große Ausstellungsunternehmungen, die un-
ngig voneinander konzipiert und verwirk-
worden sind, lassen sich nichtsdestoweniger
n den gleichen Zusammenhang gehörig
ssen: die Schau des Europarats (seine 15.)
estberlin, die um „Tendenzen der zwanzi-
Jahre" bemüht ist, und [ene andere ist
ter, Westfalen, welche den Ehrgeiz hat,
Entwicklung der abstrakten Skulptur" dar-
llen, wobei ein Akzent auf den sechziger
iebziger Jahren und insonderheit auch der
üngsten Gegenwart liegt. i
bei Marcel Duchamp (1887-1968) begann
bei Claes Oldenburg (geb. 1929) draus
e; was Wladimir Tatlin (1885-1953) ins
t rief und bei Carl Andre (geb. 1935), ich
ie nicht, daß man sagen kann; kulminiert -
ztwa ist der hier gemeinte Zusammenhang.
auch: Von den rebellischen Dadaisten und
alisten zu Pop, von den Konstruktivisten
Neusachlichen zu Minimal-art - läuft die
, in deren Beschreibung die beiden Aus-
ngen einander unterstützen, wiewohl keiner
nitiatoren das ie beabsichtigt hatte.
ies van der Rohes Bau der Neuen Berliner
tnalgalerie (1968), welcher das Alterswerk
s Vorkämpfers funktionalistischer Architek-
rönt, ist die Abteilung „Vom Konstruktivis-
zur konkreten Kunst" (900 Exponate) der
Europäischen Kunstausstellung" unterge-
tt. Unweit der Eingangstür in den weiten
tiefen Raum unmittelbar hinter der um-
lichen gläsernen Vorderfront erhebt sich, ge-
' aus Holz und Metall, die fünf Meter hohe
ibildung des Modells von Tatlins „Monu-
für die lll. lnternationale" (Abb. 1). 1920
1er Feier des 3. Komintern-Kongresses vor-
gehend aufgestellt, wurde es nie realisiert
ist schließlich, wie so vieles von des Künst-
Schaffen, der Vernichtung anheimgefallen,
zrgessenheit geraten, verlorengegangen. Die
Instruktion erfolgte 1968 in Schweden auf
id von Fotos und Beschreibungen.
r Anregung Lenins folgend, Denkmäler für
lutionäre Geister zu schaffen (und, wie an-
Künstler, von öffentlicher Seite beauftragt)
t Tatlin sich an die Arbeit gemacht. Nur
es ihm dabei keineswegs um die Verherr-
ng der einen oder anderen hervorragenden
Snlichkeit - die Philosophen Belinski] und
arnyschewskii, der Komponist Mussorgsky,
Maler Courbet und Cezanne standen auf
der Vorschlagliste -, sondern um die Sache der
Revolution selber. Ihr allein wollte er dienen,
ihr sollte das Werk Symbol sein. Als „eine Ver-
bindung rein künstlischer Formen (Malerei, Skulp-
tur und Architektur) zu einem nützlichen Zweck"
hat Tatlin seine großartige Vision beschrieben
(dies und das folgende nach russischen Quellen
bei Camilla Gray, Die russische Avantgarde
der modernen Kunst 1863-1922, DuMont-Schau-
berg, Köln 1963, Seite 205 f.)
In der doppelten Höhe des Empire State Buil-
dings (rund 800 Meter) sollte das Monument sich
als spiralförmiges Metallgerüst in den Himmel
schrauben, mit drei riesigen gläsernen Formen
im Innern: einem Zylinder, der sich einmal im
Jahr, einem Kegel, der sich einmal im Monat,
und einem Würfel, der sich einmal im Tag um die
eigene Achse drehen würde. Ein statisches Bau-
werk könnedie Idee der revolutionären Bewegung
nicht zum Ausdruck bringen. „Am allerwenigsten
sollt Ihr in diesem Gebäude stehen oder sitzen",
verlautete der Künstler, „Ihr müßt unwillkürlich
auf- und niedergezogen, ganz mitgerissen wer-
den; vor Euch werden die kurzen und treffenden
Worte eines Agitators ertönen; die neuesten
Nachrichten, Dekrete, Beschlüsse und letzten Er-
findungen werden angekündigt werden
Schöpfung, nur Schöpfung!"
Der Zylinder war für Vorträge, Konferenzen und
Kongresse bestimmt, der Kegel den ausführen-
den Organen vorbehalten, der Würfel dem In-
formationszentrum mit Telefon, Telegraf und
Rundfunk. Von dort aus sollten Nachrichten, Ma-
nifeste und Proklamationen verbreitet werden.
Nachts wollte man die letzten Nachrichten auf
eine Freilicht-Filmleinwand proiizieren; bei be-
wölktem Himmel schließlich sollte ein spezieller
Proiektionsapparat die Worte gegen die Wolken
werfen und die Losung des Tages verkünden
(Gray, Seite 206).
Aus einer in jener Zeit für viele zündenden, den
ganzen Menschen packenden politischen Idee
wurde hier das wohl früheste und bis heute ie-
denfalls bedeutendste Konzept moderner kineti-
scher Kunst geboren. Wie Tatlin denn auch als
Erfinder des malerisch-plastischen Konstruktivis-
mus gilt. Eine universale Begabung, hat er, der
als Maler und Graphiker sein Brot verdiente, die
Gattung „Utopische Architektur" begründet. Aber
auch als „Materialplostiker", wie man heute sa-
gen würde, und „angewandter" Künstler wirkte
er, ferner als Lehrer an Instituten für Sach- und
künstlerische Kultur in Moskau, Petrograd, Kiew
(an diesem als Direktor der Abteilung für Thea-
terfilm), dann lange Zeit als Bühnenbildner
(1933-1952) und so nebenbei gelegentlich auch
als Konstrukteur und Erfinder. Um 1930 - rund
40 Jahre vor Panamarenkol - war Tatlin mit
der Arbeit an einer durch Menschenkraft betrie-
benen Flugmaschine beschäftigt („LetatIin", Abb.
2). 1924 baute er einen Ofen. Eben damals nähte
er einen Anzug - Jahrzehnte, ehe der erste mit
dem Namen Joseph Beuys verbundene Filzanzug
entstand.
Im Jahre 1913 war Tatlin bei Pablo Picasso in
Paris zu Besuch. Des Gastgebers Reliefs, die
einen gegenständlichen Ausgangspunkt immer
noch erkennen ließen, haben den Russen tief
beeindruckt. Tatlin ist der Begründer des Kon-
struktivismus (auch der Name stammt von ihm,
wie eine Überlieferung behauptet) in der bilden-
den Kunst insofern, als er in den sehr bald
danach entstandenen eigenen „Eckreliefs" iegli-
che gegenständliche Anspielung vermied, mit rein
geometrischen Formen „konstruierte" und auch
den Raum miteinbezog. Auf diesen Pfaden folg-
ten ihm oder arbeiteten nahezu gleichzeitig mit
ihm Naum Gabo, Antoine Pevsner, Alexander
Rodtschenko, wenig später auch EI Lissitzky und
andere. Das Material waren Holz und Metall,
Glas, Gips, Karton, Farbe, Teer. Kubismus und
Futurismus hatten in Rußland bereits um 1910
eine Heimstätte gefunden. Das erste, mehr von
Monets „Heuhaufen" inspirierte abstrakte, aber
keineswegs konstruktivistische Aquarell malte
Wassily Kandinsky im Jahre 1910 in München.
Die geometrisch-abstrakte Kunst in Malerei und
Plastik ging von Kubismus und Futurismus aus.
Den internationalen Charakter der Bewegung,
die zu Konstruktivismus und konkreter Kunst
führte, schildert die von Direktor Dieter Honisch
und seiner Assistentin Ursula Prinz in der Na-
tionalgalerie inszenierte Ausstellung einnehmend
und klar. Werke, welche gerade erst an die Tür
des neuen Bereichs klopften - so das schöne
Picasso-Bild „Flaschen und Glas" (1911l12), Ro-
bert Delaunays „Kreisformen, Sonne" (1912) und
der Natolie Gontscharowa „Katzen" (1913) -,
stehen solchen gegenüber, die bereits voll in
ihn eintreten. Überraschend weit stößt der Tsche-
che Frantisek Kupka mit seinen „Vertikalen Flä-
chen" von 1912 vor.
Der in den späteren Jahren geradezu asketisch
strenge, glatte Piet Mondrian hat sich noch nicht
recht entschieden; seine „Komposition in Farben
und Linien" von 1913 ist weich und in nuancierter
Weise gemalt (Abb. 3). Das berühmte „Schwarze
Quadrat auf weißem Grund" von Kasimir Male-
witsch aus dem gleichen Jahr fehlt. Wie Tatlin
und andere Künstler aus der imponierenden
Schar der Russen, wird Malewitsch durch Weirke
repräsentiert, die ab 1914115 entstanden.
1917 begann die holländische de-Stili-Bewegung
mit Theo Doesburg, J. P. Oud, Piet Mondrian und
anderen. 1918 proklamierte der Schweizer Le
Corbusier zusammen mit dem Franzosen Amedee
Ozenfant das puristische Manifest „Nach dem
Kubismus". 1919 hat Walter Gropius das deut-
sche „Bauhaus" begründet, welchem der Ungar
Laszlo MohoIy-Nagy 1923 die entscheidende
Wendung zum Konstruktivismus gab (Abb. 4,
„Brücken", 1920). Allen diesen Strömungen war -
wie noch entschiedener, unmittelbar politischer
dem Konstruktivismus oder „Suprematismus"
(nach Malewitsch) der Russen - ein gerüttelt Maß
von sozialer Utopie eigen. Was das Ästhetische
anlangt, so lag den Künstlern am symbolischen
Gebrauch technoider, mathematisch-geometri-
scher, „reiner" Formen und einer elementaren
Farbskala.
Alle hier angeführten Bewegungen zeigten sich
an „funktionolistischem", „neusachlichem",
4
53