efähr 90 Jahre nach der Entstehung der Ma-
ia des Kanzlers Rolin, also bereits zu Beginn
16. Jahrhunderts, schuf P. Pourbusl seine An-
t des Zisterzienserklosters Ter Duinen? (Abb.
las hervorstechendste Merkmal im Vergleich
Architekturauffassung beider Bilder ist der
ommen unterschiedliche Blickwinkel. Hier
Luftperspektive von einem Punkt aus erlebt,
ür den Menschen der Spätgotik als unerreich-
;alt, den man also in einem gewissen Sinne
' nennen könnte. Besonders charakteristisch
weint die in Farbgebung und Kontur fast kar-
tphisch anmutende Behandlung der Land-
ft außerhalb der Klosteranlage. Sie steht im
ensatz zu den Gebäuden, die der Maler mit be-
terswerter Exaktheit und Minuziosität zur
tellung bringt, wohl letztlich in der Absicht,
Architektur aus der sie umgebenden Land-
it herauszuheben, sie als selbständiges
nema zu begreifen.
iemalte Ansicht des Klosters Ter Duinen ist
in hohem Maße aufschlußreich für die Ent-
ung der Luftperspektive unter dem Aspekt
itiisprache. Dies gilt besonders im Hinblick
ie Farbkomposition. Architektur wird hier un-
nem Blickwinkel gesehen, bei dem sich Farb-
cen aufgrund unterschiedlicher Distanz nur
er feststellen lassen. Daß der Urheber der Ta-
annoch an der Farbabstufung festhält, indi-
welche Bedeutung er dieser als Ausdrucks-
l beimiBt. Jedoch erfolgt hier der Übergang
iarbe nicht graduell, kontinuierlich wie bei
Eyck, sondern spontan, diskontinuierlich in
ngigkeit vom Lichteinfall. Während in der lin-
Bildhälfte ein diffuses, düsteres Licht vor-
cht, erfolgt gegen die Bildmitte schlagartig
ufheliung: das typische Rot der Ziegeldächer
aßt dabei ebenso wie die Fassadenfarbe. Ge-
ert wird diese Differenziertheit in der Beob-
rng noch durch den Kontrast zwischen den
igschatten der Architektur und der sie umge-
eri Landschaft.
lm Gegensatz zur Luftperspektive setzt die voll-
ständige Kenntnis und Beherrschung der Linear-
perspektive vielseitige Einsichten in geometrische
und optische Gesetzmäßigkeiten voraus. Neben
der Konvergenz paralleler Linien im Raum zählen
dazu vor allem die Berücksichtigung der Distanz
sowie die sichere Einschätzung der Proportionen
zwischen Architektur und Figuren. Ob und inwie
weit die Prinzipien der Perspektive in der flämi-
schen Tafelmalerei der Spatgotik bekannt waren,
blieb bis heute umstritten. Die Ansichten darüber
divergieren beträchtlich. Einerseits, so wird be-
hauptet, beschränkten sich die flämischen Mei-
ster auf eine exakte und detaillierte Beobachtung,
andererseits wird ihnen die Kenntnis fundamenta-
ler perspektivischer Prinzipien bescheinigt, wie
das Gesetz von der Distanz bzw. die Lehre vom Au-
genpunkt. Erstes Licht in die Diskussion brachten
die an Gemälden van Eycks bzw. Petrus Christus
durchgeführten Untersuchungen von G.J. Kern-V.
Kern kam durch systematische Studien zu dem
Schluß, daß man Jan van Eyck die vollständige
Kenntnis der Linearperspektive absprechen müs-
se, da er weder das Gesetz von der Distanz noch
die Prinzipien von der Zugrundelegung eines ein-
heitlichen Fluchtpunktes gekannt habe. Demge-
genüber legen seine Untersuchungen an Bildern
von Petrus Christus den Schluß nahe, daß dieser
Maler zwar nicht das Gesetz von der Distanz, da-
für aber die Prinzipien von der Annahme eines ein-
heitlichen Fluchtpunktes und Horizontes kannte.
Tatsächlich läßt bereits eine punktuell konzipierte
kritische Überprüfung der Architekturdarstellung
den unterschiedlichen Stand perspektivischer
Kenntnis deutlich werden. So hält z. B. die in
Abb. 3 vorgestellte Bildarchitektur weder der per-
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spektivischen Analyse noch der schlichten Beob-
achtung stand. Dargestellt ist der Bau der Brüsse-
ler Kathedrale, die aufgrund der frontalen Ansicht
keine nennenswerten perspektivischen Anforde-
rungen stellt. Mit der Abbildung einer Häuserzeile,
die aus der Bildebene herausführt, war der Maler
jedoch offensichtlich überfordert. Hier spürt der
Betrachter, daß der Urheber des Gemäldes4 zwar
die räumliche Wirkung suchte, sie aber aufgrund
fehlender perspektivischer Kenntnisse und Erfah-
rung nicht zur Entfaltung bringen konnte. Daß, wie
die Analyse erkennen läßt, dennoch einige der Or-
thogonalen auf zwei unterschiedliche Fluchtpunk-
te zustreben, erscheint insgesamt gesehen eher
ein Ergebnis von Zufälligkeiten als etwa ein An-
satz zur geteilten Perspektive zu sein. Repräsenta-
tiv für den geringen Stand perspektivischer Kennt-
nis ist auch der stellenweise auftretende Wechsel
zwischen konvergierenden und divergierenden
Orthogonalen.
Einem weitaus fortgeschritteneren Stadium der
Perspektive begegnen wir in den Gemälden Hegier
v. d. Weydens. Sie lassen, wie das Beispiel Der
hl. Lukas malt die Madonna (Abb. 4) zeigt, zumin-
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