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Natürlich wurden die »schockierenden« Aktivitäten der
Künstler oft als Teil des Lebenstils der jüngeren Genera
tion und nicht als Kunst verstanden, wogegen die Künst
ler aber im Grunde nichts hatten. Akasegawa erinnert
sich: »Außerdem waren die Feature-Redaktionen der
Wochenzeitschriften hinter uns her, um ihre Klatschspal
ten zu füllen, und die Künstler des Neo-Dadaismus hat
ten auch den Mut, darauf einzugehen. Das beliebteste
Objekt der Photographen war natürlich Ushio Shinohara
mit seinem Irokesenschnitt. Shinohara gab des öfteren
damit an, daß ihn wieder soundsoviele Magazine in einer
Woche interviewt hatten, und zählte sie an seinen Fin
gern auf. Vulgär wie die Medien waren, forderten sie uns
heraus, immer neue Materialien benutzen.«'f Da die
“Yomiuri Independant«-Ausstellung von Yomiuri Shim-
bun, dem größten Zeitungsverlag in Japan, gefördert
wurde, war die Anerkennung auf der Ausstellung ebenso
wichtig wie der Erfolg bei der Presse. Für die Künstler
bedeutete dies schlichtweg mehr Publicity.
Die Künstler suchten außerdem aktiv den Kontakt mit
Kunstkritikern, sowohl mit bereits bekannten wie Shuzo
Takiguchi als auch mit jüngeren wie Yoshiaki Tono und
Yusuke Nakahara. Viele der Kritiker suchten wiederum
die Künstler in ihren Ateliers oder bei Ausstellungen auf
und ließen sich auf Diskussionen über das Konzept der
»Anti-Kunst« ein. Auch bei dem sogenannten »Tausend-
Yen-Schein-Prozeß« spielten die Kritiker eine wichtige
Rolle: Sie wurden von der Verteidigung als Zeugen gela
den und traten für die Künstler ein. Trotz ihrer antiauto
ritären Flaltung verstanden sich die Neo-Dadaism Orga
nizers im Grunde jedoch als Elite der »Yomiuri Indepen-
dant«-Künstler, und ihre Beziehung zu den Kritikern war
ihnen wichtiger als das Verständnis einer breiten Öffent-
lichkeit.'^2
Die Vorgangsweise des Fli Red Center (dessen eigentli
che Aktivitäten erst nach dem Ende der »Yomiuri Inde-
pendant«-Ausstellung begannen) unterschied sich völlig
von jener der »Yomiuri Independant«-Künstler, die durch
Aggression, Abwertung des Objekts im Gegensatz zur
Aktion und starke Einbeziehung der Medien gekenn
PSYCHE JOURNAL, AUGUST, 1967 ADONIS
CAIALOGUt Ot SHZtP WORKS
Genpei Akasegawa, Tausend-Yen-Schein-ProzeB, 1967
zeichnet war. Für das Fti Red Center spielte das Objekt
eine wichtige Rolle. Auf der »Yomiuri Independant«-Aus-
stellung präsentierten die führenden Mitglieder - Taka-
matsu, Akasegawa und Nakanishi - Schnüre, Glasscher
ben und eine Unmenge von Wäscheklammern: Die
Schnüre und Wäscheklammern wurden von den Fiänden
der Betrachter im Galerieraum verteilt, und die Glas
scherben riefen bei den Besuchern das unangenehme
Gefühl hervor, sich geschnitten zu haben. Alle Aktionen
bezogen das Publikum direkt mit ein.
Während die Objekte von Shinohara und anderen die
Spuren einer körperlichen Auseinandersetzung des
Künstlers mit dem Material trugen, blieben die Arbeiten
des Fli Red Center anonym. Statt dessen wurde die
Beziehung zwischen Künstler und Betrachter ein Thema.
Bevor die eigentlichen Aktivitäten begannen, veranstal
teten Akasegawa und andere Mitglieder ein Happening,
in dem sie vor den Augen eines hungrigen Publikums
ihr Abendessen verzehrten. Das erklärte Ziel war, die
Zuschauer zu provozieren. In Hinblick auf die Beziehung
zum Objekt ist Akasegawas Bemerkung: »Ich mache
mich zum Objekt, um mein Gegenüber herauszufor-
dern«''2^ aufschlußreich. Nakanishi (und andere) schmink-
41 Genpei Akasegawa, Imaya akushon aru nomi! Yomiuri andepan-
dan to iu gensho (Nur die Aktion zähit! Das »Yomiuri indepen-
dant—Phänomen),Tokio 1985, S. 149.
42 Zitat von Raiji Kuroda, ibid., S. 9. Auch die Zero Dimension
Gruppe und die Künstier der »Yomiuri Independant«-Aussteilung
kritisierten die eiitäre Einstellung der Neo-Dadaism Organizers.
43 Genpei Akasegawa, »Zadankai: Chokusetsu kodoron no kizashi
ii« (Diskussion: Ein Symptom direkter Aktion li), in: Keisho, 8,
1962.