,
die es potentiell 4 und oft auch
faktisch, durch farbige lfntere
malung w in sich enthält.
Das Weiß ist das Maß aller
farbigen Wirkungen. Das kann
auch in (iemäldcn so sein: es gibt
zauberhafte Supraportcn, z. B.
von Oudry, ganz Weiß in Weiß.
Dieses Weiß moduliert sich 4A
ob es nun an dem zarten rahmen-
den Stabwerk der Fanncaus auf-
tritt oder in dem Mikrorelief des
geschnitzten und bemalten Or-
namcnts oder an den Skulpturen,
großen oder kleinen - in den
feinsten Abstufungen. Und mit
ihm moduliert sich das Licht,
verteilt sich in feinsten Bahnen
und Funken: eine Kunst der
Nuancen. Es verlangt eine vete
feinerte Sinnlichkeit des Auf-
fassens, ein Sehen von Viertel-
tönen und Schwebungen.
Das Weiß stimmt die farbige Welt
der Dinge auf einen Grundton,
von dem aus schon ein Hauch von
Farbe mit voller Intensität wirken
kann und eine starke Farbe als nie
gesehener Eindruck wirkt.
Mit dem Weiß verbindet sich im
Dekor der Wände, auch der
Möbel, in der Fassung großer
und kleiner Skulpturen das feinst
Verteilte Silber und Gold.
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