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Malerei. Sie decorirte, es ist wahr, aber wenig in einem wahrhaft reli-
giösen Sinne.
In Italien war wenigstens das Material der ornamentalen Decoration
ein solides, und der Nordländer staunt nicht wenig, wenn er die ganze
Innenarchitektur der Kirche mit farbiger Marmorincrustation überdeckt
sieht. Die Entstehung dieser Technik der Wandbekleidung ist uralt und
führt uns in die Zeit Alexanders des Großen und seiner Nachfolger
zurück, da die reichen Hellenisten des Orients ihre Gemächer und Hallen
in dieser Weise verzierten. Ihrem Beispiele folgten die Großen Roms,
und von Rom ging diese Technik in die christliche Kirche hinüber, wo
sie allerdings von der Glasmosaik in Schatten gestellt wurde, welche der
Marmormosaik nur die unteren Flächen zur Verzierung übrig ließ, so
die Sockel, die Schranken und Geländer. In Byzanz wurde diese Kunst
mit besonderer Feinheit und Geschicklichkeit-geübt und zu überaus zier-
lichen geometrischen oder verschlungenen Mustern verwendet. Byzanz
lehrte sie den Arabern, welche den Marmor durch glasirte Fliesen
ersetzten. Von solcher feinen byzantinischen Art aus dem frühen Mittel-
alter gibt das Innere von San Miniato auf der Höhe bei Florenz noch
ein ausgezeichnetes Beispiel. Derber, doch auch hierher gehörig, ist die
Art, wie z. B. das Innere des Domes von Pisa abwechselnd mit horizon-
talen Streifen von schwarzem und weißem Marmor geschmückt ist. Eine
Specialität solcher. lncrustation ist diejenige, welche sich nach der Mo-
saicistenfamilie der Kosmaten benennt und farbige Glaspasten mit Marmor
und Halbedelsteinen verbindet. Sie umzieht in zierlicher geometrischer
Zusammenstellung vorzugsweise die gewundenen Säulen der Kreuzgänge,
wie San Giovanni im Lateran noch ein schönes Beispiel zeigt.
Als im fünfzehnten Jahrhundert die Malerei zu ihrer Höhe und
Vollendung emporstieg, da trat diese doch einigermaßen mühsame und
zugleich kostbare Art der Verzierung zurück. Die Malerei, auch die orna-
mentale, zeigte sich erfolgreicher und entsprach mehr dem Zeitgeschmack-
Denn nun, mit dem Wiederauffinden antiker Wanddecorationen auf
römischem Boden, drang auch die ganze Fülle antiker Ornamentmotive,
die geflügelten Genien, die phantastischen Menschen- und Thierbilder,
nackte Gestalten, Embleme und Instrumente in die Malerei.
In der Kirche spielt sie dann gar oft eine höchst merkwürdige,_und
auffallende Rolle. Wenn wir sie in der berühmten Galerie des Vaticans
erblicken in Verbindung mit jenen christlichen Bildern, welche man die
Bibel RafaeYs zu nennen pßegt, nun, wir denken, das ist in einem
Palaste, dessen Wände Schmuck verlangen, und wir nehmen nicht viel
Anstoß, wenn in der Nähe der biblischen Gegenstände allerlei wirkliches
und phantastisches Gethier sein Wesen treibt. Anders und mindestens
doch höchst sonderbar ist es z. B. in jener hochberühmten Capelle von
San Domenico in Siena, welche Sodoma mit seinen Bildern aus dem
Leben der heiligen Katharina ausgeschmückt hat. Nichts kann ergrei-