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punkte aus. Der Imitator erster Art verbirgt seinen Namen, scheut die
Oeifentlichkeit; er hat eine Ahnung davon, dass er missbraucht wird; oft
gibt er sich zum Missbrauch mit Bewusstsein her. Er steht mit der leben-
digen Kunst in keinem Zusammenhange; die erfxndende Ader in seiner
Phantasie ist erstorben, er lebt das Leben eines geistigen Sclaven und
muss sich in mehr als Einem Falle eine sclavenartige harte Behandlung
gefallen lassen. Anders ist es in den grossen Instituten, die wie die beiden
früher genannten ein lebendiges Glied der modernen Kunstindustrie-
sind. Die Arbeiter sind freie Menschen, offene Mitarbeiter zu öffentlichen
Zwecken. Der künstlerische Geist in den Ateliers in Mnrano musste
geweckt werden, um dort den Fortschritt anznbabnen; in der Fayence-
und Porcellanfabrik zu Doccia muss jeder Arbeiter jetzt einen ganz-
jährigen Zeichennnterricht durchgemacht haben, bevor er als Arbeiter
in die Fabrik aufgenommen wird.
Allerdings wendet sich auch jetzt die Sache der Imitatoren zu Bes-
sercm. Die öffentliche Meinung und das Gewissen Einzelner drängt die
heimlichen Ateliers an das volle Licht des Tages. Manche von don treff-
lichen Kräften der Imitatoren treten ans den verborgenen Werkstätten
der Fälscher in die selbstständige und freie Kunstindustrie über; die Kunst
händler werden Fabrikanten, Erzeuger moderner Waaren in altem Style.
Die Besteller von Fälschungen oder von auf Täuschung berechneten Imi-
tationen sagen freilich zu ihrer Entschuldigung, sie werden durch den
Unverstand und die Unbildung vornebrner Besteller zu solchen Fil-
schungen genöthigt - Leute gewissen Sehlages wollen auch auf diesem
Gebiete betrogen sein. Manches Wahre liegt in diesen-Entschuldigung. Sorgen
also wir dafiir, dass der Unverstand und die Ünbildung geringer werde,
das Andere wird sich dann von selbst finden. So viel aber ist gewiss, dass
die imitatorischen Leistungen der modernen Kunstindustrie in Venedig
mit zu dem besten gehören, was daselbst auf kunstindustriellem Gebiete
geschatfen wird. Eine wesentliche Förderung dürfte die Kunstindustrie
in Venedig erfahren, wenn das Museo Correr in dem neu restaurirten
F ondaco dei Turchi untergebracht, und damit endlich einmal eine Zeichen-
und Modellirschule für Kunsthandwerker in Verbindung gesetzt sein wird.
Dass diese Kunsthandwerker ihre Fertigkeit bei den zahlreichen Restau-
rationen, die in Ausführung begriffen sind, auch auf dem Gebiete der Ar-
chitektur betbätigen, sieht jeder, der die Fncade der Marcuskirche an
der Piazza dei Leoncini, der Kirche Maria delY Orto, J. Donato in Mu-
rano u. s. f. betrachtet.
Was aber gegenwärtig in Venedig in hohem Grade entfällt, ist der
Mangel einer kunstwissenschaftlichen Literatur. Die letzten Jahre haben
einige hervorragende Kräfte, den um die Geschichte Venedigs hochver-
dienten (Jicogna, den gründlichen Kenner mittelalterlicher Münzkunde,
Herrn Lazzari, Direotor des Museo Correr, aus der Reihe der Lebenden