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Objekt: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 12)

form komponiert, nicht auf seine eigentümliche Bewegungs- und Falteigenschaft angelegt, 
sondern die Modekünstler der Zeit begnügten sich, auf diesem Halbrund eine Probe ihrer 
Spezialität niederzulegen. Der Tiermaler setzte Eisbären oder Gemsen darauf, der Marine- 
maler ein Schiff im Seesturm. So ergaben sich meist Dekorationen, die unserem strengeren 
sachlichen Gefühl sehr deplaciert und mißverstanden erscheinen. 
Vereinzelt nur entdeckt man auch sinnvollere, aus dem Wesen des Gegenstandes 
abgeleiteteAusschmückung. So haben Meyerhein wie Grützner Stabfächer so verziert, daß sie 
jedem Stab seine eigene Darstellung gaben. Zum Beispiel trägt der Zauberflötenfacher auf 
jedem Stab eine Figurine der Oper. Das entspricht der Eigenschaft der Zusammenfaltung 
gut und ermöglicht durch die mannigfachen Verschiebungsmöglichkeiten der Stäbe 
szenische Verwandlungen und Kombinationen, die gut zu dem theatralischen Dekor 
passen. 
Passini gewann aus der Bogenlinie des Fächers das Motiv eines hochgewölbten 
Rialtobrückenbogens, über den venezianische Staffage zieht. Diese Brückenanlage mit 
ihrer aufsteigenden, im Mittelhöhepunkt breiterweiterten, dann sich wieder absenkenden 
Komposition ist sehr derFächeranlage gemäß und erlaubt ein zwangsloses, ganz natürliches 
Eingliedern der Personen. Freilich bleibt das Bedenken einer für den leichten Fächer- 
charakter stofilich etwas lastenden Darstellung. 
Die angewandte Kunst unserer Tage hat sich erst jetzt auf den Fächer be- 
sonnen. Sie in ihrer ausgesprochenen Nutz- und Zwecktendenz hatte in ihren ersten 
Jahren für die Luxusdinge weniger Zeit. Wenn sie heute den Fächer, den Liebling 
schöner und reicher Vergangenheiten, sich wieder vornimmt, so war es vorauszusehen, 
daß sie nicht auf die äußerliche Auszierung, sondern auf eine künstlerisch schmackhaft 
zum Ausdruck gebrachte Formgestaltung ausgehen würde, auf eine Betonung der 
bezeichnenden Fächereigenschaften durch ornamentale Akzente. 
Solche organische Schmuckphysiognomie tragen denn auch die meisten Fächer in 
der modernen Abteilung dieser Ausstellung. 
Ganz selten ist die sinnlose und formwidrige Verpflanzung eines beliebigen 
malerischen Motivs auf das Fächerblatt. Bei der Mehrzahl merkt man durchaus, daß ihre 
Behandlung sich logisch aus dem zubehandelnden Objekt ergeben hat. Am konsequentesten 
erfüllt sich das bei van de Velde, dessen Fächer nach seinen Entwürfen im Weimarer 
Paulinenstift gestickt wurden. 
Van de Velde geht von der Erwägung des Teil- und Faltcharakters aus. Er wählt 
also kein über die ganze Fläche ausgebreitetes Motiv, das beim Zusammenklappen zer- 
schnitten und verschoben wird, sondern er behandelt den einzelnen Stab. Seinen Lauf 
bezeichnet er auf der seidenen Bespannung durch ein gesticktes, sich nach oben 
verbreiterndes Liniengebilde. Diese Ausschmückung bedeutet einen charakteristischen, in 
Zierform umgesetzten Ausdruck für das Gefüge des Fächerkörpers. Und einen Steigerungs- 
reiz empfängt diese logisch-ornamentale Handschrift noch durch die Farbentönung. Violett 
und goldbraun schimmern die gestickten Linien; und fast noch bestechender als der 
Meister wirkt seine Schülerin E. v. Scheel in Weimar, die in gleicher Art Perlmutter- 
silbertöne mit zartem Grün mischt. 
Ohne solch formale Strenge im freieren Schalten geben sich die malerischen 
Fächerkünste. Aber sie behalten immer im Auge, daß ein Rondell auszufüllen ist. Für 
solche Fläche ergibt sich als ein dankbares Motiv schwebendes Tanzen. So ordnet zum 
Beispiel Christiansen, dem l-Ialbrund des Stabgitters folgend, einen Chorreigen an. Freier 
und mit leichterer Hand noch läßt Ludwig von Hofmann im Raum farbige liörige 
Wolkenschleier wehen und in der Mitte taucht aus den Schirnmerwogen ein diony- 
sisches Paar. 
Man hat bei diesem Fächer mit seiner auf- und abflutenden koloristischen 
Sinfonie das Gefühl, daß sein Komponist an das Auf und Ab der Fächerbewegung 
gedacht hat, durch die jene changierende Wirkung noch verstärkt wird. Gleiche Absichten
	        
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