man in München wahrnimmt, erkennt man auch in Landshut, Cöln,
Frankfurt am Main, Nürnberg, Leipzig, Düsseldorf und Hamburg. Ueberall
tritt das Streben hervor, das deutsche Kunstgewerbe wieder auf jene Höhe
zu bringen, auf welcher es im 15. und 16. Jahrhundert war. Die Zahl
der Künstler, die an Kunstgewerben Antheil nehmen, ist sehr groß. Von
ihnen gehen Anregungen aller Art in die Kunstgewerbe über. Der vor-
wiegend decorative Charakter der Münchner kunstgewerblichen Producte
jedoch und die Lust, dieselben mit Sprüchen zu zieren, poetische Gedanken
mit Bechern und Kästchen zu verbinden, hindert in nicht wenigen Fällen
die Stylreinheit der Münchner kunstgewerblichen Leistungen. Die Frage
über die Grenze der Poesie und bildende Kunst hat von jeher den
Münchnern wenig Kopfzerbrechen verursacht. Dagegen geht durch nicht
wenige Producte ein Zug der Frische und Unmittelbarkeit, der offenbar
von dem Contacte mit der Malerwelt herrührt.
Dass man sich in München vorzugsweise an die deutsche Renaissance
anlehnt und die Vorbilder bei Jost Amman und dessen Zeitgenossen sucht
und die Uebertreibungen, welche in den Werken jener Meister liegen, noch
zu überbieten trachtet, mag wohl dem Umstande zuzuschreiben sein, dass
die Münchner Malerei einen großen Einfluss auf die Kunstgewerbe übt,
diese aber selbst gegenwärtig nicht durch große Meister vertreten ist, wie
es seinerzeit Cornelius, Kaulbach, Schwind gewesen sind. Was die decorative
Malerei jetzt leistet, zeigen die von Schraudolph mit gewandter Hand
ausgeführten Fresken an der Facade des Hötels Bellevue und die Wand-
und Deckengemälde von Wagner im Cafe Rothe nächst der Maximilian-
straße. Sie zeigen eine decorative Kunst in einer Verfallsrichtung, welche
man gewöhnlich den Münchner Zopf nennt. Aber wir wollen bemerken,
dass die Fresken von Schraudolph ungleich bedeutender sind, als die
im Cafe Rothe. Wenig glücklich sind die Fresken im Stiegenhause des
Polytechnicums.
Die von Architekt Lange geleitete Kunstgewerbeschule in München
bewegt sich innerhalb der reineren Stylformen der Renaissance. Auch
wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass der Kunstgewerbeverein eine
Zeitschrift (Zeitschrift des Kunstgewerbevereines in München, Verlag bei
G. Hirth in München) herausgibt, die, gut ausgestattet, gewiss einen wohl-
thätigen Einfluss auf das ganze deutsche Kunstgewerbe ausüben würde,
wenn sie ihre artistischen Beilagen einer strengeren Kritik unterwürfe.
Wir können diese flüchtigen Bemerkungenlnicht schließen, ohne des
Mannes zu gedenken, der den Knnstgewerbeverein und das Kunstgewerbe-
haus gegründet hat. Es ist dies der Erzgießer Ferdinand von Millersem,
ein Mann von seltener Thatkraft, der in seinem eigenen Gebiete ein Meister
ersten Ranges, sich mit jugendlicher Begeisterung und seltener Ausdauer
und Hingebung der Förderung und Hebung des deutschen Kunstgewerbes