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genannte Beispiel gem2ihnende, leicht konvexe Wölbung der Grund
fläche, die sich etwa der Krümmung einer Kirchensäule hätte an
schmiegen können. Stilgeschichtlich eine charakteristische Kreuzung
Nürnberger und unterfränkischer Wesenselemente. Das Antlitz der
Madonna, das im Schnitt der ein wenig hervorquellenden Augen
unzweideutig die Beeinflussung durch die Stoß-Schule verrät, unmittel
bar von einer Marienkrönung des Germanischen Museums (Katalog
Josephi Nr. 269, T. XXVII) herzuleiten, die in der Form der Kronen
und der Gewandborten auch äußerliche Vergleichsmerkmale liefert; die
Wolkenbildung sichtlich von Dürers „Apokalypse“ angeregt. Dagegen
sind Gewandstil und Faltengebung sowie die Kopftyoen Gottvaters
und Christi in Unterfranken, und zwar in der Nähe Riemenschneiders
beheimatet. Der relativ späte Zeitansatz trotz der altertümlichen Er
scheinung der beiden männlichen Gestalten im Hinblick auf das
renaissancemäßige Auftreten der Putten und die im gleichen Sinne
erfolgte Weiterentwicklung des starren Kompositionsschemas. Eine
dritte Marienkrönung in der Klosterkirche zu Kirchheim am Ries, die
eine Art Mittelstellung zwischen der Nürnberger und der Wiener
Gruppe einnimmt, kommt besonders in den Kopftypen dem Wiener
Stücke sehr nahe (abgebildet bei E. Wiese im Jahrbuch für Kunst
wissenschaft, Jahrgang 1923, S. 162, T. 67, Nr. 5).
Literatur: K. Rathe, Bildwerke aus vier Jahrhunderten aus dem Besitz
der Kunsthandlung Gustav Nebehay, Wien, s. a. (1922), Nr. X (mit
Abbildung).
177. DIE HEILIGE ANNA SELBDRITT (Abb. 29)
Wandgruppe aus Lindenholz, die Rückseite ausgehöhlt.
Die vermutlich im Verlaufe des XIX. Jahrhunderts mit
grauer Ölfarbe übertünchte Skulptur wurde seit ihrer
ersten Veröffentlichung nochmals mit einer gelblichen,
jüngst hie und da probeweise wiederum entfernten Öl
farbe überstrichen. Da die häßliche moderne Bemalung
durch die Verunklärung der Form die Gesamtwirkung
wesentlich beeinträchtigt und zudem vorsichtige
Reinigungsversuche — z. B. am Hinterkopfe der Haupt-