anmutig abgestimmten, ja fast rokokomaßigen Verfei-
nerung führte.
Daß Prag am Ende des 17. Jahrhunderts zu einem Zen-
trummitgroßarAnziehungskraftemporwuchs,bezeugt
die Schar der hier sich niederlassenden Maler. Außer
Liska war es hauptsächlich der sozusagen protäisch
sich verwandelnde Schweizer Johann Rudolf Bys.
Maler von Wand-. Mythologie und Altarbildern, wie
auch von Blumen- oder Jagdstilleben, in denen allen die
Bedachtnahme auf gefällig durchgearbeitete Details
häufig zu einem etwas starren Aufbau führte.
Die Farbfrohheit von Bys bedingte gemeinsam mit dem
ebenfalls satten. aber durch schroffe Lichtkontraste
unterbauten Kolorit des Österreichers Michael Wenzel
Halbax das Jugendwerk des großen Synthetikers Peter
Brandl. Die Modellierung des farbreichen Gebildes und
die Auflockerung des üppigen Kolorits sublimierten im
Zenit von Brandts Schaffen seit der Neige des zweiten
und im Verlauf des dritten Jahrzehnts. An der Schwelle
Brandts letzter, durch menschlichen und gesellschaftli-
chen Verfall begleiteten Lebens- und Schaftensperiode
lockerte sich noch die Handschrift des Meisters sowie
die Farbgebung in einen prachtvollen Zusammenklang.
Aus allen diesen Quellen fließt das vielströrnige Schaf-
fen Fteiners zusammen, Am stärksten reagierte er
jedoch an das unmittelbar vorgehende Werk Brandts.
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offensichtlich aber nicht in der Absicht, mit ihm wettzu-
eifern, sondern eher im Bestreben. dessen Werk in Art,
Stoff und Form zu ergänzen. von Brandl unbeachtete
Wege zu betreten, ia ganze weite Felder, die bisher in
Böhmen für Brachland gelten konnten, zu bebauen.
Neben hervorragenden Altarbildern und packenden
Bildnissen kann man in Reiners Werk zwei reiche
Zweige unterscheiden. Den Hauptschwerpunkt verv
legte Reiner in die in Böhmen bisher kaum geübte Fres-
komalerei, in der ervon allem Anfang an zu einer ausgef
prägten Individualität emporwuchs. Ein zweites, in
seiner Bedeutung den Wand- und Deckengemälden
ebenbürtiges Gebiet stellt die Landschaftsmalerei dar,
die sich vom iiheroischenw Arrangieren und den an Will-
manns Vorbild anknüpfenden, allegorisch motivierten
Tier- und Vügelversammlungen bis zur lebensfrischen
Naturbeobachtungen im Gewand italienischer Stilisie-
rung ausbreitet. Alle Impulse und alle Eindrücke, die
Fleiner von seinen Vorgängern empfing, hat er prinzi-
piell umzuwandeln und umzustimmen gewußt. Es
waren viele konkret faßbare Einflüsse der Werke Skre-
tas. Willmanns, Liskas, Halbax' und Brandts. die er nie
als passiver Epigone, sondern stets als schaffender
Geist umwertete und auf eine höhere Stilstufe empor-
hob.
Reiners dominante Eigenschaft war seine künstleri-
sche Selbstgenügsamkeit. Bei Brandl erwähnte sein
Biograph Johann Quirin Jahn (der auch als erste
ners Leben und Werk zusammentaßte), daß ihm
Hybel (Johann Hiebel), wenn die Nebenwerke zu s
Arbeiten Architekturen erscheinen, meistens hier
dienteuz. Da es sich bei Brandl ausschließlich un
feleibilder handelte. war seine wie auch Hiebei
gabe viel einfacher als die Reiners. der - un
bezeugt die absolute Homogenität seiner Skizzei
eindeutig A die oft anspruchsvollen Archite
nicht nur selber erfand, sondern auch deren Kor
tionen auf die sphärischen Flächen der Gewöli
sicherer Hand übertrug. Das handgreiflichste Zi
dieserseiner außerordentlichen Universalität bis
Skizze zu dem eindrucksvollen Deckenlresko im l
schifl der Prager Dominikanerkirche. Diese Arch
ren - hier eine räumlich entfaltete Kulisse hinte
sich entfaltenden Kampf der Ordensheiligen geg
Haresie, anderswo wuchtige Einrahmungen ein
Szenen oder illusionistische Gebilde - sind ir
ungemein reichen und ebenfalls nur selten sich v
holenden Skala ausgebreitet.
Ein ganz besonders kompliziertes Werk stellt da
glomerat der Fresken in der Ursulinerinnenkirci
hl. Johannes von Nepomuk am Hradschin (172
Ein epischer Zyklus aus der Lebensgeschichte dr
ligen bildet einen Kranz rund um die zentralisiei
sionische Kuppel, die jedoch bloß eine Erhdhui
Gewölbes zur Raumschatfung für die fünf Eng
stellt, die im waghalsigen Flug in kühnen Verkürz
die Nepomuksterne als Reflektoren benützen. un
strahlen an gemalte Reliefs und allegorischeStat
werfen. Tapisserien mit Szenen aus der Legeni
heiligen Johanneswerdenvon iilebendigenmzeit
sisch kostümierten Kirchendienern über die her
fende Balustrade ausgespannt. Das Ganze ste
höchst komplizierte und raffinierte Vielschict
verschiedener "Realitätsgraderr vor. in dem das
im-Bild-Prinziprr in einem ungeheuren Umfang ei
wurde. Mit Reiners Schaffen war organisch
Sammlerlätigkeit verbunden. Bis unlängst war
über sie nur das bekannt, was Dlabacz in seinem
lerlexikon im Jahre 1815 schrieb: iiEr besaß e
sehnliche Sammlung von Antikenabgüssen. Ul
Werken berühmter Meister. so wie auch eine
Menge von Kupterstichen und Zeichnungen, w
Künstler damals in Böhmen gehabtmrii Da la
ners letztem Willen kein Inventar seines Eige
zusammengefaßt wurde. schien ein Zeugnis
waserteilsselbst.teilswohl auch alsErbeoderN
von seinem Onkel, einem Kunsthändler, erwar
gültig verschollen. Einen Lichtstrahl auf den v
sten Teil seiner nHausakademieu warf der unerv
Fund des iiCafhalogus der Reinerschen Bildern in
lienarchiv der Grafen Nostitz. der wohl knapp i.
ners Tode angelegt worden ist,'
In diesem Verzeichnis findet man nur drei ausdri
als iiSchkitzerw bezeichnete Gemälde, eine vs-
von Solimena (von dem hier noch ein Schul
erwähnt ist), eine vgroßeu von Liska und eine et:
inhaltlich unbezeichnete von Brandl, von den
zwei Bilder, eine Dreifaltigkeit und ein hl. l-lierol
angeführt sind. Mit Reiners Namen sind hier
überhaupt keine verbunden. Die von ihm stamn
Bilder waren nach den Preisangaben größeren
tes. Wo sind die vermutlich vielen Skizzen f
geblieben? Die einzige Erklärung wäre. daß es
war, sie als "Beilagerr zu dem ausgeführten We
Auftraggeber zu übergeben. Daß Reiner keiner
allgemein üblichen Werkstattvorrat von Skizz
Zeichnungen aufbewahrte, stünde im Einklang
ner Eigenschaft und offenbar planmäßig durch
ten Devise. sich nie zu wiederholen. was tatsäct
Hauptattribut seines Schaffens gelten kann. E:
wohl mit seiner üppigen lnvention. mit seiner ur
lichen Lust am Aufsuchen anderer als der bishe
tenen Wege und Stege zusammen, daß er nie be
ausgesprochenen Rückgriff auf bereits einmal
lierfes ertappt werden kann.