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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXI (1976 / Heft 147)

mit dem Kaiser und den sieben Kurfürsten, die 
sich ihrerseits in die drei geistlichen und die 
vier weltlichen gliedern. Die Zahl der geistlichen 
wird oft durch den Podesta von Rom auf vier 
ergänzt. Weiters folgen ie vier Herzoge, Vikare, 
Markgrafen, Landgrafen und so fort bis zu den 
Städten, Dörfern und Bauern. Unter den Bauern 
befindet sich auch der Salzburger Bauer. 
Das System wurde in zahlreichen Wappen- 
büchern übernommen. Dem Fetterschen Wappen- 
buch im Stadtarchiv von Frankfurt am Main 
von 1583" kann anhand von darin enthaltenen 
Kopien verlorengegangener Wandgemälde ent- 
nommen werden, daß einst ein Saal im Römer 
an den Wänden und der Decke mit Quater- 
nionenbildern ausgestattet war. Diese Darstellun- 
gen zeigten die Vertreter der einzelnen Stände 
in Lebensgröße sowie ihre Wappen. Sie waren 
um 1415 von einem unbekannten Meister ge- 
schaffen, 1477 erneuert und später überstrichen 
worden. Auch das prächtige Wappenbuch des 
Conrad von Grünenberg vom Jahr 1483 bringt 
dieses System, wobei zu den Wappen der Ver- 
treter der Stände die Symbole der betreffenden 
Ämter gemalt sind. In Hartmann Schedels Welt- 
chranik von 1493 finden sich die „Säulen des 
Reichs" teils in voller Gestalt und teils als 
Halbfiguren gegeben. Schließlich ist das Meister- 
werk des Schnitzers Jakob Ruß zu nennen, die 
1490-1494 geschaffene Dekoration des Über- 
linger Rathaussaales, worin die Vertreter der 
Stände in großem Variationsreichtum als indi- 
viduell gestaltete Figuren erscheinen. 
Die Darstellung des Reichsadlers mit den Qua- 
ternionenwappen findet sich wohl zum ersten 
Mal in der handschriftlichen Chronik von Köln 
des Heinrich von Beeck, der sogenannten 
„Agrippina" aus den Jahren 1470-1472". Der 
Holzschnitt Hans Burgkmairs, Reichsadler mit 
Kruzifix und Quaternionenwappen, datiert 1510, 
folgt wohl dem in der 1499 gedruckten Ausgabe 
der eben genannten Chronik von Köln. Nach 
diesem Schema wurden später die Bemalungen 
von Humpen und Gefäßen, „Kurfürstenhumpen" 
genannt, gestaltet. 
Abgesehen von der Quaternionenthearie gab 
es noch andere Programme bei der Verbild- 
lichung des Reichsgedankens. So fanden sich am 
„Schönen Brunnen" in Nürnberg von 1385-1396 
sowohl die sieben Kurfürsten, die acht Propheten, 
die neun „guten Helden" und die vier Evange- 
listen dargestellt. Die im Jahr 1454 errichtete 
„Schau" der Goldschmiede in Nürnberg (1810 
abgebrochen) trug als oberen Abschluß einen 
Treppengiebel mit einer Uhr und einen den 
 
Giebel flankierenden Zinnenkranz, an dem der 
Kaiser und die Kurfürsten dargestellt waren. In 
den kleinen rundbogigen Feldern befanden sich 
die Halbfiguren von sechs Planeten, Luna,Merkur, 
Venus, Mars, Jupiter und Saturn, wozu noch 
die Sonne im Zifferblatt der Uhr kam; also 
die Siebenzahl der Kurfürsten, die den Planeten 
gegenübergestellt wurde. Die Amtsstube des 
Augsburger Weberhauses im Bayerischen Natio- 
nalmuseum" enthält ein reiches Programm zur 
Verbildlichung des Reichsgedankens. Die gewölb- 
te Holzdecke und die Wandbekleidung sind 
entsprechend der Inschrift an der Tür von Peter 
Kaltenhoff 1457 bemalt worden. Jörg Breu d. J. 
frischte die Malereien 1538 wieder auf. Aufge- 
molte Versinschriften erklären die einzelnen Dar- 
stellungen, an der Decke Szenen aus dem Alten 
Testament, beginnend mit dem Sündenfall und 
endend mit der Daniel-Geschichte.AufderDecke 
befinden sich zudem Szenen aus dem Alexan- 
der-Roman. Die Wandtafeln zeigen (e fünf 
jüdische Propheten und heidnische Philosophen, 
drei (üdische Helden (David, Josua, Judas Mok- 
kabäus), drei heidnische Helden (Hektor von 
Troio, Alexander d. Gr., Julius Cäsar), drei 
christliche Helden (Karl d. Gr., König Artus, 
Gottfried von Bouillon), drei geistliche und vier 
weltliche Kurfürsten des Reiches und Kaiser 
Friedrich lll. 
Der „imperiale Teil" des Programms der Aus- 
stattung des Goldegger Rittersaales beginnt an 
der Ostwand mit dem Wappen des Römisch- 
Deutschen Kaisers, geschmückt mit dem Orden 
vom Goldenen Vlies und einer kaiserlichen 
Mitrakrone, ihm „zu Füßen" die Wappen der 
Graf zu Schernberg und der Herren von Gold- 
egg. In den gemalten Arkadenöffnungen seitlich 
sind das Wappen des regierenden Erzbischofs 
Kardinal Matthäus Lang sowie das des Oheims 
der Frau des Hauses, des Erzbischofs Leonhard 
von Keutschach, zu sehen. Die van Osten nach 
Westen gehende Quaternionenreihe an der 
Decke wurde durch ein Schriftband eingeleitet, 
das nach Kürsingers Beschreibung van 1839 fol- 
gende Inschrift hatte und nur mehr in Frag- 
menten erhalten ist; „Remisch Reichs Gelider" 
und „Deus qui sine Fine vitit et regnat imperium 
suum benedicat Amen!". Die erste Wappenreihe 
zeigt aktuelle Bezüge für die Zeit ihrer Ent- 
stehung, das Wappen von Ungarn-Böhmen (nach 
der Schlacht von Mohac 1526 war Ferdinand I. 
König dieser Länder geworden), das Wappen 
des Römisch-Deutschen Königs (Ferdinand l. seit 
1531), das Wappen des Kaisers (Karl V.) und 
das Wappen der Habsburgischen Erblande (seit 
1521 von Ferdinand l. regiert). Nun folgt die 
übliche Reihenfolge der Vertreter der einzelnen 
Stände, endend mit dem 1530 erweiterten Wap- 
pen des Auftraggebers mit der Inschrift: „Den 
Sal hat Herr Christof Graf machen und malen las- 
sen anno 1536". Auf den Hahlkehlen entlang der 
Längswände sind die Wappen der vier Erbämter 
des Erzstiftes Salzburg, der damaligen Domher- 
ren, der Suffraganbistümer, der Klöster St. Peter 
und Admont, Salzburger Adelsgeschlechter, des 
Bauherrn und seiner Ahnen gemalt. 
Die Darstellung in Tempera auf den Holztafeln 
der Sockelzone, der mit zwei Fensternischen 
einspringenden Ostwand, folgen, wie ia auch 
die auf der Decke, einer älteren Tradition im- 
perialer Programme. Hier sind sowohl eine Reihe 
„Guter Helden" als auch „Planetengottheiten" 
zu sehen. Van den Helden werden „DREI GUT 
HAIDEN", „DREl GUT KRISTlN", „DREI GUT 
CRISTEN", „DREI GUT IUDIN" und „DREl GUT 
lUDEN" vorgeführt, während auf die fehlenden 
drei guten weiblichen Heiden aus Platzmangel 
verzichtet worden ist. Hingegen haben sich von 
den Planetenbildern nur die Tafeln mit „Sa- 
turnus", „lubiter" und „Sal" erhalten, sie bilde- 
ten den Sockel des Wandteils zwischen den 
Fenstern und unter dem Fresko mit der Reiher- 
beize (wa sie Kürsinger noch gesehen hat]. Die 
Helden erscheinen hier als Vorbilder, während 
die Planetengottheiten darauf hinweisen, daß 
der Mensch teilhat an den kosmischen Rhythmen, 
daß der Einfluß der Planeten auf Gesundheit 
und Handeln des Einzelmenschen und auch des 
Staates günstig oder ungünstig sein kann. Die 
Planeten stehen wohl auch als Mahnung und 
als Versicherung, daß - hier findet sich die 
Verbindung zur Reichsidee - in einer auf ewige 
Ordnung gegründeten Welt alles genau geregelt 
und bestimmt sei. Sie bedeuten Kräfte außerhalb 
und innerhalb des Menschen, wie auch Paracel- 
sus in diesen Jahren verkündete, „daß im Men- 
schen seind Son und Mond, und all Planeten". 
Die in den Wölbungen der Fensternischen dar- 
gestellten Tugenden Constantio und Justitia be- 
ziehen sich noch auf die Reichsidee, während 
die Fresken in den Nischen über den Tafeln 
novellistisch „Eheiach" und „Ehestreit" sowie 
einen Putten- und einen Bärentanz zeigen. 
Die Helden wie auch die Planetengötter sind 
in schwarzen Binnenzeichnungen auf grünem 
Grund gegeben. Auch die Fresken der Fenster- 
nischen sind monochrom gemalt. Die Verwen- 
dung von Terra verde als Farbe der Sockelzone 
findet sich schon in der pompeiianischen Wand- 
malerei; für Goldegg werden die in Räumen Ti-
	        
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