iglings) und der pythagoröischen Tradition der
röasis, der „Weltanhörung", anspielen.
'19 haben Keyserling und ich die um das Kreuz
ippierten kosmologischen Symbole als Hin-
is auf die pythagoräische Weltinterpretation
standen, wobei das Kreuz das pythagoröische
I, das Zentrum des Lehrgebäudes, bedeuten
Ite". Die Zahlen, Mond und Sonne oder
entralfeuer" könnten auf die pythagoräische
smologie der durch Zahlenverhältnisse er-
inbaren Weltharmonie verweisen. Soweit sie
itan bekannt war, hat er in seinem „Timaios"
Lehren des Pythagoras niedergeschrieben. Die-
Werk beginnt mit den folgenden Worten:
iner, zwei, drei, wo aber lieber Timaios blieb
s der vierte . . .5?"
ührend man heute Astronomie, Astrologie,
chemie, Philosophie, Mathematik und andere
Vissenschaften" säuberlich trennt, war das im
. und I6. Jahrhundert in esoterischen Lehrge-
uden, die zur Welterklärung alles Erreichbare
egrierten, kompiliert. Es gibt zahlreiche Ab-
ndlungen darüber, wie Venedig mit den Krei-
n der platonischen Akademie in Florenz in
irbindung stand; die Namen großer Alche-
sten dieser Zeit in Venetien, etwa G. A. Augu-
Ili und Bernardo von Treviso, sind bekannt. Die
arburg-Schule, Hortlaub, Calvesi, Pochat u. a.
ben sich mit diesen Fragen intensiv beschäf-
it, und es steht außer Frage, daß im ersten
Jahrzehnt des I6. Jahrhunderts in den Akade-
mien und vor allem durch die Tatsache, daß
Venedig das Publikationszentrum Europas war,
diese esoterisch-hermetischen Lehren und man-
ches, das heute verschollen ist, allgemein faszi-
nierte und den Gebildeten bekannt war.
Was hat es mit dem zitierten Satz aus dem
„Timaios" auf sich? C. G. Jung hat ihn als
Schlüssel des Werkes verstanden". Die Tetrok-
tys I+2+3+4 : I0 bedeutet neben der Er-
zeugung des Dezimalsystems noch eine funda-
mentale psychologische Gesetzmäßigkeit. Daß
die Tetraktys sogar in ihrer geometrisch-har-
monikalen Variante zu dieser Zeit bekannt war,
zeigt die Darstellung des Pythagoras in Rot-
faels „Schule von Athen"". Jung schreibt in
„Psychologie und Alchemie" über den Vierten,
daß er im himmlischen Drama neben der drei-
föltigen Gottheit unzweifelhaft der Teufel sei.
In harmloser psychologischer Fassung bestimme
das Vierte die minderwertige, unbewußt blei-
bende Funktion". Das Unbewußte stelle in Form
der vierten Person das Böse dar. Es sei daher
nicht verwunderlich, daß der Vierte in der Tra-
dition von den Dreien geschieden und in das
Reich des ewigen Feuers verwiesen wurde".
Jung zitiert den Traktat „Consilium Coniugii";
darin steht, daß der „philosophische Mensch
aus vier Naturen des Steins bestehe. Drei davon
seien irdisch oder in der Erde, die vierte Natur
ist das Wasser des Steins..., mit welchem die
drei irdischen Naturen tingiert werdenwt. Die
vierte Natur ist die Voraussetzung zur Erlangung
der Ganzheit des Menschen, des EINEN nämlich,
„der fehlt und doch da ist... und die göttliche
Präsenz darsteIIW", der schon vor dem Men-
schen war und zugleich dessen Licht ist. Er ge-
sellt sich als Viertes zu den Dreien und stellt
dadurch die Synthese der Vier zur Einheit dar".
In hermetischer Terminologie zeigt der Alte den
„proiizierten" Vierten als Quelle und Urgrund
auf. Der Jüngling sieht das, was die beiden
anderen ihm (historisch) vermittelt haben, näm-
lich den Vierten in iener Gestalt, wie er von den
Texten beschrieben wird: als Lichtquelle, als feu-
ergesichtiger Teufel im Stein etc.
Es ist oft angemerkt worden", daß Michiels Er-
wähnung der vorn Jüngling betrachteten Son-
nenstrahlen mit dem so wunderbar ersonnenen
Stein die einzige ästhetische Anerkennung unter
allen seinen Bilderwöhnungen bleibe, und Justi
war 1908 der erstes", der sich fragte, was Mi-
chiel an dem Stein denn so Wunderbares ge-
funden habe. Es muß sich um die geistige Licht-
quelle" am linken oberen Bildrand handeln, um
diesen flammengesichtigen Teufel, der auf den
Betrachter blickt. Besonders stark kommt dieses
Vexierbild in unterbelichteten, die Lichtkontraste
intensivierenden Reproduktionen heraus. Das
Thema erscheint clamit als „Stein der Weisen",
der in anderen Sprachen „Stein der Philosophen"
heißt, als iener Iichthafte Ursprung der Natur
und das Verhältnis der Philosophen ihm gegen-
über, wie es sich zu verschiedenen Zeiten auf
verschiedenen Stufen manifestierte. Der Stein
wurde überdies mit der Zahl I0, d. h. dem Er-
gebnis der vom Alten angespielten Tetraktys,
gleichgesetzt".
Ob diese Deutung diskutabel ist, hängt vom
entscheidenden Punkt ab, ob der „Vierte" allge-
mein erkennbar ist".
Die drei Gestalten der Philosophen sind isoliert
für sich, ohne den sie erhellenden Vierten, sinn-
los, wie auch Interpretationen, die dem linken
Bildteil nicht gerecht werden, notwendigerweise
unvollständig sein müssen. Die Höhle mag als
Kontrastgrund für das auflodernde Steingesicht
angelegt und durchaus als Reminiszenz des pla-
tonischen Höhlengleichnisses gemeint sein. Das
Bild der „Drei Philosophen" ist kein Bild einer
hermetischen Sekte oder Illustration eines esote-
rischen Gedankens. Solche sind durchwegs von
künstlerisch-unbedeutender Machart. Aber dem
Betrachter erschließt sich in der Bewunderung
der Landschaft in Giargiones Werken auch die
ambivalente Distanz zur Natur, die wir nicht
mit unseren am 19. Jahrhundert geschulten
Augen durchstreifen dürfen. In der Renaissance
mußte die Welt erst entdeckt werden, mit ihrer
mathematischen Erschließung durch die Perspek-
' tive ging die Verzerrung mittels der Anamor-
phose einher. Sowohl die seit Leonardo auf-
tauchenden anamorphotischen Täuschungen"
wie die scheinbar absichtslos aus amorphen For-
men gebildeten Felsengesichter Dürers" sind
gleichzeitige Porallelerscheinungen einer heute
fremden Weltsicht. Im Werk Giargiones wird uns
eine Ahnung davon vermittelt, wenn wir den Re-
naissance-Jüngling beobachten, wie er den auch
auf die außerbildliche Gegenwart gerichteten
Vierten gemessen hat.
Ü Unser Autor:
Dr. Thomas Zaunschirm
Kunsthistorisches Institut
der Universität Salzburg
Zillnerstraße 6
5020 Salzburg