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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 160 und 161)

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dem Widmungsbild Konstantins des IX. in der Hagia 
Sophia" oder einer Mosaikikone im Bargello in Flo- 
renz", vorallem aberdem Pantokrator in derKuppel 
der Klosterkirche von Daphni bei Athen", die alle in 
der Zeit um 1100 entstanden. Gerade diese Panto- 
kratorbilder konnen am deutlichsten mit der Santa 
Sindone in Beziehung gebracht werden. 
In den byzantinischen literarischen Quellen wird das 
Bild des Pantokrators als nacheiropoietosß - nicht 
von Menschenhänden gemacht, oder t-apomassoi- 
: Abdruckß bezeichnet und nach der Tradition auf 
ein Tuch zurückgeführt, das nmandilion-i genannt 
wird Das Wort kommt entweder vom semitischen 
Mindi : Handtuch oder vom persischen Manduas s 
Mantel. Der Legende nach wollte König Abgar von 
Edessa (4 v,-50 n.Chr.) ein Pcrtrat Christi malen las- 
sen und soll tatsächlich einen Abdruck des Gesich- 
tes Jesu auf einem Leintuch erhalten haben. Dieses 
Tuch taucht zuerst 544 in Edessa auf und zeigte in 
wunderbarem Ausdruck Christus einmal streng und 
einmal mild. Dieses ßWunder" könnte darauf zu- 
rückzuführen sein, daß man das Tuch einmal im auf- 
fallenden und einmal im durchscheinenden Licht 
betrachtet hat. lm Jahre 944 wurde dasTuch mit dem 
Abdruck nach Konstantinopel gebracht. Allerdings 
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wurde schon im 6. Jahrhundert in einer Reisebe- 
schreibung durch das Heilige Land von ihm berich- 
tet. In dem Antonius von Placetia zugeschriebenen 
Text heißt es, daß man ein nSudarium qui in fronte 
Domini-t v Ein Schweißtuch, an dessen Vorderseite 
der Herr zu sehen istß. finden kann". 
Kaiser Alexios I. Komnenos schreibt 1093 von die- 
sem Grabtuch in einem Brief an Robert von Flan- 
dern, 1157 wird das Tuch von einem isländischen 
Abt erwahnt, 1171 berichtet Wilhelm von Tyrus von 
dem Grabtuch im kaiserlichen Schatz, 1190 wird es 
in einer Beschreibung der kaiserlichen Kapelle an- 
geführt. Robert von Clari, der Chronist des 4. Kreuz- 
zuges, sieht 1203 in Konstantinopel "ein Grabtuch 
Christi-t. Im nächsten Jahr geht das Tuch bei einer 
Plünderung verloren, taucht aber bereits 1247 wie- 
der auf: Balduin ll. sendet in diesem Jahr das Tuch 
Ludwig dem Heiligen. Im 13. Jahrhundert ist das 
Tuch im Besitz von Philipp von Valois. von ihm 
kommt es an Gottfried l. Graf von Charny, der es 
1353 weitergibt: an das neugestiftete Kloster der 
Kanoniker von Lirey in der Champagne. 1389 wird 
das Tuch "als Malerei angesehen-r und steht im Mit- 
telpunkt eines Streites. Schließlich, um die Mitte des 
15. Jahrhunderts. gelangt das Tuch in den Besitz des 
Herzogs von Savoyen und kommt so zuerst nach 
Chamery und endlich 1578 nach Turin. 
Das ka nische, authentische Porträt Christi wurde 
nicht nur in der orthodoxen Kirche bis heute als ein- 
ziges Christusbild erhalten. sondern ist auch für die 
lateinische Kirche verbindlich. Niemals ware eine 
derart starke Tradition und Unabänderlichkeit mög- 
lich gewesen, wären nicht das Bild und die Vorlage 
tatsächlich als authentisch anerkannt worden. im 4. 
Jahrhundert wurde dieses Antlitz jedenfalls für das 
Portrat Christi gehalten. 
Da man aber im vierten Jahrhundert, wie an den Kai- 
serportrats zu ersehen ist. iedem Portrat besondere 
Bedeutung zuerkannte und für die Echtheit eines 
überlieferten Porträts jeweils gewichtige Gründe 
hatte, halte ich die Santa Sindone für das wahre Ab- 
bild Jesu Christi. 
3 Anschrift des Autors. 
w. Hofrat ao. Univ.-Proi. DDr. Gerhart Egger 
Direktor der Bibliothek und 
Kuristblättersammlung des 
Osterreichischen Museums für angewandte Kunst 
Stubenring 5 
A-i01O Wien
	        
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