dam berufen wurde, Dessau aber nicht
allzufern von Quedlinburg liegt. Es ist
daher möglich, daß Tille den Quedlin-
burgern noch aus seiner früheren Tätigkeit
in Dessau bekannt war und daher an ihn,
der ja nun in Drewitz wohlbestallter
Glasschneider war, der Ruf erging, eine
Widmungsarbeit für seine früheren Freunde
auszuführen. Die Beweiskette ist zwar
nicht völlig geschlossen, aber es sprechen
doch. sehr viele Umstände für die Identität
der Signatur CT mit dem zunächst Des-
sauer und dann Potsdamer Glasschneider
Christoph Tille.
Nicht daß dieser Künstler in der Geschichte
des Glasschnittes Einmaliges geleistet
hätte. Der zylindrische Humpen ist zwar
hübsch und sauber geschnitten, die Blu-
menblitter weisen eine charakteristische
Schraffierung auf und der innere Teil der
Frucht ist durch ein Gitterwerk ausgefüllt.
Die Ranken sind ordentlich geführt und
der Dekor ist ausgewogen und nicht
überladen. Die Humpenform wurde wohl
der langen Widmung wegen gewählt, die
auf einem Pokal nicht so leicht hätte unter-
gebracht werden können. Alles in allem
die Arbeit eines handwerklichen Rou-
tiniers.
Man kann aber nicht behaupten, daß dieser
Dekor von Tille oder überhaupt in Potsdam
erfunden wurde. Vielmehr hat er wohl
seinen Ursprung in Böhmen, wo ab etwa
der Mitte des 17. Jahrhunderts auf Jahr-
märkte fahrende Glasschneider ihre eher
primitiven Burgen, Vögel, Blumen und
Ranken in flachem Mattschnitt in Pokale
schnitten, deren Kuppa und Deckel oft mit
der Zange geformte Rippen aufwiesen (ABB
137, Robert Schmidt: DAS GLAS, Berlin
1912) (Abb. 3). Von da aus fand dieser
Dekor allgemeine Verbreitung. Neu ist
jedoch, daß wir nun zum erstenmal einen
bestimmten Glasschneider mit einem typi-
schen Barockdekor in Zusammenhang brin-
gen können. Ferner, daß wir mit Bestimmt-
heit auf die Potsdamer Hütte als eine der
Produktionsstätten verweisen können und
ein genaues Datum als Anhaltspunkt be-
sitzen. Beim Durchblättern der „Branden-
burgischen Gläser" können wir nun auch
mit Sicherheit den kleinen Pokal Nr. 2 auf
Tafel 4 dem Christoph Tille zusprechen,
wobei als besondere Parallele auf die Git-
terfüllung der Frucht hinzuweisen wäre.
Ob die Barockpokale der Abb. 7 auf S. 22
der „Brandenburgischen Glaser" gleich-
falls dem Tille zuzusprechen sind, ist nicht
so ohne weiteres festzustellen. Angesichts
des künstlerisch nicht so bedeutenden
Charakters dieser Arbeiten ist die Beant-
wortung dieser Frage auch weniger tele-
vantl.
Wesentlich ist jedoch, daß wir durch die
Entdeckung und Auflösung des Quedlin-
burger l-lumpens nunmehr in der Lage
sind, einen bestimmten Glasschneider,
nämlich Christoph Tille, mit einem für
diese Zeit und den Bereich nördlich der
Alpen charakteristischen Dekor Bachge-
schnittener Blumen und Früchte zu identi-
lizieren.
ANMERKUNG
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