628
Die Serben gehören zu den schönsten Volksstämmen Ungarns. Sie sind meistens
brünett; hellblondes Haar kommt selten vor, dagegen öfter blaue Augen bei brauner
Hautfarbe und schwarzem Haar. Die Kopfform ist meist mehr rundlich, als länglich; die
Nasenwurzel liegt tief unter der offenen, gewölbten Stirne; das Profil erhält namentlich
durch die Adlernase einen scharfen Schnitt. Die Männer sind hoch gewachsen, breitschultrig
und muskulös, bei männlich-schöner Haltung. Die Frauen sind im Allgemeinen schön, mit
ovalein Gesicht, edlem Profil, feingeschnittenem Kinn, mandelförmigen, feurigen, tief-
schwarzen Augen; der Teint ist aus Weiß und Roth gemischt, der Wuchs schlank, Hände
und Füße klein, das Haar reich.
Seinem Charakter nach ist der Serbe tapfer und kriegerisch, er lebt und stirbt für
seine Nationalität und Freiheit, er hält die patriarchalischen Einrichtungen in Ehren und ist
mannigfach begabt. Seine Freiheitsliebe ist durch das Sprichwort gekennzeichnet: „Lieber
ins Grab, als ins Joch" (Loste u ^rod, nogo rod!). Dabei ist er offen und natürlich,
hat Ehrgefühl, flammt im Zorn rasch auf, ist großmüthig und wahrhaft gastfreundlich.
Über seinem ganzen Wesen liegt ein Hauch von feierlichem, melancholischem Ernst. In
Liebe und Haß, in Freundschaft und Rache ist er gleich leidenschaftlich. „Ich räche mich,
und ginge es um die ewige Seligkeit!" (Osvotiön so, inn so no posvotio!) lautet ein
serbischer Spruch. Wer seine Natur kennt und ihn zu behandeln weiß, kann ihn zu Gutem
und Bösem leicht haben. Im Allgemeinen ist er nüchtern, sparsam, der Religion, den alten
Bräuchen und Überlieferungen anhänglich, obgleich er sich auch den geänderten Verhält
nissen anzupassen weiß. Von Natur aus contemplativ, schöpft er seine Kenntnisse mehr
ans der Erfahrung, als aus dem Buche. Er liebt die Gemächlichkeit, doch greift er mit
beiden Händen zu, wo rasche Arbeit noththut oder sein Interesse es erfordert.
Im häuslichen Leben ist das Familienhaupt der Herr. Unter den Familiengliederu
herrscht durchweg liebevolle Zartheit, im Verkehr ein durchaus anständiger Ton, ja selbst
im alltäglichen Gespräch drückt sich der Serbe in blumenreichen, oft poetischen Formen aus.
Tie Frau ist gehorsam, emsig, freundlich; sie steht früh auf und geht spät zu Bette,
sie ist häuslich, ergeben und züchtig. Sanftmuth und Glut mischen sich in ihren: Gemüth.
Heiratet sie, so altert sie auch bald, wie alle Frauen des Ostens. In einem serbischen
Volksliede heißt es:
„Mädchen ist ein Röslein zart,
Doch nur bis es sich gepaart.
Kaum daß es gefolgt dem Gatten,
Muß es welken, muß ermatten."
Die Serbin liebt den Putz und ist geschickt in Handarbeiten; jeder Zweig der Haus
industrie findet bei ihr eifrige Pflege. Alte Überlieferungen werden nicht nur sorgsam