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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 159)

fekt und Farbe nachhaltigste Wirkung erzielten, un- 
verkennbar er selber. Alles aus seiner Hand ist von 
einervollkommenen Echtheit und Ehrlichkeit, in der 
bissigen Satire ebenso wie in der liebevollen humo- 
rigen Schilderung. Er liebte seine Gestalten. und so 
ist alles mit einer Meisterschaft vorgetragen, deren 
Mischung aus großem Können und großem 
Menschentum auch die Betroffenen versöhnt. 
Thöny hat nie gehaßt. Wo er anklagte. tat er es nicht 
ohne Verständnis für den Angeklagten. und wo er 
anprangerte, spürte man immer noch sein Mitleid. 
So zeichnete er schier unerschöpflich Woche für 
Woche seine Soldaten und Offiziere, Leutnante zu- 
mal. mit ihren Damen, höheren Töchtern und Kom- 
mandeusen. seine satten Bürger und den hochfah- 
renden Adel, den verschmitzten Bauern. Richter, 
Pfarrer, Beamte und Bürgermeister und immer wie- 
der die Bauern Oberbayerns und aus Tirol. denen er 
aus tiefstem Herzen zugetan war und denen er doch 
niemals geschmeichelt hat." Thöny war nicht bos- 
haft; die Unterschriften zu seinen Bildern im 
nSimplu besorgte oft L. Thoma oder Floda Roda. 
Thöny illustrierte beispielsweise die "Frechheitu 
(1901) eines Bauernburschen und seines Mäd- 
chens: t-Was hat denn da Pfarrer heunt in di 
eing'redt, KathIVr- - "Ja. gschimpft hat er zweng in- 
sern ledigen Kind und daß mi so frech g'wen san und 
ham's im Nachbarort taufen lassen, daß er net amal 
sei Gebühr kriagt hat." Gulbransson erinnerte sich: 
nThöny war ein blendender Zeichner. Unerhört ver- 
wendbar. Ich wüßte nichts. was er nicht auswendig 
aus der Welt zeichnen konnte. . . Den -preußischen 
Leutnant- hat er geschaffen. ohne Thöny wüßten wir 
jetzt nicht mehr, wie dieser Leutnant gewesen ist. 
Dabei lieferte er keine billigen Karikaturen. er hat ihn 
einfach so dargestellt wie er war . .  
Der in Seifhennersdorf in der Lausitz 1874 geborene 
Maler. Karikaturist, Illustrator und Architekt Bruno 
Paul kam über den "Süddeutschen Postillonr- und 
8 
Qlnangcncßm 
die "Jugend-r zum r-Simpl". Schon 1901 urteilte Ge- 
org Hermann: w-Paul ist derjenige von den Künstlern, 
der am meisten Stil besitzt, am tiefsten empfindet, 
und auch in seinen Schmerzen walten Schönheit 
und Größe. Paul istehern, unerbittlich, schwerfällig: 
nicht leicht beweglich wie Heine, nicht geistreich 
wie jener, wenn jener manchmal lächelt, vielsagend 
spöttisch. so lacht Paul bitter und anklagend, lacht 
aus Haß. ln Pauls Welt fällt kein Hoffnungsschim- 
mer, kein Kinderlachen, kein Sonnenblick, selbst 
Kinder sind kleine, arme Proletarierwürmer, dick- 
köpfige Tiere mit bösen Augen wie Gnomen, denen 
ihre Laufbahn vorgeschrieben ist, und die schon 
frühzeitig alle Laster. bis herab zum Alkoholismus 
Kennenlernen. Pauls Arbeiter sind geistlose Ma- 
schinen. in Menschenform aufgestapelte Energien. 
roh, massig, - mit Riesenpranken und Füßen von X 
Quadratmetern Fläche ...(- Für Bruno Paul war 
vDas starke Geschlecht" (1898) ein beliebtes The- 
ma: Zwei Pflasterer unterhalten sich. Der eine fragt, 
wie der andere zu seiner Frau gekommen ist. wNc, 
also, mir hab'n a paarJahrln a Verhältnis g'habt, na 
hab'n ma a Kind kriegt. na hab'n ma amal g'stritten, 
nacha hab i's recht g'schlag'n und balst as amal 
schlagst, kriegst as nimma loslit-Bruno Paul stellte 
1906 die Mitarbeit am wSimplu ein. Er wurde zum 
Leiter der Unterrichtsklasse des Kunstgewerbemu- 
seums nach Berlin berufen. Von 1924 bis 1932 warer 
Direktor der Vereinigten Staatsschulen für freie und 
angewandte Kunst. Paul ist 1968 in Berlin gestor- 
ben. 
Rudolf Wilke gilt als der genialste Künstler des 
"SimpliCiSSimUSw. Er wurde 1873 in Braunschweig 
als Sohn eines Zimmermanns geboren, Daß er aus- 
gerechnet von der Münchner Kunstakademie als 
ntalentlosß abgewiesen wurde, sei hier ironischer- 
weise vermerkt. Zunächst arbeitete Wilke für die 
vJugend-r, ab 1899 für den nsimplir. Anfangs warfür 
Wilke die Arbeit mit Pinsel auf breiter Flache vor- 
bildhaft. dann fand er seinen eigenen. unverkennba- 
ren Stil: die Linie. Thoma hat in w Leute, die ich kann- 
teß (1923 erschienen) Wilke als "den größten deut- 
schen Humoristenk bezeichnet. Emil Preetorius 
meinte, daß Wilkes ureigene Themen die Welt der 
Seebären und Hafendamen, der Walzbrüder und 
Tagediebe, der Menschen am Rande der Gesell- 
schaft gewesen sind. So sorgt sich beispielsweise 
eine Münchner Zimmervermieterin (in der Ge- 
schichte "Sie hält auf sich", 1905) um ihren guten 
Ruf und schimpft ihr Zimmerfräulein: r-Sie, Fräulein 
Kathi, d'Leut im Haus sag'n glei gar. Sie hamm a pla- 
tonische Liebe. Dös mag i fei net. Wenn S' mir mit 
solchene neumodische Schweinereien daherkem- 
man. muß i Eahna künden. l muaß aa auf d' Polizei 
aufpassen!" - Vielleicht am bekanntesten wurde 
Wilkes Zeichnung --Der sterbende Münchnern, Tod- 
krank liegt er im Bett. auf dem Nachtkastl stehen 
Maßkrug und Medizinglas friedlich nebeneinander. 
Seinem Freund, der rauchend vordem Bettsitztden 
Schirm zwischen den Knien, versichert er: 
--Schorschl, bal i dos Mal rnit dem Leb'n davon- 
komm, nacha geh i aa amal in die Pinakothekl-r 
(1906) - Rudolf Wilke wurde nie jene Anerkennung 
zuteil wie etwa Heine, Paul, Arnold oder Gulbrans- 
son. In seinem Bildband schrieb Preetorius: "Rudolf 
Wilke steht als ein zeichnerisches Phänomen vor 
uns. das den Größten seinerArt zuzurechnen ist, ein 
Phänomen, dem um die Jahrhundertwende kaum 
noch etwas Ebenbürtiges an die Seite gestellt wer- 
den kannu (nDer Zeichner Rudolf Wilke-r, 1954). - 
Wilke war farbenblind; deshalb hat er nicht gemalt. 
Er starb 1908 in Braunschweig. 
Olaf Gulbransson, 1873 in Oslo geboren. trat erst- 
mals im wSimplr- mit der "Verzweiflungr- eines 
Schwabingers an die Öffentlichkeit: --Kinder sind 
glucklich und Tiere und Weiber, aber wir Menschen 
nicht!" (1902)- Gulbranssons Stärke war die enga- 
gierte politische Karikatur, Für das politische Ge- 
9 
unw-nna-m-pu-t. Jllnuunnjlnhlvilm- 
F16
	        
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