gleichem Durchmesser empfangen dann die Perlenschneider (tagliatori) um sie in bei der
Schmelzenfabrikation beschriebener Weise in Fragmente von bestimmter, dem Durchmesser
des Rohres nahezu gleicher Länge zu zerschneiden. Obschon, wie erwähnt, für letztere Arbeit
bereits 1822 von Longo eine Maschine construirt worden, die seitdem auch von manchen Fa
briken angewandt wird, sind Kenner der venetianischen Industrie noch im Zweifel darüber, ob
nicht die Zertheilung durch Handarbeit, die sich noch bis auf den heutigen Tag mehrfach in Aus
übung erhalten, der mechanischen vorzuziehen. [So nach: Les verreries de Murano (Les gran-
des usines. Paris, Levy. 9, 57 bis 80), das hier mehrfach benutzt, der Abbe Zanetti. Busso
li n ’ s Monographie: „Les celebres verreries de Venise et de Murano“ (1846), die B o n t e m p s ci-
tirt, existirt angeblich nicht im Buchhandel.]
Die bei der Zertheilung gewonnenen schmelzenartigen Rohrabschnitte werden nun durch ein
von den schizzadori besorgtes Sieben, bei dem Splitter und zu kleine Stücke durch das Sieb
durchfallen, in ziemlich gleicher Größe erhalten, und gehen dann in die Hände der tubantiüber,
deren Aufgabe es ist, die scharfen Kanten derselben durch Schmelzung abzurunden. Bis zum
Jahre 1817 geschah dieses durchgängig auf einer kupfernen offenen Pfanne (ferraccia), auf der
die, mit Kohlenpulver untermengten, rohen Perlen in einem Flammofen stark erhitzt, und hierbei
mit einem langen eisernen Spatel fortwährend gerührt wurden. Die zur Zeit übliche Art des Rund-
schmelzens ist eine Vervollkommnung, die die Perlenindustrie dem Muranesen Luigi Pusi-
nich verdankt.
Die abzurundenden Röhrenabschnitte werden zunächst mit einem leicht angefeuchteten Ge
menge von Kohlen= und Kalkpulver gemischt und durchgearbeitet, wobei sich ihre Höhlungen
mit dieser Masse füllen und hierdurch vor dem Festschmelzen gesichert werden; alsdann wer
den sie in Cylinder von starkem Eisen= oder Kupferblech gebracht, Kohlenpulver und Sand, die
das Aneinanderbacken der zu erweichenden Perlen verhindern, mit aufgegeben, der Cylinder,
von dem die tubanti ihren Namen führen, nebst Inhalt in einem Ofen stark erhitzt und hierbei an
dauernd in Rotation erhalten. Das Glas der leichtschmelzbaren Perle erweicht hierbei und seine
scharfen Kanten runden sich ab. Ist dieses geschehen, so läßt man den zunächst noch fortge
drehten Cylinder langsam erkalten, schüttet dann seinen Inhalt aus, und trennt die Perlen von
Kohlenpulver, Kalk und Sand durch Absieben der letzteren. Durch weiteres Behandeln auf Sie
ben von verschiedener Maschenweite werden dann die abgerundeten Perlen durch die governa-
dori ihrer Größe nach sortirt und bedürfen jetzt nur noch einer leichten Politur, die ihnen die lu-
stradori geben, indem sie sie zunächst mit Sand gemengt in einem Sacke schlagen, hierdurch
abschleifen und ihre Oeffnungen von der Kalk=Kohlen=Füllung befreien, dann den Sand absie
ben, ihn durch Weizenkleie ersetzen, wieder andauernd schlagen, und die Perlen hierdurch po
lieren.
Nach dem Absieben der Kleie gehen die nunmehr fertigen Perlen wieder in die Hände von
Frauen über, um von denselben (infilzatrici) aufgereiht, und hierdurch in die für den Handel übli
che Form von Schnurbunden (dodezine, masse) gebracht zu werden. -
Von nicht untergeordneter Bedeutung für die muranische Glasindustrie, als die Stickperlenfabri
kation ist, bereits seit Marco Polo’s Reisen, die Fabrikation der großen buntfarbigen
Glasperlen gewesen, deren Product in alter Zeit mit den imitirten Steinen unter der Bezeich
nung „margarita“, in neuerer Zeit als conteria zusammengefaßt, von Christoforo Briani und
Dominico Miotte angeblich zuerst geliefert, unter anderen als Tauschartikel nach Bassora,
sowie als Rosenkränze nach Palästina ging, und noch heute einen nicht unbedeutenden Han
delsartikel bildet. Ein großer Theil der hierher gehörigen Waaren, die „Markasitperlen“, „Barock
perlen“, die „gewickelten“ u. s. w. sind Producte der Glasbläserei vor der Lampe, und
können daher, als solche dem Kleingewerbe angehörend, hier übergangen werden, wichtiger ist
für uns die fabrikmäßig betriebene Herstellung der massiven sogenannten „Paterin“, die auch
auf deutschem Boden, so im Fichtelgebirge (Steinach, Bischoffsgrün, Eberndorff, Warmenstein-
ach) eine zweite Heimath gefunden hat. Lieber diesen Fabrikationszweig haben Fr. Schmid
[Bayer. Kunst= und Gewerbeblatt 1861, S. 285] und Sackur [Dingler’s Journal 159 (1861), 214,
nach Breslauer Gewerbeblatt 6, 203] interessante Mittheilungen gemacht. Die Technik ist von
der bisher besprochenen gänzlich abweichend, schließt sich dagegen an eine Arbeitsweise, die
schon Theophilus als zur Anfertigung von Glasringen (erweiterten massiven Perlen, die als
billiger Schmuck im Mittelalter sehr verbreitet) zu seiner Zeit im Gebrauche, beschreibt [Diversa
rum artium schedula 2, 31], eng an. Wenn die zur Anfertigung solcher Perlen bestimmte Glas-
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