Der Zufall kann auch anders, in weniger
mathematischer Form, man könnte sagen, in
engerer Bindung zum Menschen in den Ge-
staltungsprozeß einbezogen werden. Den Zu-
fallsgenerator bilden automative, vorn Bewußt-
sein nicht gesteuerte Bewegungen des Men-
schen (Abb. 4).
Die Produkte sind in „primitivef Form die
autumativen Zeichnungen, die aus der jüngeren
Kunstgeschichte bekannt sind, und im techno-
genen Bereiche die noch geschichtsluse, erst
im Entstehen begriffene Methode der automativ-
maschinellen Erzeugung von Zufallsbildern
(automative Cinegramme und andere Formen).
Im Grunde sind es Verschlüsselungen und als
solche so sehr zum Selbstzweck geworden,
daß diese Methode fur choreographische Zwecke
unbrauchbar ist. Sie bilden eine autonome
Provinz innerhalb der technogenen Welt.
Wenn auch die Forderung Kleists, den Tanz
der Gliederpuppe in das „Reich der mechani-
schen Kräfte" hinüberzuspielen, letztlich so auf-
zufassen ist, daß das Reich der Marionette als
solches noch bestehen bleibt, so leitet diese
Forderung doch einen Prozeß ein,der, konsequent
und mit den Mitteln unseres Jahrhunderts
durchgeführt, weit über das Marionettentheater
hinausgeht. Die Einbettung der Gliederpuppe
in techno-logische Bereiche führt nicht nur
zur mechanisch gesteuerten, programmierten
Bewegung nach einer festgelegten Choreo-
graphie, mit oder ohne Einbeziehung des Zufalls,
sondern erfaßt auch die Gliederpuppe und
führt schrittweise zur Objektivierung der Ma-
rionette. Durch die Einbeziehung und Ein-
gliederung in technogene Kategorien wird der
letzte anthropomorphe Rest des Tänzers - die
Gliederpuppe - eliminiert. Die Marionette wird
zum bewegten Objekt. Nach Kleist haben die
Marionetten den Vorteil, daß sie antigrav sind.
sie sind der Schwere, der Trägheit der Materie,
diese dem Tanz entgegenstrebendsten Eigen-
schaft, nicht unterworfen. Die Entmateriali-
sierung der zum Objekt gewordenen Marionette
ist weniger fiktiv und viel umfassender. Schon
durch die Wahl eines durchsichtigen Materials,
das die dahinterliegenden Formstrukturen des
Modells erkennen läßt, erfolgt eine merkliche
Auflockerung der Masse. Es ist nun möglich.
diesen Weg der Sublimierung der Masse noch
weiter zu gehen. Durch die Anwendung einer
speziellen Art von Licht wird das bewegte
Objekt unter gewissen Bedingungen zur Aus-
strahlung von Licht angeregt. Das Objekt wird
zum Lichtträger. Im Strahlenkegel des ultra-
violetten Lichtes beginnen die Plexiglasmodelle
zu fluoreszieren, eigenes langweiliges Licht
auszustrahlen f. Wird nun dieses „Lichtballett"
gefilmt, so wäre es mehr als naiv, sich nur mit
der bloßen Dokumentation zu begnügen. Durch
das Medium Film werden nicht nur die Bereiche
„Licht und Bewegung" aus ihrem beengten
Dunkelkammerdasern erlöst, es wird vielmehr
eine neue Kunstform geschaffen (Abb. 5, 6).
Durch die spezifischen Eigentumlichkeiten dieser
Kunstform werden die UV-Choreogramme, die
Zeit-Weg-Bilder des Bewegungsablaufes, weit-
gehend bedingt. Sind die Objekte durchsichtige
Plexiglasmodelle, so ergibt sich bei gewissen
Stellungen eine Summation aller Strukturen der
einzelnen Modelle. Man kann diese Eigenschaft
als ein wesentliches Element der UV-Choreo-
graphie ansehen. Einzelne Objekte lassen sich
zu einem neuen Objekt verschmelzen, das sich
dann wieder in einzelne selbstandige Be-
wegungsträger auflösen kann. Summation, Di-
vision, Rotation um die eigene Achse, als ein-
zelnes Objekt oder in Summation, Simultan-
rotation längs einer Kreislinie, Verlöschen,
Reflexe und anderes sind Figuren dieser
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