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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 163)

in Paris 1883 entstanden die beiden Ölskizzen 
"Aus dem Tuileriengartenii (Abb. 5). Diese ins Bild- 
hafte übertragenen Zustandsaufnahmen von 
Licht-und Beleuchtungseffekten eines "Sonni- 
genii und eines iiTrüben Tages" in den Tuilerien 
zeigen, wie sich Tina Blau gelegentlich in Maltech- 
nik und Thematik dem Impressionismus annäher- 
te, aber auch, wieweit sie im Sehen der Natur und 
im Wiedergeben der iilmpressionii grundsätzlich 
von der impressionistisch iistrengen Optikii der 
methodischen Farbzerlegung entfernt blieb. Zwar 
geht bei ihr das Dominieren der Farbe als wesent- 
lichstes Ausdrucksmittel Hand in Hand mit der 
Auflösung der Form in rein farbige Werte; auch 
die Nüchternheit der Naturbeobachtung und das 
Fehlen subjektiver Stimmungswerte weisen über 
die Tradition österreichischer Stimmungsmalerei 
hinaus in den Umkreis der lmpressionisten. Deren 
äußerste malerische Konsequenz, das Auflösen 
nicht nur der festen Körper. sondern auch der Luft 
in ein Muster gleichwertiger, ungemischter Far- 
ben, zog Tina Blau jedoch nicht. 
Ihre ausgedehnten Studienreisen in fast alle Lan- 
der Europas brachten Tina Blau außer mit dem 
französischen Impressionismus auch mit dessen 
regionalen, von Land zu Land verschiedenen Spiel- 
arten in Berührung; von der holländischen Schule 
von Den Haag wie von der italienischen Maler- 
gruppe der Macchiaioli übernahm sie Anregungen 
in farblicher, thematischer und maltechnischer 
Hinsicht. 
Anders als die Aulfassungsweise ihres Maler- 
freundes Schindler war ihre Art der Naturbeobach- 
tung und -schilderung nüchtern und unliterarisch; 
für Tina Blau hatte die Stimmung eines Ortes und 
eines Augenblicks motivischen, nicht weltdeuten- 
den Wert. 
Zu Beginn der achtziger Jahre nahm Schindler Pri- 
vatschüler auf, die unter seiner Anleitung im Ate- 
lier arbeiteten und ihn auf seinen alljährlichen 
sommerlichen Studienfahrten nach Goisern und 
Lundenburg an der Thaya begleiteten. 
Wie sich Schindlers Unterricht in Landschaftsma- 
lerei tatsächlich gestaltete, darüber erzählt sein 
Schüler und Biograph Carl Moll: vDenke ich über 
Schindler als Lehrer nach, so finde ich, daß sich 
seine Lehrtätigkeit und Lehrbegabung auf das 
Schauen und Sehenlernen beschränkt. Er lehrt 
seine Schüler nicht malen, sondern empfindenWi 
Damit ist nicht nur Schindlers unkonventionelle, 
in der Folge aber wirkungsvolle Lehrmethode um- 
rissen, sondern auch sein Verhältnis zur Natur 
und ihrer bildlichen Wiedergabe definiert: Weit 
über das naturalistische Abbilden hinaus ist das 
Transportieren der geschauten Wirklichkeit in eine 
geistige Dimension das Ziel seiner Malerei. 
Neben Carl Moll waren Olga Wisinger-Florian 
(1844- 1926) und Marie Egner (1850-1940) ab 
1882 Schindlers langjährige Schülerinnen; zeitwei- 
se kamen zu dieser Gruppe noch die Schwestern 
Marie und Louise von Parmentier und der vom 
Bankfach zur Malerei übergewechselte und sich 
aufs Aquarell spezialisierende Eduard Zetsche 
(1844-1927) hinzu. 
Olga Wisinger-Florian hatte eine abgeschlossene 
Ausbildung als Pianistin hinter sich, als sie zuerst 
bei August Schäffer, dann bei E.J. Schindler Mal- 
unterricht nahm. Marie Egner, die zur selben Zeit, 
um 1880, zu Schindler kam, hatte davor schon eini- 
ge Semester an der Düsseldorfer Akademie stu- 
dierl. Beide Künstlerinnen fanden nach den ersten 
Jahren der Anlehnung an Schindlers gefühlshaft- 
romantische Stimmungsmalerei zu einer eigenen 
Art des npoetischen Realismus", dessen Grundge- 
danke, das Stimmungshafte, auch in ihrer Malerei 
zum Ausdruck kam. 
Olga Wisinger-Florian war die nmodernereii Künst- 
lerin, die durch ihre Aufenthalte in Frankreich zu 
einer impressionislisch anmutenden Lichtmalerei 
angeregt wurde, die sich in manchen Werken - 
meist inspiriert von südlichen Motiven (Abb. 8) - 
zu einer expressiven Farbigkeit steigerte. Diese 
Bilder, die außerdem durch einen großzügigen, ab 
kürzenden Malduktus gekennzeichnet sind, wei- 
sen in die Richtung der französischen lmpressio 
nisten, als sie das Momentane, die optischen Ver- 
hältnisse eines Augenblicks zu fassen suchen; die 
von Wisinger-Florian oft gehandhabte Verengung 
des Bildausschnitts unterstreicht noch mehr den 
Modus des Zufälligen, 
Olga Wisinger-Florians Reduktion der Landschaft 
zu immer kleineren Ausschnitten führte folgerich- 
tig zu Natur-i-Stückenii, zu Stilleben von Blumen 
 
 
 
 
 
und Früchten, die die Malerin meist zu monats- 
zeitlichen Zyklen zusammenfaßte. Durch den 
Zyklus-Gedanken erhielt die jeweilige Darstellung 
der monatsspezifischen Stimmung einen zusätz- 
lich auf das Allgemeine der Natur gerichteten, 
"tieferen" Sinn. 
Marie Egner kam zu einer ähnlichen Auffassung 
der Landschaft und ihrer atmosphärischen Phäno- 
mene. Auch sie tendierte in ihren Werken zu einer 
ausschnitthaften Darstellung landschaftlicher 
Motive, zur Schilderung einer echten i-paysage in- 
timeii mit pleinairistischen, manchmal der Tech- 
nik der lmpressionisten nahestehenden Mitteln 
(Abb. 9). 
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