. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
„Archäologische Funde
der Volksrepublik China"
Katalog, heraus egeben im Auftra des Bundes-
ministeriums für issenschaft und orschung vom
Österreichischen Museum für angewandte Kunst.
Altes und Neues Haus,
Säulenhalle, Ausstellungshalle
Parterresäle Neues Haus
Wien 1, Stubenrin 5
23. 2-21. 4. 1974 a Tag verlängert)
Nach dem knappen Bericht im Heft 133 soll hier in
Grundzügen diese wohl außergewöhnliche Ausstel-
lung auf Wiener Boden Würdigung erfahren. Man
erinnert sich: nach vor wenigen Jahren stand das
neue China so gut wie ohne Beziehungen zur gesam-
ten übrigen Welt. Der Miteinschluß Chinas, der
Wunsch nadt Öffnung von beiden Seiten, konnte
nur eine Frage der allernächsten Zukunft sein. Neben
der Aufnahme der übrigen zwischenmenschlichen
Beziehungen schien eine Öffnung auf kulturellem
Sektor selbstverständlich, denn nichts scheint stärker
als Kunst in allen ihren Äußerungen ein kosmopoliti-
sches Kommunikatianswunder vollbringen zu können.
Eine Kommunikation auf freierer Ebene, fern von
politischem Taggeschrei, wie sie vielleicht auch die
großen Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts
a priori darstellten, deren Grundaspekt des
Zusammenkammens, Demonstrierens und Aus-
tauschens geistiger und materieller Lebens-
äußerungen allen Völkern Fortschritt und neue Per-
spektiven brachte. Ein partielles Kommunikations-
wunder könnte man die Chinaausstellung, die vor-
zugsweise auch Wien beherbergte, bezeichnen.
Eröffnet wurde die Veranstoltungsreihe der Aus-
stellung „Archäologische Funde der Volksrepublik
China" im Voriahr, 1973, in Paris. Nächste Station
war London, im Winter 1973l7Ä, dann folgte
Wien. Drei Stationen einer Schau, die, ersten
Berichten zufolge, echte Publikumsbegeisterung
vermerken konnte. Sind Neugier und Andrang um
so größer, ie weiter es in die Jahrtausende zu-
rückgeht? Ein toller Zeitrahmen: 15.000.000 v. Chr. -
1400 n. Chr. als sensationelle Headlinel Wenngleich
600.000 v. Chr. sachlich doch den wahren Zeitansatz
bedeutete. Nehmen wir vorweg: Wien, von chine-
sischer Seite mit dem Vorzug bedacht, einzige Stadt"
im mittleren Europa zu sein, in der die Ausstellung
gezeigt wurde, scheute weder Mühe noch Kosten,
dieses Superspektakel dem österreichischen und
interessierten Anrainerpublikum angemessen zu
präsentieren. Nicht um Paris oder London den Rang
abzulaufen, doch der Möglichkeit wegen. Farb-
mutige Architekten setzten klarlinig neue Maßstäbe
mit einer zukunftsweisenden Gesamtpräsentation,
die datationsbestimmten Musealstandard weit
übertraf. Der Organisierungsgrad ist ebenso
geradezu perfekt und effektivst. So rollt der Besucher
gleichsam auf einer lnformations- und Lenkungs-
woge zu den chinesischen Kunstschätzen. Katalog-
bestückt wie selten - man sah Paare, wo ieder
Partner seinen eigenen Katalog mit sich trug -
zeigte sich das Publikum eingestimmt vor dem
eigentlichen Ausstellungserlebnis. Und da stand so
ein ziemlich abgebrühter Museumsmann mitten in
dem Trubel und wurde fast mitgerissen in diese
unerklärbare Euphorie, besonders in der Endphase.
Doch zur Ausstellung. Im Säulenhof erfolgte
eine weihevolle Einstimmung in die chinesische
Welt. Rundum ein vielteiliger Bilderfries mit
chinesischen Landschaften, figuralen Szenerien,
mythologischen Ausschnitten und sphärenhaft, wie
von weit her, fernöstliches Glockengeläute.
Vom gläsernen Museumsdach herunter der diagonal
sich kreuzende Fall von Fahnenbändern in Rot und
Rot-Weiß-Rot. Diapositivvorführungen, Bücherstand
mit einschlägiger Literatur, lnformationskiosk
boten weitere Gelegenheit zu Sammlung und ln-
formierung. Dann der eigentliche Eintritt in die
Ausstellung, deren Exponate und Hilfsexponate in
den Parterresälen des Neuen Hauses in chronologi-
scher Abfolge in gut konzipierter Lockerheit wie
sachlicher Ordnung präsentiert waren. Eingangs
erste Hilfsexponate mit Bildern chinesischer Aus-
grabungsstätten, gegenüber das stets stark
frequentierte „Espressa". Noch vor den ersten
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Obiektevitrinen eine übergroße Chinakarte mit den
markierten Fundstätten. Daneben eine überaus
nützliche Zeitvergleichskarte „China-Usterreich":
15,000.000 vor Christus bis 1400 nach Christus. Davor
in der Regel schon die ersten Publikumsansamm-
lunen. Immerhin ist es interessant zu wissen, daß
z. B. ein gutes Jahrzehnt vor der ersten urkund-
lidten Erwähnung des Namens Wie , in China, 868,
das erste Buch gedruckt wurde. Positive Publikums-
reaktion, denn über die Geschichte gelangte man
besser orientiert ins Archäologische. Erste Sen-
sationsobiekte, Schädel und Fragmente des
Lan t'iert bzw. des Pekingmenschen, nachgebildet,
und Gerät aus dem Paläolithikum. ln funktionell
einfachen Vitrinen, wechselnde farbige Seide
auf die ieweiligen Obiekte harmonisch abgestimmt.
Übergang ins Neolithikum: Äxte, Meißel,
Harpunen und sonstiges Handgerät aus der Jung-
steinzeit. Nach und nach gleitet man in die
exotische Sphäre der großartigen Schau, drängt
schaubehindert an Menschentrauben vorbei durch
die Säle mit den fast 380 Exponaten in insgesamt
XXXIV Ausstellungsabsdtnitten, groß unterteilt in
drei Hauptgruppen: Urgesellschaft, Sklavenhalter-
gesellschaft und Feudalgesellschaft. Schiebt sich
vorbei an FührungsgruppemMaximum einer einzigen
Führungsanmeldung 600i Man versenkt sich mit
Muße ins Ansehen kleiner Obiekte, etwa einer
Pflugsdtar oder zwei Orakelknochen aus der
Shang-Zeit, die als Urträger der chinesischen
Schrift gelten. Verharrt mit Staunen vor dem
iadegepanzerten, geheimnisvoll-futuristisch an-
mutenden Totenkleid der Prinzessin Tou Wan, den
90 gezählten Bronzestatuetten; Pferde, Kampfwa-
gen, Reiter und Diener in militärischer Aufstellung,
einem Grabfund eines Generals der Han-Zeit, und
dem svmbolträchtigen Leitobiekt der aufregenden
Schau, dem „Fliegenden Pferd". lm steten Wechsel
Obiekte, dazu Darstellungen von Ausgrabungs-
stätten in Hilfsexponaten. Hinter alledem spürbar
die tiefe Ehrfurcht und Verehrung des chinesischen
Volkes vor dem Vergangenen. Quintessenz dieser
Ausstellung, dieser sensationellen Funde der
letzten zwanzig Jahre: nicht rtur der Glanz und
exotische Reiz fernöstlicher Kunst und die erstaun-
lichen Leistungen der chinesischen Archäologen
wurden vermittelt, sondern darüber hinaus wert-
volle Aufschlüsse zum besseren Verständnis der
Menschheitgeschichte überhaupt.
Große Beredtheit und farbigste Schilderung
allein sind iedadt nidtt imstande, dieses menschen-
überlaufene Erfolgsspektakel und seinen
Publikumszuspruch späteren Generationen echt auf-
zuzeichnen. Zuletzt rannte man zum Museuml Aus
Angst, vor der nächsten Uberfüllungssperre nicht
mehr in die Ausstellung zu kommen. Wann hat es
das und wird es das jemals wieder geben? Prall
beparkte Zufahrten und Parkplätze. lm Säulenhof
ratlose Observanz, eingepfercht in hin- und her-
wogende Besucherströme. Rührend hilflos lächelnd,
doch besorgte chinesische Verantwortliche. Vor-
bildlich eine von ihren sonstigen Musealpflichten
entbundene, pensionistenverstärkte Aufseher-
phalanx. Sie agiert umsichtig und ruhig lenkend,
aufklärend und einweisend in aller sich über-
schlagenden Hektik. So gesehen „gehörte" diese
nicht vom Hause initiierte Schau doch ganz dem
Museum, und das ohne iede Beweihräucherung.
Seinem immer um den ganz großen Erfolg besorg-
ten, bis zuletzt am besseren lmage und um per-
fekteste Präsentation bemühten Direktor, den
beiden Chinaexperten und den uner-
müdlichen, der Sicherheit der Ausstellung ver-
pflichteten pendelnden akademischen Führungs-
und beigeordneten Assistenzkräften wie dem
mächtigen Aufgebot des Aufsichtspersonals, nicht
zuletzt aber auch den Fachkräften und „Arbeits-
portiert" des Hauses, denen die übersdtnelle
Adaptierung oblag.
Einem Erfolgsunternehmen folgt meist leichtlippig
das Bekenntnis guter Zusammenarbeit. Mit Genug-
tuung sei festgehalten, daß sämtliche chinesischen
und österreichischen Beteiligten in bemerkens-
werter Einmütigkeit zusammenstanden. Sowohl in
der so hektischen Vorbereitungsphase, die info
knappster Terminselzung fast unüberwindbare
Schranken aufrichtete, wie auch während des
Verlaufes der Ausstellung. Unter Patronanz de
österreichischen Bundesregierung stand von de
Frau Bundesminister Dr. Herta Firnberg und l
engeren ministeriellen Stab über die Herren de
Organisationsapparates bis herunter zum letzt
Uberwacher eine auf Bemühen um die Sactt
das Publikum ausgerichtete Gemeinschaft.
Tragischer Akzent des glanzvollen Ereignisses -
letzte Auftreten des schon vom Tode gezeid
Bundespräsidenten Dr. h. c. Franz Jonas, der
Exklusiveröffnung vornahm.
Besprechungen, Konferenzen, den halbhundert-
tausendsten Besuchern Schenkungen, Empföng
auf der chinesischen Botschaft und sonstige A
verstärkten die Beziehungen zwischen chinesist
und österreichischen Akteuren derart, daß sell
schwierige sprachliche Verständigung keine u
windliche Klippe darstellte. Das dabei manchrr
geschriebene und gesprochene Wart Freundsct
konnte wohltuend in echter Bedeutung verstant
werden. Der Erfolg einer Ausstellung wird in d
Regel nach den erreichten Besucherzahlen gen
Hier müßte man sagen, daß diese förmlich hoc
iagten in bisher nicht verzeichnete Höhen, daß
sämtliche offiziellen Statements und Prognoser
erfreulicherweise übertroffen wurden. Fazit: ei
niemals erzitterter Erfolg mit der Schlußbilanz
240.866 Besuchern und 55.261 verkauften Katt
aus drei Auflagen.
In Ausnutzung aller medialen Mittel, parallel z
Ausstellung, hatte der mit durchführende Gene
sekretär des österreichischen Kulturzentrums i
seinem Haus am Josefsplatz 6 zwei chinesische
Filme laufen und eine Presse der Superlative
Pressekonferenz mit fast 100 Journalisten -
fachte zusätzlich den Aufwind immer wieder at
Nun ist die Ausstellung bereits Geschichte gew
Nur mehr ein Poster mit dem „Fliegenden Pfert
als Anlockung kündet mit Vermerk vom Abverli
der wenigen übriggebliebenen Kataloge und I
Das Museum hat mit drei Ausstellungen seine
„Normalität" wiedergefunden. Gewisse Nach-
probleme im Zuge von Umbauten im Parterre t
Neuen Hauses verzögern die Neugestaltung de
Teppichr und Chinasammlungen. Schon mehren
Anfragen nach den Chinaschötzen des Hauses
ist neugierig, will vergleichen und neu entdeckt
Inzwischen geht die Chinaausstellung in Stocl
der letzten europäischen Station, langsam zu E
um anschließend nach Übersee zu gehen, besl
Beispiel einer Möglichkeit, eine Annäherung ur
Vertiefung menschlicher Beziehungen über Kun
herbeizuführen. Leopold h
t Kuan-yin, „cnadengattinü aus Ta-tu, Hauptsta
Yüan, 1a, Jh., was westlich von Peking ausge
2 Eröffnung der Chinaausslellung. Bundespräslde
lt. c. Franz Jonas, geleitet von Frau Bundesn
Dr. Hertltd Firnberg, beim Entree
a Frati Bundesminister Dr. Herta Firnberg packt da
Obiekt mit aus, anwesend Hofrat Dir. Prof. Dr. A
Botschafter Wang, Herren der chinesischen Dell
Und Wiss. ote Dr. Herbert FVX (von links noch rt
4 Junge Besucherin vor aani Sinanthropus tantianani
s Reiter, „Westliche Barbaren", aus dem Mou
der Prinzessin Yllhg T'ai, Anfang, a. Jh., T'a
a An einem Ausstellungstclg. Sichtbar die charal
schert Vitrinenprofile
7 „Nur naati ein Tag" an der Affichenwand va
Museum
s „Einbahn" zum Museum. „Man greift sich o
Kopf." Endlose Besucherschlange und pralll
Parkbahnen