Gerhard P. Woeckel
Eine wiedergefundene
Apollofigur J. B. Straubs-
einst Brunnenbekrönungsfigur (1751)
in der Münchener Dienerstraße
und ihre archivalisch belegte
„Specificati0n" in unveröffentlichten
Urkunden der Münchener
Stadtkammer
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Die bayerische Landeshauptstadt München war in
der Barockzeit außerordentlich brunnenreich. In
einem im Jahre I620 gedruckten Gedicht „Ein
schöner Lobspruch von der fürstlichen Haupt-
stadt München" von Thomas Greill von Steinfeld
Carinthium heißt es darüber; ...„sagt mir auch
da wohlbesungen, l die Stadt hab 36 Schöpf-
brunnen, l welche da frei sind alle Tag, l davon
Jedermann schöpfen mag. f Auch sieht man in
der Stadt rinnen l Tag und Nacht I8 Röhr-
brünnen". Es ist merkwürdigerweise wenig be-
kannt, daß es in München im I7. und I8. Jahr-
hundert in mehreren Straßen und auf einigen
Plätzen öffentliche Rohrbrunnen gab, die mit
freiplastischen Figuren bzw. mit Gruppen ge-
schmückt waren. Noch viel weniger freilich ist
geläufig, daß diese Skulpturen, zumeist Dar-
stellungen antiker Götter und Göttinnen, aus
Eichenholz geschnitzt waren. Daß man für eine
derartige meist metallen gefaßte, d. h. vergol-
dete Außenplastik, die man im Sprachgebrauch
des I8. Jahrhunderts sehr anschaulich ein „gan-
zes Bild"' nannte, ausgerechnet Holz als Werk-
stoff verwendete, scheint einem Zeitalter wie
dem unsrigen, das seit den Bestrebungen des
Werkbundes und anderer ideeller Vorstellungen
die vielzitierte „MateriaIgerechtigkeit" verwirk-
licht haben möchte, fast etwas sonderbar vorzu-
kommen. Man muß dabei in Rechnung stellen,
daß eine derartige Brunnenplostik außer Sonne,
Wind und Wetter gelegentlich auch unfreiwillig
dem feinen Sprühregen des Wassers ausgesetzt
war. Dieses ständig in Bewegung befindliche
Element wurde meist in einem darunter ange-
brachten Becken - in München „Cläffer" ge-
nannt [„Klaffer" nach Schmeller : Röhrkasten) -
aufgefangen. Daß derartigen hölzernen Brun-
nenskulpturen eine vergleichsweise nur sehr kurze
Lebensdauer beschieden war, ist aus den archi-
valisch bezeugten, ununterbrochenen Brunnen-
erneuerungen ersichtlich. Immer wieder wurden
namhafte Bildhauer mit der Ausführung bzw.
rnit der Instandsetzung der hölzernen Brunnen-
verzierungen betraut.
In Anbetracht der außerordentlichen Seltenheit
solcher erhaltener hölzerner Brunnenfiguren ist
für das I8. Jahrhundert zunächst eine Plastik
von hohem Rang zu erwähnen, die ebenfalls im
bayerischen Bereich entstanden ist. Es handelt
sich dabei um die knapp überlebensgroße, far-
big gefoßte Holzfigur eines hl. Florian, die Chri-
stian Jorhan d. Ä. (1727-1804), ein Schüler J. B.
Straubs, im Jahre 1763 für den Brunnen im
Schloßhof der Trausnitz in Landshut schuf (heu-
te in einem ebenerdigen Saal dort aufgestellt).
Hören wir über die Münchener Verhältnisse vor-
erst ganz allgemein den bayerischen Historio-
graphen Lorenz von Westenrieder (1782), der sich
folgendes natierteÄ „Oeffentliche Brunnen,
welche die Stadt zu besorgen, und überaus
schön hergestellet hat, sind in allen Gassen...
Durch das Sendlinger, und Isarthor laufen unter
der Erde Wosserteichen unter die vornehmsten
Straßen der ganzen Stadt, und von denselben
läuft das Wasser, in den innern Hof des Hauses
in ein Behältniß, oder in die Küche." Was die
Brunnenerneuerung in München anbetrifft, so ist
man beispielsweise darüber unterrichtet, daß
der als Stukkateur, Maler, Faßmoler, Bildhauer
und Baumeister sich betötigende Konstantin
Pader (um l6IO-I68I) im Jahre 1645 außer den
Plastiken an den städtischen Brunnen am Rinder-
markt, in der Wein- und in der Burggasse auch
die Skulptur an dem Laufbrunnen in der Diener-
gasse (später: -straße) im Herzen der Altstadt
ausgebessert hat]. Leider ist von dem Vorläufer
des Brunnens, mit dem wir uns in diesem Beitrag
beschäftigen wollen, sonst nichts Näheres be-
kannt. Mehrfach wird iedoch gerade dieser