Göttin der Jagd" sitzend dargestellt ist (Abb. 4),
gehört die mit ihr ausdrucksmäßig verwandte,
neu entdeckte Apollostatue zu den wenigen
erhaltenen eigenhändigen Werken Straubs, auf
denen er antike Götterfiguren dargestellt hat.
Bemerkenswert eng sind die Beziehungen stili-
stischer Art, die sich trotz des Größenunter-
schiedes und des abweichenden Werkstoffs zwi-
schen der um einige Jahre jüngeren aus Eichen-
holz geschnitzten Apollofigur und einem rund
zehn Jahre eher entstandenen iugendfrischen
Paar ergeben, in dem die weltlichen Untertanen
eines geistlichen Fürsten symbolisierend darge-
stellt sind. Diese etwas unterlebensgroßen sit-
zenden Figuren wurden um 1741 vom J. B. Straub
für den „CIemens-August"-Fayenceofen model-
liert (Abb. 5, 7). Er befindet sich im Schloß
Augustusburg in Brühl". Der Bildhauer war in
der skulpturalen Gestaltung der antiken Welt
ebenso zu Hause wie daß er auf Grund seiner
Aufträge zumeist Darstellungen christlicher The-
men auszuführen hatte. Beide Welten sind auf
der Eichenholzgruppe ikanographisch vereint,
die J. B. Straub für den bereits zu Anfang ge-
nannten Brunnen vor dem Jesuitenkollegienge-
bäude in München schnitzte". Dargestellt ist
hier der an den Händen gefesselte Märtyrer
hl. Johann von Nepomuk, wie er nach der Le-
gende nach seinemTod von der Flußgott-Personi-
fikation Moldau ans Ufer getragen wird. Für
diese Gruppe erhielt Straub am 12. Juni 1751 den
Betrag von 150 fl. ausbezahlt, während die Öl-
farbenfassung wiederum von Anton Zächen-
berger ausgeführt wurde, einem Maler, der für
die Fassung, Marmorierung und Vergoldung von
19 Stadtbrunnen am 5. Februar 1752 den Ge-
samtbetrag von 281 Gulden erhielt. Damit ist
archivalisch erwiesen, daß die im Jahre 1751
gleichfalls als Brunnenbekrönung geschnitzte
Apollofigur gleichsam das Geschwisterkind der
St. Johann von Nepomuk-Gruppe ist (Abb. 9).
In diesem Schnitzwerk (München, Kunstsamm-
lungen der Erzdiözese München und Freising,
lnv.-Nr. 61) konnten wir bereits vor einigen
Jahren eine gleichfalls früher verloren geglaubte
einstige Brunnenbekrönung Straubs identifizie-
ren. Die erhalten gebliebene Entwurfszeichnung
(Abb. 8, München, Staatlidie Graphische Samm-
Iung, lnv.-Nr. 32.210) gibt anschaulich darüber
Auskunft, wie man sich die Aufstellung einer
derartigen Brunnenplastik inmitten eines Wasser-
beckens vorzustellen hat. Es bedarf keines de-
taillierten Beweises, um zu demonstrieren, wie
diese zur gleichen Gattung gehörigen Skulptu-
ren stilistisch sich gegenseitig entsprechen. Aus
der Fülle des sich hier anbietenden Vergleichs
sei nur die Ähnlichkeit des iugendlichen Apollo-
kopfes mit der des bärtigen Flußgotts Moldau
(Abb. 10) hervorgehoben. Besonders aufschluß-
reich erscheint uns auch die Gegenüberstellung
der Rückseite der einst als Freiplastik aufge-
stellten Skulpturen. Sie veranschaulichen aufs
eindrucksvollste die erstaunliche Flächigkeit des
Figuralstils von Straub, wobei es in diesem Fall
gleichgültig ist, ob es sich in dem einen Fall um
eine Einzelfigur und in dem anderen um eine
Gruppe (Abb. 11,12) handelt.
Von den verschiedenen „Leyen-Gumpprunnen",
die in den Jahren 1750 und 1751 „Veranderet,
und Neugemacht"... und „zwar ziemlich mühe-
sam" ausgearbeitet wurden, ist dann in einem
„Unterthönigen Anbringen", d. h. in einer Bitt-
schritt an den Stadtkammerrat, die Rede. Sie
wurde dem letzteren am 2. August 1772 von dem
damaligen Stadtbrunnmeister Joseph Gelsen-
hofer überreicht (Akt Wasserwerke Nr. 1, Mün-
chen, Stadtarchiv). In diesem Schreiben heißt es
ferner, daß die „meisten" Brunnen inzwischen
wegen „denen Neuangelegten Pflasteren" „mit
44
Vieller Mühe Versezet worden" sind. Der Unter-
halt der Brunnen obliege ihm, dem Stadtbrunn-
meister, und den „Stadt Prun Knechten". Die
„Unterthänig Mainung" J. Geisenhofers gehe
nun dahin, daß ieder „ViertI Schreiber" für
einen „solchen Leyen-Gumpprunnen" pro Jahr
zwei Gulden sammeln solle und zwar zum Zweck
der Erhebung einer gesonderten UnterhaItsum-
lage, d. h. einer Sondersteuer bei der Einwohner-
schaft. „Auf solche weise", so meinte J. Geisen-
hofer, „können oftgemelte Gumpprünnen ohne
den geringsten Schaden der Löbl. Stadt-Kammer
iederzeit in guten Stondt unterhalten werden".
Ob diesem Antrag ie stattgegeben wurde, ist
nicht bekannt. Ein Jahr später, am 2. September
1773, wird in der gleichen Angelegenheit als
Stadtkammerratsschluß vermerkt: „Sey zur Iöbli-
chen Stadt-Kammer zugeben von wegen denen
hierin Vorkommenden sehr ruinos und schäd-
lichen (d. h. schadhaften) Brünnen ein fördersame
abönderung zu machen" (Akt Wasserwerke
Nr. 1, München, Stadtarchiv). Interpretieren wir
diese Zeilen richtig, so kündigt sich in ihnen un-
übersehbar das Ende der hölzernen Brunnenzier
Münchens an. Aufs ganze gesehen, waren sie
unmittelbarer Ausdruck eines Zeitalters, das man
erst dann richtig beurteilt, wenn man erkennt,
welche dominante Rolle damals das Holz als
einheimischer Werkstoff auch für die - eiche-
nen - Brunnenskulpturen spielte. Die über die
gesamte Stadt verteilten „BiIdhaueW-Brunnen
hatten die - gewiß genau durchdachte - Auf-
gabe, eine reine Zweckbestimmung: einen öf-
fentlichen Rohrbrunnen jeweils mit einer
schmückenden Freiskulptur zu versehen. Das ih-
nen zugrunde liegende Programm ergibt sich
aus dem Namen der Stadtbrunnen. Es waren
außer der St. Johann von Nepomuk-Gruppe vor
dem Jesuitenkolleg zumeist Darstellungen antiker
Gottheiten (u. a. Jupiter mit den vier Elemen-
ten, Pallas Athene, Herkules, Neptun, Bacchus,
Apollo und Diana). Obwohl von dem Apollo-
brunnen in dem oben zitierten Memorandum
vom 2. September 1773 nicht eigens die Rede ist,
ist es doch indirekt auch auf sein weiteres
Schicksal zu beziehen. Die uns bekannte letzte
Erwähnung über den Apollobrunnen stammt,
wie bereits eingangs gesagt wurde, aus dem
Jahre 1772 (J. K. v. Lippert). Viel länger als rund
eine Generation dürfte die Apollostatue kaum
als Freiplastik aufgestellt gewesen sein, sonst
hätte sie sich sicherlich nicht in der Kondition er-
halten, in der sie auf uns gekommen ist". Ein
weiterer indirekter Anhaltspunkt für diese An-
sicht ergibt sich übrigens auch dadurch, daß der
öffentliche Brunnen in der Dienerstraße aus uns
unbekannten Gründen damals nicht mehr er-
neuert wurde. In einem Verzeichnis der öffent-
lichen Brunnen Münchens (Akt Wasserwerke
Nr. 9, München, Stadtarchiv), das der Schrift
nach dem Anfang des 19. Jahrhunderts, dem
Vor- und Nachakt iedoch zwischen 1795 und 1823
entstanden ist, wird jedenfalls kein öffentlicher
Brunnen in der Dienerstraße mehr erwähnt. Sa
ist es ganz gewiß einem günstigen Zufall zu ver-
danken, daß die von uns wiederentdeckten - im
Jahre 1751 von J. B. Straub aus Eichenholz ge-
schnitzten - Brunnenbekrönungen, die beide
archivalisch ausgezeichnet belegt sind, als Skulp-
turen erhalten geblieben sind. Für die Gesamt-
vorstellung seines noch immer nicht vollständig
erforschten Werks sind beide Stücke eine wirk-
liche Bereicherung.
L1 Unser Autor:
Dr. Gerhard F. Woeckel
Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Forschungsunternehmen
2-München, Meiserstraße 10
Anmerkungen 11-14
"Darüber zuletzt: Bayern. Kunst und Kultur. Ausstellung
München 1972, I(at.-Nr. 990 mit Abb.
l" G. Waeckel, Die drei Rakakoöten des Sdtlosses Augustus-
burg zu Brühl, I, : Alte und moderne Kunst, 70, 1963,
S. 19 ff. mit Abb. 6,11 und 12.
" Ders., Die Brunnenlagen vor dem Münchener Jesuiten-
klaster im Wandel der Jahrhunderte, I, in; Alle und
moderne Kunst, 76, 1964, S. 9 ff. mit Abb. 10, 11, 12, 13
und 1B. - Johannes von Nepomuk - Ausst. München 1971,
Kot-Nr. 39 mit Abb. 37.
" Op. zit., II, in: Alte und moderne Kunst, 77, 1964, S. 20.
Danach war die im gleichen Jahre wie die Apollostatue
aufgestellte si, Johann von Nepomuk-Gruppe Straubs
bereits nach 16 Jahren, d. h. im Jahre 1767, wietzt schon
vollkommen ruenös". Sie mußte einer spater bemalten
Brunnentigur aus Salzburger Marmor Platz machen.
Ausgeführt wurde dieses Werk, wiederum eine Dar-
stellung des hl. Johann von Nepamuk (1770171), van dem
späteren kurbayerischen Hafbildhauer Roman Anton
Boas, einem Schüler Straubs, und (seit 1777) auch seinem
Schwiegersohn.