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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 130 und 131)

Göttin der Jagd" sitzend dargestellt ist (Abb. 4), 
gehört die mit ihr ausdrucksmäßig verwandte, 
neu entdeckte Apollostatue zu den wenigen 
erhaltenen eigenhändigen Werken Straubs, auf 
denen er antike Götterfiguren dargestellt hat. 
Bemerkenswert eng sind die Beziehungen stili- 
stischer Art, die sich trotz des Größenunter- 
schiedes und des abweichenden Werkstoffs zwi- 
schen der um einige Jahre jüngeren aus Eichen- 
holz geschnitzten Apollofigur und einem rund 
zehn Jahre eher entstandenen iugendfrischen 
Paar ergeben, in dem die weltlichen Untertanen 
eines geistlichen Fürsten symbolisierend darge- 
stellt sind. Diese etwas unterlebensgroßen sit- 
zenden Figuren wurden um 1741 vom J. B. Straub 
für den „CIemens-August"-Fayenceofen model- 
liert (Abb. 5, 7). Er befindet sich im Schloß 
Augustusburg in Brühl". Der Bildhauer war in 
der skulpturalen Gestaltung der antiken Welt 
ebenso zu Hause wie daß er auf Grund seiner 
Aufträge zumeist Darstellungen christlicher The- 
men auszuführen hatte. Beide Welten sind auf 
der Eichenholzgruppe ikanographisch vereint, 
die J. B. Straub für den bereits zu Anfang ge- 
nannten Brunnen vor dem Jesuitenkollegienge- 
bäude in München schnitzte". Dargestellt ist 
hier der an den Händen gefesselte Märtyrer 
hl. Johann von Nepomuk, wie er nach der Le- 
gende nach seinemTod von der Flußgott-Personi- 
fikation Moldau ans Ufer getragen wird. Für 
diese Gruppe erhielt Straub am 12. Juni 1751 den 
Betrag von 150 fl. ausbezahlt, während die Öl- 
farbenfassung wiederum von Anton Zächen- 
berger ausgeführt wurde, einem Maler, der für 
die Fassung, Marmorierung und Vergoldung von 
19 Stadtbrunnen am 5. Februar 1752 den Ge- 
samtbetrag von 281 Gulden erhielt. Damit ist 
archivalisch erwiesen, daß die im Jahre 1751 
gleichfalls als Brunnenbekrönung geschnitzte 
Apollofigur gleichsam das Geschwisterkind der 
St. Johann von Nepomuk-Gruppe ist (Abb. 9). 
In diesem Schnitzwerk (München, Kunstsamm- 
lungen der Erzdiözese München und Freising, 
lnv.-Nr. 61) konnten wir bereits vor einigen 
Jahren eine gleichfalls früher verloren geglaubte 
einstige Brunnenbekrönung Straubs identifizie- 
ren. Die erhalten gebliebene Entwurfszeichnung 
(Abb. 8, München, Staatlidie Graphische Samm- 
Iung, lnv.-Nr. 32.210) gibt anschaulich darüber 
Auskunft, wie man sich die Aufstellung einer 
derartigen Brunnenplastik inmitten eines Wasser- 
beckens vorzustellen hat. Es bedarf keines de- 
taillierten Beweises, um zu demonstrieren, wie 
diese zur gleichen Gattung gehörigen Skulptu- 
ren stilistisch sich gegenseitig entsprechen. Aus 
der Fülle des sich hier anbietenden Vergleichs 
sei nur die Ähnlichkeit des iugendlichen Apollo- 
kopfes mit der des bärtigen Flußgotts Moldau 
(Abb. 10) hervorgehoben. Besonders aufschluß- 
reich erscheint uns auch die Gegenüberstellung 
der Rückseite der einst als Freiplastik aufge- 
stellten Skulpturen. Sie veranschaulichen aufs 
eindrucksvollste die erstaunliche Flächigkeit des 
Figuralstils von Straub, wobei es in diesem Fall 
gleichgültig ist, ob es sich in dem einen Fall um 
eine Einzelfigur und in dem anderen um eine 
Gruppe (Abb. 11,12) handelt. 
Von den verschiedenen „Leyen-Gumpprunnen", 
die in den Jahren 1750 und 1751 „Veranderet, 
und Neugemacht"... und „zwar ziemlich mühe- 
sam" ausgearbeitet wurden, ist dann in einem 
„Unterthönigen Anbringen", d. h. in einer Bitt- 
schritt an den Stadtkammerrat, die Rede. Sie 
wurde dem letzteren am 2. August 1772 von dem 
damaligen Stadtbrunnmeister Joseph Gelsen- 
hofer überreicht (Akt Wasserwerke Nr. 1, Mün- 
chen, Stadtarchiv). In diesem Schreiben heißt es 
ferner, daß die „meisten" Brunnen inzwischen 
wegen „denen Neuangelegten Pflasteren" „mit 
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Vieller Mühe Versezet worden" sind. Der Unter- 
halt der Brunnen obliege ihm, dem Stadtbrunn- 
meister, und den „Stadt Prun Knechten". Die 
„Unterthänig Mainung" J. Geisenhofers gehe 
nun dahin, daß ieder „ViertI Schreiber" für 
einen „solchen Leyen-Gumpprunnen" pro Jahr 
zwei Gulden sammeln solle und zwar zum Zweck 
der Erhebung einer gesonderten UnterhaItsum- 
lage, d. h. einer Sondersteuer bei der Einwohner- 
schaft. „Auf solche weise", so meinte J. Geisen- 
hofer, „können oftgemelte Gumpprünnen ohne 
den geringsten Schaden der Löbl. Stadt-Kammer 
iederzeit in guten Stondt unterhalten werden". 
Ob diesem Antrag ie stattgegeben wurde, ist 
nicht bekannt. Ein Jahr später, am 2. September 
1773, wird in der gleichen Angelegenheit als 
Stadtkammerratsschluß vermerkt: „Sey zur Iöbli- 
chen Stadt-Kammer zugeben von wegen denen 
hierin Vorkommenden sehr ruinos und schäd- 
lichen (d. h. schadhaften) Brünnen ein fördersame 
abönderung zu machen" (Akt Wasserwerke 
Nr. 1, München, Stadtarchiv). Interpretieren wir 
diese Zeilen richtig, so kündigt sich in ihnen un- 
übersehbar das Ende der hölzernen Brunnenzier 
Münchens an. Aufs ganze gesehen, waren sie 
unmittelbarer Ausdruck eines Zeitalters, das man 
erst dann richtig beurteilt, wenn man erkennt, 
welche dominante Rolle damals das Holz als 
einheimischer Werkstoff auch für die - eiche- 
nen - Brunnenskulpturen spielte. Die über die 
gesamte Stadt verteilten „BiIdhaueW-Brunnen 
hatten die - gewiß genau durchdachte - Auf- 
gabe, eine reine Zweckbestimmung: einen öf- 
fentlichen Rohrbrunnen jeweils mit einer 
schmückenden Freiskulptur zu versehen. Das ih- 
nen zugrunde liegende Programm ergibt sich 
aus dem Namen der Stadtbrunnen. Es waren 
außer der St. Johann von Nepomuk-Gruppe vor 
dem Jesuitenkolleg zumeist Darstellungen antiker 
Gottheiten (u. a. Jupiter mit den vier Elemen- 
ten, Pallas Athene, Herkules, Neptun, Bacchus, 
Apollo und Diana). Obwohl von dem Apollo- 
brunnen in dem oben zitierten Memorandum 
vom 2. September 1773 nicht eigens die Rede ist, 
ist es doch indirekt auch auf sein weiteres 
Schicksal zu beziehen. Die uns bekannte letzte 
Erwähnung über den Apollobrunnen stammt, 
wie bereits eingangs gesagt wurde, aus dem 
Jahre 1772 (J. K. v. Lippert). Viel länger als rund 
eine Generation dürfte die Apollostatue kaum 
als Freiplastik aufgestellt gewesen sein, sonst 
hätte sie sich sicherlich nicht in der Kondition er- 
halten, in der sie auf uns gekommen ist". Ein 
weiterer indirekter Anhaltspunkt für diese An- 
sicht ergibt sich übrigens auch dadurch, daß der 
öffentliche Brunnen in der Dienerstraße aus uns 
unbekannten Gründen damals nicht mehr er- 
neuert wurde. In einem Verzeichnis der öffent- 
lichen Brunnen Münchens (Akt Wasserwerke 
Nr. 9, München, Stadtarchiv), das der Schrift 
nach dem Anfang des 19. Jahrhunderts, dem 
Vor- und Nachakt iedoch zwischen 1795 und 1823 
entstanden ist, wird jedenfalls kein öffentlicher 
Brunnen in der Dienerstraße mehr erwähnt. Sa 
ist es ganz gewiß einem günstigen Zufall zu ver- 
danken, daß die von uns wiederentdeckten - im 
Jahre 1751 von J. B. Straub aus Eichenholz ge- 
schnitzten - Brunnenbekrönungen, die beide 
archivalisch ausgezeichnet belegt sind, als Skulp- 
turen erhalten geblieben sind. Für die Gesamt- 
vorstellung seines noch immer nicht vollständig 
erforschten Werks sind beide Stücke eine wirk- 
liche Bereicherung. 
L1 Unser Autor: 
Dr. Gerhard F. Woeckel 
Zentralinstitut für Kunstgeschichte 
Forschungsunternehmen 
2-München, Meiserstraße 10 
Anmerkungen 11-14 
"Darüber zuletzt: Bayern. Kunst und Kultur. Ausstellung 
München 1972, I(at.-Nr. 990 mit Abb. 
l" G. Waeckel, Die drei Rakakoöten des Sdtlosses Augustus- 
burg zu Brühl, I, : Alte und moderne Kunst, 70, 1963, 
S. 19 ff. mit Abb. 6,11 und 12. 
" Ders., Die Brunnenlagen vor dem Münchener Jesuiten- 
klaster im Wandel der Jahrhunderte, I, in; Alle und 
moderne Kunst, 76, 1964, S. 9 ff. mit Abb. 10, 11, 12, 13 
und 1B. - Johannes von Nepomuk - Ausst. München 1971, 
Kot-Nr. 39 mit Abb. 37. 
" Op. zit., II, in: Alte und moderne Kunst, 77, 1964, S. 20. 
Danach war die im gleichen Jahre wie die Apollostatue 
aufgestellte si, Johann von Nepomuk-Gruppe Straubs 
bereits nach 16 Jahren, d. h. im Jahre 1767, wietzt schon 
vollkommen ruenös". Sie mußte einer spater bemalten 
Brunnentigur aus Salzburger Marmor Platz machen. 
Ausgeführt wurde dieses Werk, wiederum eine Dar- 
stellung des hl. Johann von Nepamuk (1770171), van dem 
späteren kurbayerischen Hafbildhauer Roman Anton 
Boas, einem Schüler Straubs, und (seit 1777) auch seinem 
Schwiegersohn. 

	        
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