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Tycoon-Tempel, Shiba, Tokio
vorliegen - beherrscht in freiem und kühnem Schwunge die Region der
Dachbildungen.
Dies wird ermöglicht: einerseits durch die raffinierten und aus vielen
kleinen Auskragungen kunstvoll aufgebauten Verbindungsglieder zwischen
Wandsäulen und Dach, andrerseits durch ein höchst geschicktes Dach-
eindeckungssystem, das in den meisten Fällen durch sorgfältig gebildete
I-Iohlsteine, Rippen, First-, Grat- und Traufstücke aus gebranntem Ton, nicht
selten aber sogar durch Metall mit Vergoldung seine Wirkung erzielt.
Semper erwähnt die Legende, wonach die ältesten, strohgedeckten
Palastbauten der chinesischen Kaiser mit ihren vom Alter durchgebogenen,
verrnoosten Strohdächem das Urbild für diese konkav geschwungenen (in
China zumeist grünglasierten) Dachbildungen abgaben. Von dieser nicht
unwahrscheinlichen Anregung bis zur vollendeten technischen und künstleri-
schen Dachbildung einer zum System erhobenen Dachkurve, wie sie Japan
aufweist, ist ein weiter Weg. Er konnte nur zurückgelegt werden mit Hilfe
eines hochentwickelten malerischen Emptindens und einer minutiös genauen
Bauausführung. Beides weisen sogar auch noch einige der jüngsten Tempel-
bauten Japans auf, welche die ältesten Traditionen noch heute verwirk-
lichen. Das Ende dieses Bausystems ist aber nahe. Seine Voraussetzung
bildet eine ungewöhnliche Verschwendung mit gutem Bauholz - der
enorme Holzvorrat der japanischen Wälder wurde dazu unbedenklich
herangezogen - ferner die vorwiegende Berücksichtigung ästhetischer