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dem Widmungsbild Konstantins des IX. in der Hagia
Sophia" oder einer Mosaikikone im Bargello in Flo-
renz", vorallem aberdem Pantokrator in derKuppel
der Klosterkirche von Daphni bei Athen", die alle in
der Zeit um 1100 entstanden. Gerade diese Panto-
kratorbilder konnen am deutlichsten mit der Santa
Sindone in Beziehung gebracht werden.
In den byzantinischen literarischen Quellen wird das
Bild des Pantokrators als nacheiropoietosß - nicht
von Menschenhänden gemacht, oder t-apomassoi-
: Abdruckß bezeichnet und nach der Tradition auf
ein Tuch zurückgeführt, das nmandilion-i genannt
wird Das Wort kommt entweder vom semitischen
Mindi : Handtuch oder vom persischen Manduas s
Mantel. Der Legende nach wollte König Abgar von
Edessa (4 v,-50 n.Chr.) ein Pcrtrat Christi malen las-
sen und soll tatsächlich einen Abdruck des Gesich-
tes Jesu auf einem Leintuch erhalten haben. Dieses
Tuch taucht zuerst 544 in Edessa auf und zeigte in
wunderbarem Ausdruck Christus einmal streng und
einmal mild. Dieses ßWunder" könnte darauf zu-
rückzuführen sein, daß man das Tuch einmal im auf-
fallenden und einmal im durchscheinenden Licht
betrachtet hat. lm Jahre 944 wurde dasTuch mit dem
Abdruck nach Konstantinopel gebracht. Allerdings
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wurde schon im 6. Jahrhundert in einer Reisebe-
schreibung durch das Heilige Land von ihm berich-
tet. In dem Antonius von Placetia zugeschriebenen
Text heißt es, daß man ein nSudarium qui in fronte
Domini-t v Ein Schweißtuch, an dessen Vorderseite
der Herr zu sehen istß. finden kann".
Kaiser Alexios I. Komnenos schreibt 1093 von die-
sem Grabtuch in einem Brief an Robert von Flan-
dern, 1157 wird das Tuch von einem isländischen
Abt erwahnt, 1171 berichtet Wilhelm von Tyrus von
dem Grabtuch im kaiserlichen Schatz, 1190 wird es
in einer Beschreibung der kaiserlichen Kapelle an-
geführt. Robert von Clari, der Chronist des 4. Kreuz-
zuges, sieht 1203 in Konstantinopel "ein Grabtuch
Christi-t. Im nächsten Jahr geht das Tuch bei einer
Plünderung verloren, taucht aber bereits 1247 wie-
der auf: Balduin ll. sendet in diesem Jahr das Tuch
Ludwig dem Heiligen. Im 13. Jahrhundert ist das
Tuch im Besitz von Philipp von Valois. von ihm
kommt es an Gottfried l. Graf von Charny, der es
1353 weitergibt: an das neugestiftete Kloster der
Kanoniker von Lirey in der Champagne. 1389 wird
das Tuch "als Malerei angesehen-r und steht im Mit-
telpunkt eines Streites. Schließlich, um die Mitte des
15. Jahrhunderts. gelangt das Tuch in den Besitz des
Herzogs von Savoyen und kommt so zuerst nach
Chamery und endlich 1578 nach Turin.
Das ka nische, authentische Porträt Christi wurde
nicht nur in der orthodoxen Kirche bis heute als ein-
ziges Christusbild erhalten. sondern ist auch für die
lateinische Kirche verbindlich. Niemals ware eine
derart starke Tradition und Unabänderlichkeit mög-
lich gewesen, wären nicht das Bild und die Vorlage
tatsächlich als authentisch anerkannt worden. im 4.
Jahrhundert wurde dieses Antlitz jedenfalls für das
Portrat Christi gehalten.
Da man aber im vierten Jahrhundert, wie an den Kai-
serportrats zu ersehen ist. iedem Portrat besondere
Bedeutung zuerkannte und für die Echtheit eines
überlieferten Porträts jeweils gewichtige Gründe
hatte, halte ich die Santa Sindone für das wahre Ab-
bild Jesu Christi.
3 Anschrift des Autors.
w. Hofrat ao. Univ.-Proi. DDr. Gerhart Egger
Direktor der Bibliothek und
Kuristblättersammlung des
Osterreichischen Museums für angewandte Kunst
Stubenring 5
A-i01O Wien