luchdruckerei Knorr G Hirth wurde 1875 ge-
aam von Hirth und seinem Schwager ge-
let. Nun konnte er seine großen Heraus-
'- und Verlagswerke aus Kunst und Kunst-
werk im eigenen „Georg Hirth's Kunstver-
erscheinen lassen. Diese Tatsache ermög-
es ihm aber auch, eines seiner Hauptan-
1 zu verwirklichen: die Buchreform. In bi-
hiler Aufmachung wurden prächtige Kunst-
e publiziert. Die Illustrationen entsprachen
ür die damalige Zeit modernsten Erkennt-
1 der Reproduktionstechnik. Nicht nur die
'e Aufmachung des Buchs hatte künstleri-
Anforderungen zu genügen, es wurde auch
apier, Ausstattung, Satz und Druck geach-
irth bot diese Kunstbände relativ billig an.
tverstieß er zwar gegen die Praktiken ge-
tlicher Interessen, aber es gelang ihm der
aß zu einem großen Rezipientenkreis. Sein
2 wurde oft genannt. Öffentliche Anerken-
falgte. Man wird unterstellen dürfen, daß
ganz bewußt auf dem Gebiet der Kultur-
ttätig wurde.
men erstarrte, hatte sich Hirth längst von dieser
Bewegung gelöst. Er trat aus dem Vorstand des
Kunstgewerbevereins aus und wetterte dagegen,
daß sich die „offizielle Kunst" beharrlich wei-
gerte, Anregungen aus Westeuropa und Japan
zur Kenntnis zu nehmen.
Als sich 1892 in München die Verfechter der
„Sezession" durchsetzten, war Hirth einer der
rührigsten Mitbegründer. Er sah hier weniger
den Sammelpunkt moderner und revolutionärer
ldeen, er wollte eher jungen Leuten ermöglichen,
sich frei, individuell und fortschrittlich entwickeln
und entfalten zu können. Un-d deshalb wurden
er und sein Haus zum Zentrum künstlerischen
und gesellschaftlichen Lebens.
ln diese Phase fallen die ersten wesentlichen
Überlegungen bezüglich der Publikation einer
Zeitschrift. Tageszeitungen und Buchkunst hatte
er schon nachdrücklich beeinflußt, niun bedurfte
es noch einer Zeitung, die nach den Richtlinien
dekorativer lllustrationsgraphik gedruckt wurde.
Man macht es sich aber zu leicht, wenn man be-
hauptet, die „Jugend" habe in der Luft gelegen,
ihm genügend finanziellen Rückhalt. Aber auch
die „Jugend" kam nach mühsamen und langen
Jahren des Anlaufs aus den roten Zahlen heraus.
Das alles veranlaßte Hirth, den eingefleischten
Journalisten, iedoch keineswegs aufzuhören, sel-
ber aggressive Leitartikel und Reportagen zu
schreiben. Besonders engagiert trat er für die
Pressefreiheit ein und attackierte alle Versuche,
künstlerische Aussagen zu unterlaufen. Hirths
einseitige Vorliebe für Bismarck und dessen
Deutsches Reich war erkaltet. ln der „Jugend"
agierte er deshalb auch wieder politisch anhand
etlicher scharfer Artikel. Nach Bismarck war viel
ins Stocken geraten; Hirths iugendlicher Idealis-
mus war verflogen. Zwar noch unitarisch im Her-
zen, war er doch recht eigentlich Bayer gewor-
den. Die Reichsregierung wurde von ihm nicht
gelobt. Die preußische Göngelung des bayri-
schen Königreichs war allzu spürbar. Ludwig ll.
hatte dem Prinzregenten Luitpold Platz machen
müssen: und Hirth stand der Politik in München
durchaus kritisch gegenüber. Sein Zorn und seine
ständigen Angriffe aber galten Kaiser Wil-
l".
28
JUGEND
1896
"n!
. f!
. A] f Illlllllllflfißgäßlßä;
liederbelebung der deutschen Renaissance
r jedenfalls das, was man in ienen Jahren
ter verstand - war Slogan und Motto zu-
. Dem verschloß sich auch Hirth nicht. Im
1teil, er wurde zum unermüdlichen Verfech-
wes Geschmacks, der sich über viele Jahre
'I Wohnungen „kunstliebender" Deutscher
eren sollte. Unter diesem Aspekt muß auch
erste wesentliche Publikation gesehen wer-
„Der Formenschatz" erschien in Monats-
I ganze dreißig Jahre lang. Die Wohnkul-
) würde man es heute wohl nennen, stand
ttelpunkt. In diesem Sinn folgten u. a. „Das
Lhe Zimmer der Gotik und Renaissance",
schöne Mensch in der Kunst aller Zeiten"
das „Kulturgeschichtliche Bilderbuch aus
ahrhunderten".
taus an Münchens Propyläen richtete Hirth
ich im Renaissancestil ein. Da gab es das
utsche Zimmer", vielgeliebt, überall nach-
1t, oft kritisiert. Hirths eingleisige Vorliebe
Jektische und bombastisch überladene In-
chitektur dürfte auch der Grund dafür sein,
reine ästhetischen und kunsttheoretischen
'en nie so recht Anklang finden konnten
eute belächelt werden. Aber immerhin hatte
h Hirth zur Aufgabe gemacht, das allge-
Stilpotpaurri zu beseitigen" und damit
Weg zu ermöglichen für eine eigenständi-
nstrichtung. Als der Neoklossizismus in sei-
wochentrockenen und unkünstlerischen For-
die Zeit sei sozusagen dafür reif gewesen. Hirth
hatte sehr wohl auch persönliche Gründe, denn
- anders als in der täglich erscheinenden Zei-
tung - konnte er nur in einem magazinähnlichen
Blatt seine eigenen Ansichten vehement und ziel-
führend vertreten. Individuell wollte er seine
Kunstauffassungen einem breiten Leserpublikum
weitergeben. Dabei ließ er auch dem Stilmittel
der Satire genügend Raum, denn damit, so
glaubte er, könne er seinen Gegnern gewachsen
bzw. überlegen sein.
Hirths eigenständige Persönlichkeit und sein häu-
fig pluralistisches Verhalten lassen sich ohne
Mühe in seiner „Jugend" wiederfinden. Linda
Koreska-Hartmann spricht in diesem Zusammen-
hang sehr treffend von Hirths unerschütterlichem
Optimismus und seinem etwas naiven Fortschritts-
glauben, von seiner Vielseitigkeit, seinem empha-
tischen Idealismus und iugendlichem Über-
schwang - „trotz seines damals bereits vorge-
schrittenen Alters". Und Eugen Rath schrieb:
„Georg Hirth war ein alter Feuerkopf, ein ge-
borener Herausgeber. ,Die Saat des Guten', rief
er begeistert, ,müssen wir überall streuen und
pflegen, das Schlechte aber niedertreten mit
ElefantenfüßenV Nur wußten seine Redakteure
manchmal nicht, ob sie säen oder niedertrampeln
sollten, denn er war sehr rasch in seinen Zu- und
Abneigungen . . K's.
Die entscheidende und zugleich auch größte Zei-
tung Münchens war in Hirths Besitz. Das sicherte
helm ll., dessen Taktlosigkeiten, politische Un-
fähigkeit, Großmannssucht, Geschmacklasigkeit
und „PersönlichkeiW ihn abstießen. Besonders
iedoch wütete Hirth publizistisch gegen den in-
toleranten süddeutschen Klerikalismus und das
reaktionäre norddeutsche Junkertum. Die bayri-
sche ultramontane Bewegung und die einfluß-
reichen konservativen Parteien wurden zu erbit-
terten Feinden Hirths und nannten ihn einen
Atheisten, philosophischen Nihilisten oder gar
Antichristen.
Der erfolgreiche Autor und engagierte Journa-
list, der Besitzer eines wirtschaftlich stabilen Ver-
lags, der eintlußreichsten Münchner Tageszei-
tung und einer weithin Widerhall findenden
Kunstzeitschrift, die eine eigenwillige Mischung
darstellte aus Artikeln eines Magazins, Illustra-
tionen und Reportagen einer Illustrierten und
dem Niveau eines Kunstblattes, verlagerte sein
Hauptinteresse während seiner letzten Lebens-
iahre auf das naturwissenschaftliche Gebiet.
Hirth wollte „die physiologischen Grundlagen
künstlerischen Sehen!" ergründen. Seine diesbe-
züglichen Bemühungen waren relativ populär,
fanden aber wissenschaftlich keinen nennens-
werten Anklang. Das Tanzen auf vielen Hoch-
zeiten, Sprunghaftigkeit und Vielseitigkeit seiner
Aktivitäten beurteilte er selber; „Eine gewisse
Volubilität des Geistes hat mich verhindert,
meine literarische Tätigkeit auf ein Gebiet fest-
zulegen. Als Entschuldigung mag mir die leben-
29