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durch rohe Barbaren betrachten kann. Die türkische Cultur war eine semitisch-orientalische,
die sich mit byzantinischen Überlieferungen durchtränkt hatte; sie stand viel höher als die
der südslavischen Kleinstaaten und bot Anfangs viel mehr Sicherheit, als das altbosnische
Raubritterthum. Erst mit dem gänzlichen Verdorren ihrer anfangs kräftigen Wurzeln nach
400 Jahren kam die natürliche Lage dieser Ländergebiete durch Anlehnung an den Westen
zur Geltung. Die Türken mit ihrer centralen Verwaltung sind als die Schöpfer des
heutigen einheitlichen Bosniens zu betrachten. Diese Vereinigung geschah natürlich auch
nur nach allmüligem Fortschreiten der türkischen Macht und konnte erst dann vollständig
zum Ausdrucke gelangen, als das letzte Bollwerk des christlichen Westens, Ofen sammt
Ungarn, gefallen war. Aus diesem Grunde endet die bosnische Sondergeschichte nicht mit
der Ermordung des letzten Königs, sondern erst nach der Schlacht bei Mohäcs (1526)
und nach dem Falle der berühmten Festung Jajce (1528).
An die Stelle des bosnischen Vasallen-Königthums trat unter König Mathias
Corvinns die unmittelbare ungarische Herrschaft, welche ungefähr 60 Jahre hindurch einen
großen (den nördlichen und nordwestlichen Theil) des einstigen bosnischen Königreiches als -
militärischen Schutzwall des eigenen Staatsgebietes zu vertheidigen wußte.
Kaum war Bosnien gefallen, so hielt es König Mathias Corvinus für seine erste
Pflicht, die Südgrenze seines Reiches persönlich zu vertheidigen. Schon im Herbste des
Jahres 1463 drang er mit seinem Heere in die bosnische Krajina (Kreis Bihak, Banjaluka,
Jajce) ein, offenbar in der Einsicht, daß seine eigenen Landesgrenzen die nächste Etappe
der türkischen Eroberer bilden würden. Diese Voraussetzung wurde durch die Plünderung
der unteren Donau- und Savegegenden bestätigt. Darum eroberte er zuerst die serbischen
Ufergegenden und ging dann mit ausgeruhten Truppen nach Bosnien. Schlechte Wege
und ein rauher Winter bereiteten seinem Heere viele Schwierigkeiten; doch eroberte er
nach dreimonatlichen Kämpfen Jajce, die alte Festung Hervojas, und machte sich das ganze
Gebiet unterthan. Er fühlte die Wichtigkeit dieses Besitzes; „denn die Wunden", sagte er
in seinem Briefe an Papst Pius II., „welche der Christenheit durch den Ruin Bosniens
zugefügt wurden, können nun geheilt werden. Diese Wunde berührte nicht nur die
Schultern Europas, sondern drohte bis zum Herzen desselben zu gelangen und hätte bald
das Ganze ergriffen".
Der Papst und die Christenheit frohlockten in dem Maße, als sie über den Fall
Bosniens betrübt gewesen. Der alte Optimismus der Päpste schien wieder aufzuleben.
Doch Mathias, der die Politischen Verhältnisse des Orients gründlich kannte, fühlte die
Schwierigkeiten seiner militärischen Action; und er, der später die damals besten
Fußtruppen Europas, die Cechen, bezwang, sagt mit vollem Rechte dem Papste, daß er
vor der neuen türkischen Belagerung Jajces gründliche Furcht hege. „Wie wird diese