Günter Düriegl
Wien im Mittelalter-
Gedanken zu Konzept und
Motiv einer Ausstellung
ln der Zeit vom 18. Dezember 1975 bis zum
19. April 1976 realisierte das Historische Museum
der Stadt Wien in seiner 41, Sonderausstellung
einen schon immer gehegten und einige Male
als Wunsch formulierten Plan, wohl einer der
reizvollsten lokalgeschichtlichen Aufgaben nach-
zukommen, das Thema „Wien im Mittelalter" in
einer möglichst umfassenden Weise darzustel-
lenl. Gelingt es, spätere Epochen in einem
hohen Maße mit Objekten, die dem Historischen
Museum als Eigentum angehören, zu illustrieren,
so ist die Sammlung an Gegenständen vor allem
des frühen und des hohen Mittelalters, die zur
Geschichte Wiens in Beziehung zu bringen sind,
klein, wie überhaupt gesagt werden muß, daß es
nicht allzu viele Zeugnisse gibt, die auf das mit-
telalterliche Wien Bezug nehmen. Der gestellten
Aufgabe nachzukommen gelang nur, indem man
großzügig Leihgaben herbeiholte, Leihgaben, die
sich im Besitz namhafter in- und ausländischer
Sammlungen befinden und von diesen in selbst-
loser Weise zur Verfügung gestellt wurden. So
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konnte erstmals, unter Einbeziehung des eigenen
Bestandes an mittelalterlichen Realien - die Pla-
stiken, Glasgemälde und Fresken von St. Ste-
phan, die Waffen und Funeralia sind Höhe-
punkte europäischen gotischen Kunstschaf-
fens -, ein weitgehend umfassendes Gesamtbild
des mittelalterlichen Wien entworfen werden. Die
Realie, das mittelalterliche Original, zumeist ein
Kunstwerk hervorragender Erlesenheit, sollte in
seinem vielschichtigen, überaus komplexen Aus-
sagewert zum Träger der Darstellung des The-
mas werden, die Rekonstruktion, ein durchaus
legitimes Mittel, wurde weitgehend ausgeklam-
mert. Nur ein einziges Mal verwendetz, störte
sie daher den Zauber des Kontakts mit den Lei-
stungsergebnissen vergangener Kulturepochen,
der stets auf der instinktiven Überzeugung von
der Wesensverwondtschaft und dem genetischen
Zusammenhang mit denen, die sie trugen, be-
ruhta, in keiner Weise. In der Verdichtung der
angedeuteten Maxime - Entwurf eines umfas-
senden Gesamtbildes aus dem Bekenntnis zur
1 Der Stammbaum der Babenberger, Klo;
burg, 1489-1492, Triptychon, von Holz a
wand übertragen, Ausschnitt: Rundbild H
ll., Stiftsmuseum Klosterneuburg, lnv.-Nr
Katalog, Kot-Nr. 293b.
2 Zweiter König der Epiphanie vom Adlerti
St. Stephan, um 1430, Sandstein, teilw. pi
miert, Höhe: 142, Historisches Museum dt
Wien, lnv.-Nr. 117.031; Katalog, Kot-Nr.
3 Männerkopf (Baumeisterbildnis) in prot
Steinstück von der Siidseite des hohen
von St. Stephan, 3. Jahrzehnt 15. Jahrl
Sandstein, Höhe: 19, Länge: 62, Hist-
Museum der Stadt Wien, lnv.-Nr. 639; l'
Kot-Nr. 233.
4 Apostel von einem Passionsaltar aus
phan, um 1330-1340, Eichenholz, Reste al
sung und Vergoldung, Höhe: 43, Histi
Museum der Stadt Wien, lnv-Nr. 614; t
Kot-Nr. 198a.
Anmerkungen 1-23 (Anm. 20-23 s. Text S. 10)
'Wien im Mittelalter, Katalog der 41. Sonderau
des Historischen Museums der Stadt Wien, Wien
zitiert als- Katalog,
7 Katalog, Rekonstruktion der räumlichen Entwicklun
im Mittelalter - Plan.
"Vgl. Gatik in Österreich, Krems a, d. Donau 15
stellungskatalag: Alphons Lhotsky, Zur Einführung
R325 n. Chr. oder 476 n. Chr,
5 Katalog. Kot-Nr. 11711
5 Robert Wa" senberger, Wiens europäische Bedei
Mittelalter; in: Katalog, 7.
'Karl Oettinger, Das Werden Wiens, Wien 195"
Harl, Die dunklen Jahrhunderte; in- Katalog, 12-'
"Vgl. Katalog, KatßNr. 11712
'Tauschvertrag von Mautern: Markgraf Leopold IV
einen Tauschvertrag mit Bischof Reginmar von
1137 Mautern (München, Bayerisches Hauptstai
Hachstilt Passau, Urk.-Nr. 39), Katalog, Kot-Nr.
1" Robert Waissenberger, a. a. O. 7, und Peter
Straßen und Plätze Wiens im Mittelalter; in: Kal
1' Heinrichll. Theodora Kamnena, LeopoldVl. '
ddrd, Friedrich ll. 3-; rsdpriiszi Loskaris.
" 1237-1239, Kaiser Friedrich ll.; 1278-1288, König
u Nach einer 1288 vorzeitig aufgedeckten Versc
deren Träger in idndn Kreisen lU siirridn Würert,
bereits 1278-1231 an der Verschwörung des Pol
dem Freihof beteiligt hatten, entzogen die Ha
dem Wiener Bürgertum seine eben erst erworbe
rechte und maßen ihm die Grenzen politischer
zunächst sehr eng zu.
1' 1330-1358.
15 Die Herzöge Rudolf lV., Albrecht lll. und Lea
stiften zu Wien eine Universität, 1365 März 1
[Archiv der Universität Wien, lriv.-Nr. A. U. A.
10g, Kat-Nr. 127.
"Als ieweils Prominenteste wurden drei Wiener
meister hingerichtet: 1403 Konrad Vorlauf, 1463 X
Holzer, 1522 Dr. Martin Siebenbiirger.
"1428 drangen die HUSSllEVI UhlEV FÜltrUhg Pfükbi
die Umgebung Wiens VOr iind wurden nur dlli
gische Verleidigungsmaßnaltmeri gehindert, in r
einzudringen.
1' lm „Leapoldinum", dem von Herzog Leopold
Wiener Bürgern verliehenen Stadtrecht (1221 Ok
Wien; nur mehr in einer Abschrift des 13. Jah
erholten: München, Bayerische Staatsbibliothek,
16083), stellt das Stapelrecht einen der wese
der insgesamt 29 Artikel des Privilegiums dar,
KaL-Nr. 121.
WKdtOlOg, Kot-Nr. 146 lwlefier Stadt- iind idnr
Privileg 57) und Kot-Nr. 345: „Der Stat Wienn
und Frevhaiten", Wien, 1526 März 12, Buchdruck
Stadthihliothek, B 3997).
"1515 Wiener Kürlgreß Mild Ücppelltütlileil im 1
ÖOWP Der spätere König Ludwig II von ultgCli
mit der österreichischen Prinzessin Mdrid und c
rissii-böiirnisriisi Prinzessin Annd rnii Maximilicr
mit Ferdinand, seinem Enkel, verheiratet.
1' Kdtdlcg, Kat.-Nr.117-146.
7' Katalog, Kat-Nr.147-152,
11 Siegel dn der Urkunde Mdiirgrdr Leüpold lll. er
Domkapitet van Salzburg Abgaben von eiriei
galten bei Krems, vor 1136 November 13,
(Haus-, Hat-undStoatsarchivWien), Katalog, Kai