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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XX (1885 / 239)

zu jenem Zwecke. Nur so viel ist unbestritten, dass im XIV. Jahrhundert 
bereits zahlreiche Heiligenbilder von geschnittenen Holzplatten verviel- 
fältigt worden sind. Zur Vertheilung an das gläubige Volk bestimmt, 
sind dergleichen Einzelblätter nur durch glückliche Zufälle der Nachwelt 
erhalten worden, indem sie von den Besitzern auf die Innenseite eines 
Gebetbuchdeckels, auf die Thür oder die Rückwand eines Schrankes oder 
sonst einen Ort geklebt worden waren, wo sie unversehrt blieben, um 
nach Jahrhunderten von Forschern oder Antiquitätenhändlern entdeckt 
zu werden. 
Kunststyl und technische Besonderheiten ermöglichen meistens eine 
ungefähre Datirung: Ob das Nackte mit geringerem oder größerem Ver- 
ständnisse behandelt, die Gewandfalten geschwungen oder gebrochen 
erscheinen, ob die Umrisse in breiten, ungleichmäßigen oder feineren, 
bewegteren Linien ausgeführt sind, ob Schattenstriche noch gänzlich 
fehlen oder in einfachen oder schon in Kreuzlagen angebracht sind, ob 
die Druckfarbe sich mehr oder weniger dickflüssig und fett zeigt, endlich 
ob der Holzschneider es noch nicht für nöthig gehalten hat, alles Detail 
auszuführen, weil er sich darauf verlassen konnte, dass der llluminist 
oder Briefmaler, der gewiss sehr häufig er selbst war, das im Schnitte 
Fehlende mit Farben nachtragen werde - das sind einzelne von den 
Unterscheidungsmerkmalen, so wie die Glätte des Papieres auf der Rück- 
seite und der tiefe Eindruck der Umrisse verrathen, dass ein Abdruck 
noch nicht vermittelst der Presse, sondern durch Bearbeitung des Papieres 
mit dem Reiber gewonnen worden ist. Selten befindet sich Schrift auf 
früheren Blättern; die geschilderten Vorgänge: Verkündigung, Geburt," 
Kreuzigung des Heilandes, Krönung der Jungfrau etc., bedurften keiner 
Erklärung, die einzelnen Heiligengestalten waren an ihren Attributen 
kenntlich; ja den meisten Leuten würde in damaliger Zeit die Schrift 
viel weniger verständlich gewesen sein als das Bild, und das Buchstaben- 
schneiden war überdies eine mühselige Arbeit. Aus dem einen und dem 
anderen Grunde ging man auch noch im XV. Jahrhundert mit den Text- 
zuthaten sparsam um, auch die aus Folgen vor? Tafeldruckbildern 
zusammengesetzten Blockbücher waren ja noch für ungelehrte Leute 
bestimmt. Wir erinnern uns dabei naturgemäß der Bilderbücher für das 
frühe Kindesalter, welche mit ebensoviel Text versehen sind , als etwa 
für die Kinderfrau genügt, um die Wissbegier der Kleinen zu befrie- 
digen. Aber wir können auch an jene merkwürdigen Exultet-Rollen des 
Mittelalters in Italien denken, welche in den Oster-Vigilien dem Geist- 
lichen Text und Noten des Hymnus: Exultet turba_ angelorum (Es 
freue sich der Engel Schaar), der Gemeinde aber den Sinn des Textes 
in Abbildungen vor Augen brachte. Das wurde ermöglicht durch An- 
bringung des Bildes über der betreffenden Strophe des Hymnus, aber in 
verkehrter Richtung, so dass, während der Geistliche eine Strophe vor 
sich hatte und absang, das dazu gehörende Bild von dem Pult herabhing.
	            		
Die Reiberdrucke verschwinden keineswegs sofort nach Erfindung der beweglichen Lettern und des Pressendruckes. Zunächst wurde ja die Buchdruckerkunst als Geheimniss behandelt, so dass erst allmälig die Briefmaler sich derselben bemächtigen konnten, und dann richteten die ersten Drucker mit Recht ihr Hauptaugenmerk auf die hinlänglich schwie- rige Herstellung eines gleichmäßigen, schön disponirten und correcten Satzes. Dabei dienten natürlich als Vorbilder die schön geschriebenen Chorbücher, und aus diesen gingen die rothen Anfangsbuchstaben, aber auch bald die verzierten großen Initialen in die gedruckten Bücher über. Sie begegnen uns zuerst in dem berühmten, aus der Officin von Fust und Schöffer 1457 hervorgegangenen Psalterium. Dieses ganz auf Per- gament gedruckte Wunderwerk der Typographie, zugleich das erste Buch mit Angabe des Druckers, des Druckortes und des Datums der Vollen- dung, enthält 306 verzierte Anfangsbuchstaben verschiedener Größe. Jeder steht in einem mit Arabesken bedeckten quadratischen Felde, von welchem nach oben und unten Schnörkel ausgehen und sich zum Theil über die ganze Höhe der Folioseite ausdehnen; außerdem enthalten die größten dieser Buchstaben, namentlich das 86 Millimeter hohe Anfangs-B des ersten Psalms (Beatus vir qui non abiit in consilio impiorum), in ihren Zügen weiß ausgesparte, sehr elegante Plianzen- und andere Ornamente. Buchstaben und Arabesken sind farbig, die ersteren roth, die letzteren blau, oder umgekehrt. Die Schnörkel, welche noch so direct an die Feder des Schreibkünstlers erinnern, gab man bald auf, aber die quadratischen Ornamentfelder kommen noch viel später und in mancherlei Abwechs- lungen vor. Diese Schöffefschen Initialen waren freilich noch keine Illustra- tionen; aber bereits Albrecht Pfister in Bamberg stattete seine Ausgabe von Boner"s Edelstein, der zu jener Zeit so beliebten Fabelsammlung, von 146i, ferner ein Buch biblischer Historien von 1462 und andere Verlagswerke mit zahlreichen, für die Zeit treBlichen l-lolzschnitten aus. So hat jedes der 80 Lesestücke im Edelstein sein Bild und daneben eine männliche Figur, deren Geberde ausdrückt: Hier seht Ihr, was unten geschrieben steht. Das Jahr des Erscheinens der biblischen Historien Pfistefs, 1462, wurde höchst bedeutungsvoll für die Ausbreitung der Buchdruckerkunst. Mainz, der Zankapfel zwischen zwei Kurfürsten, wurde erobert und geplündert und die Gesellen Fust's und Schöffefs zerstreuten sich in alle Welt, gründeten Druckereien in Italien, Frankreich u. s. w. und, verpflanzten in diese Länder zugleich den Formschnitt, sei es als Kunst überhaupt, sei es als Mittel der Buchillustration. In Paris und Lyon, in Subiaco, Rom, Foligno, Venedig tauchen im letzten Dritttheil des XV. Jahrhunderts deutsche Buchdrucker auf, die zugleich Verleger und gewiss meistens auch ihre eigenen Holzschneider waren. Sofort von der Be- wegung der Renaissance erfasst, nahmen dort Buchdruckerei und Buch- ü
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