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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Galizien

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wenn dieser etwa dvrt badet, wv er sitzt. Diese Wassergeister kriechen manchmal aus dem 
Wasser und gehen auf der Erde umher. 
Außerordentlich reich ist der Antheil der Legende am Sagenschatz des Polnischen 
Volkes. Die heilige Familie, Jesus Christus, die Apostel und namentlich der heilige 
Petrus, die Gottesmutter, die Heiligen beiderlei Geschlechts und vornehmlich die von 
polnischer Herkunft, wie der heilige Stanislaus, die heilige Kunigunde, der heilige Jazek, 
Johann Kanty, der heilige Kazimir, ferner die durch Ablässe oder Wunder berühmt 
gewordenen Orte, das sind die unerschöpflichen Quellen der frommen Legenden. 
Einer ganz besonderen Ehrung erfreut sich im polnischen Volke die heilige Gottes 
mutter. Sie ist Königin der polnischen Krone; das erste polnische Lied, das der heilige 
Adalbert auf sie verfaßte, wurde viele Jahrhunderte hindurch als Schlachtgesang von 
den Polnischen Rittern vor jedem Kampfe gesungen. Darum hat auch das polnische Volk 
diese Königin des Himmels und der Erde mit ganz besonderer Liebe umfangen und tausend 
fältige Legenden über sie geschaffen. Ein kleiner Brnchtheil davon ist, als besondere 
Sammlung unter dem Titel „Die Königin des Himmels" in der Bearbeitung 
von Gawalewicz und mit herrlichen Illustrationen von Stachiewicz versehen, soeben 
erschienen. Wir haben diesen Gegenstand bereits zuvor berührt, hier also nur eine kleine 
Ergänzung. 
In alten Zeiten ging es den Menschen gut, da das Getreide ganz anders gedieh, 
als heute. Die Ähren reichten vom Boden hinauf bis zur Spitze und es gab keine leeren 
Halme. Allein wie der Überfluß die Menschen immer verdirbt, so geschah es auch hier. 
Die Leute vergaßen auf Gott und auf die Armen. Die heilige Gottesmutter, barmherzig 
wie sie immer war, wollte sich davon überzeugen, ob denn die Menschen wirklich so schlecht 
seien. So begab sie sich denn mit dem Jesukindlein auf dem Arme in ein Dorf und ging 
dort lim Almosen bittend von Haus zu Haus. Überall wurde sie abgewiesen und Mancher 
rief ihr auch noch ein böses Wort nach. Da ging die heilige Gottesmutter sehr betrübt zum 
Torf hinaus und über den Feldweg zum nächsten Dorfe, im Glauben, daß dort die Leute 
wohl besser sein würden. Aber Jesus wußte Wohl, daß in diesem zweiten Dorfe die Leute 
ganz ebenso gottlos und verhärtet sein würden als sonst Ivo, als überall. So sagte er: 
„Man muß ihnen das Brod weniger werden lassen, dann werden sie besser werden." Und 
schon wollte der Herr das Getreide in Gras verwandeln oder nur leere Halme wachsen 
lassen, allein die heiligste Mutter fühlte noch immer Erbarmen mit den Menschen und da 
faßte sie gerade in diesem Augenblicke eine Weizenähre oben mit ihrem Händchen an. Was 
sie mit der Hand umfangen hielt, das blieb Ähre, das Übrige verwandelte sich in einen 
Halm und seither haben die Feldfrüchte nur in ihren obern Theilen Ähren und nicht so 
wie ehemals vom Boden ans bis hinauf.
	        
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