täglich nach Tisch ein. Die um Anerkennung ihrer
jungen, frischen neuen Stilideen vergeblich Rin-
genden schlossen sich zuerst zu einem iiSiebener-
klubu zusammen. Dieser kleine Kreis um Klimt rief
eine Künstlerkrise hervor, er verließ ostentativ die
Genossenschaft und wurde die Keimzelle einer
Neugründung, die im Jahre 1897 neue Thesen an
die Kathedrale der Kunst anschlugziii
Die erste entscheidende Tat der jungen Partei im
Hause der Künstlergenossenschaft war 1895 die
Nachlaßausstellung des Landschaftsmalers Theo
dor von Hörmann (1840- 1895) im Wiener Künst-
lerhaus, deren Durchführung mühselig erkämpft
werden mußtezß. Sie wurde auch von Hofmanns-
thal als solche erkannt. der diese aber zugleich
zum Anlaß nahm, um in seiner Rezension in der
"Wiener Allgemeinen Zeitung" über einen be
stimmten Typus des österreichischen Offiziers zu
schreiben. Diesen hat er in der überlebensgroßen
Büste Hörmanns wiedererkannt, der als Offizier
die Feldzüge gegen Italien 1859 und 1866 mitge
macht, Anfang der siebzigerJahre die Wiener Aka-
demie besucht hatte, Zeichen- und Fechtlehrer an
der Militärschule zu St. Pölten gewesen ist und
1883 als Hauptmann seinen Dienst quittierte. Hof-
mannsthal malte dabei mit Worten gleichsam ein
psychologisches Porträt: "Ihre Augen sehen nicht
10
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brutal gerade die Objekte, die rundherum sind, es
sind weder die Augen junger vergnügter, noch al-
ter mißtrauischer Tiere, sondern sie sehen weit
mehr; sie vermögen auch - wenn sie so geruhen
- das, worüber sie hinschauen, gar nicht zu se
hen. Das ist etwas ziemlich Hohes und Seltenes,
diese Gabe, ohne Affektion über etwas hinwegse
hen zu können. Man weiß über allen Zweifel be-
stimmt, daß diese Gesichter die Blässe großer
Stunden wundervoll tragen werden, mit einer Be
scheidenheit und Nonchalance, die größer ist als
großes glorreiches Rufen: ,Vive I'Empereur!'; man
braucht diese eher schüchternen, zurückhalten-
den Menschen nur in der Hand des Todes zu den-
ken, um spontan zu wissen, daß sie die Überlege
nen sind"...
Es erscheint bemerkenswert, daß Hofmanntsthal
in diesen Zeilen seine Aufmerksamkeit über die
künstlerische Leistung hinweg auf die berufsbe
dingte Seelenhaltung des Künstlers lenkte. In die-
sem Vorgang könnte zugleich ein Symptom für die
Suche nach einer verlorenen Substanz in der Ge
sellschaft seiner Zeit gesehen werden, wie wir das
im Negativ in Schnitzlers "Leutnant GUSiltt ebenso
feststellen können.
Am 22. Mai 1897 verlassen die fortschrittlichen
Kräfte das Wiener Künstlerhaus und gründen ihre
9 Rudolf von Alt, Makart-Zimmer im Palais Dl
Aquarell. Historisches Museum der Stadt Wien
10 Heinrich Rahl, "Mädchen mit Laute-r. OllLeinwar
storisches Museum der Stadt Wien __
11 l_-_laris Canon, "Rast im Felde", 1877. OllLeinl
Osterreichische Galerie, Wien
Anmerkungen 18-33 (Anm. 18-24 s. Text S. 28, 29)
" Heinz Geretsegger-Max Peintrier. ottd wagner 1341491:
burg, 1954, 12
" Von den Schwierigkeiten, unter denen Otto Wagrterzu leid-
te, gibt eine Tagebucheintragung anläßlich der Ermordu
Thronfolgers Franz Ferdinand Zeugnis: -zur Eroflnung dei
hdler Kirche kam, in Vertretung des Kaisers, Erzherzog Fra
dinarid. Ich mulite ihm den Bau erklaren. worauf er als scr
merkung seiner Ansprache sagte Der Maria-Theresien-
dech derschonste. ich erwiderte ihm. daß zurzeit Maria Thi
die Kanonen verziert gewesen seien. wahrend man sie heu
kommen glatt mache - Mit ungeheurem Hochmut wendete
von mir ab und sein Haß veridlgte mich trotz rriehrlacher ln
fionen derart, daß ich eine Anzahl Auftrage verlor, fur die
Aussicht genemmen wer. .ÜIE Gemeinde hatte viel zu wen
sich den überaus gehäs gen Machenschaften des Erzh
entgegenzustellen. Mit dem Tode des Thronfolgers war,
Ansicht nach. fur Osterreich das großte Hindernis der lel;
Jahre furdie eetatigung und Fortentwicklung dermoderner
iektur überwundentr. Zit. bei, Heinz Geretsegger - Max Ps
a,a.0. 22
I" Josef Engelhart, Ein Wiener Maler erzahlt. Mein Leben und
Modelle, Wien 1943, S8
Hugo von Holmannsthal, Gesammelte Werke in Einzelsus
Prosa l, Frank1urt am Main 1950, 19a
" Josef Gisela (Pseudonym lur Josef Reznicek) Wiener Genrt
1851-1899
" Alfred Friedlender Ftitter von Malheim, Wiener Genrt
1860-1901
" Hermenrl Bahr. Secession, Wien 1900, 1
ß Emil Pirchan. Gustav Klimt, Wien 1956. 20
" Ernst stdhr, vdrwert zum Katalog der öffentlichen VSYSIEIi
des kunstlerischen Nachlasses von Theodor von Hermani
1899, 3
1' Hugo von Hofrnarinsthal, a.a,0. 2st
1' Otto Breicha, Erste und letzte Tage, irl: Finale und Auftak
tseetsia. Salzburg 1984169
erschienen im wiener Verlag (Buchhandlung L. Flosner)
1" Gerhard Fritsch, Die Wirbel der Sprache führen ms eddenl
Finale und Auftakt. wien taeetet-i. Salzburg 1964, 1a
Heinz Kirldermarln, Hermann Bahr Elrl Leben lurdas Euro;
Theater. Graz - Koln 1954. es
" Peter Altenberg, Gustav Klimt, in- Kunst, Dezember-Heft
1905. vll
11 Roll Wolkan. Das Burgtheater in wien. Wlen-Budapes
Abb, a5
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31