MAK

Volltext: Bericht über österreichisches Unterrichtswesen, aus Anlass der Weltausstellung 1873, II. Theil

248 
Mittelschulen: II. Deutsche Sprache und Literatur. 
5. Wackernagel Philipp: „Deutsches Lesebuch. I. Theil. Stuttgart.” Verlag 
von S. Gr. Liesching. 
6. Mozart J.: „Deutsches Lesebuch für die unteren Classen der Gymnasien.” 
4 Bände. Wien. Gerold. Allgemein approbirt. 
7. Pfannerer Maurus Dr.: „Deutsches Lesebuch für die unteren Classen der 
Gymnasien.” 4 Bände. Wien. ß. Lechner. Allgemein approbirt. 
8. Neumann A.: „Deutsches Lesebuch für die 1., 2., 3. und 4. Classe der 
Gymnasien und verwandten Anstalten mit sprachlichen und sachlichen Er 
klärungen. Unter Mitwirkung von Otto Gehlen, herausgegeben von 
A. Neumann. Wien. Beck’sche Universitäts - Buchhandlung ('Alfred Holder). 
Allgemein approbirt. 
Unter diesen Lesebüchern werden bereits seit mehreren Jahren fast nur 
mehr die 3 in Oesterreich hergestellten (Mozart, Pfannerer, Neumann) in den 
Schulen gebraucht. 
B. Im Ober-Gymnasium. 
Bericht von Professor Dr. Alois Egger in Wien. 
1. Gesetzliche Bestimmungen. 
Da der Schüler bereits im Unter-Gymnasium grammatische und ortho 
graphische Sicherheit im schriftlichen Gebrauche der Sprache erreicht haben 
soll, so bleibt dem Ober-Gymnasium einerseits die weitere stilistische Aus 
bildung, anderseits aber die Einführung in die Literaturkunde Vorbehalten. — 
Auf dieser Stufe gewinnt der deutsche Unterricht in Oesterreich eine 
ganz besondere Bedeutung dadurch, dass er auch der nichtdeutschen Jugend die 
reichen Schätze deutscher Geistesbildung eröffnet, und den Segen derselben 
allgemein verbreitet. 
Diese Stellung erhielt die deutsche Sprache erst mit dem Organisations- 
Entwürfe von 1849. Derselbe bezeichnet das Lehrziel folgendermassen: 
Ziel: 
a) Für Deutsche: Gewandtheit und stilistische Correctheit im schriftlichen und münd 
lichen Gebrauche der Sprache zum Ausdrucke des allmälich sich erweiternden Ge 
dankenkreises, historisch erweiterte Kenntniss der Sprache, historische und ästhetische 
Kenntniss des Bedeutendsten aus der Nationalliteratur, daraus sich entwickelnde 
Charakteristik der Hauptgattungen der prosaischen und poetischen Kunstformen (0. E. 
S. 28, §. 31.) 
b) Für Nichtdeutsche: Kenntniss der deutschen Sprache bis zur vollen Geläufigkeit 
und Sicherheit des Gebrauches und Vertrautheit mit dem bedeutendsten geist- und 
charakterbildenden Stoffe aus der Literatur. (U. M. E. 1856, Z. 5156.) 
Insoferne das Deutsche als die Muttersprache der Schüler gelehrt wird, 
gilt für diesen Unterricht die Forderung des Organisations-Entwurfes (Seite 28 
§. 32), dass er nicht bloss sprachliche Ausbildung anzustreben habe, sondern 
eine reiche Fülle geist- und charakterbildenden Stoffes in classischer oder min-
	            		
jB. Im Ober-Gymnasium. 1. Gesetzliche Bestimmungen. 249 destens tadelloser Form bieten und auf den Unterricht in sämmtlichcn anderen Gegenständen belebend, verknüpfend und theilweise ergänzend einwirken müsse. -— Lehrplan. Der Organisations-Entwurf von 1849 schreibt folgenden Lehr plan vor: Y. Classe, wöchentlich 2 Stunden. Deutsche Aufsätze; (1 Stunde), zu deren Aufgaben nunmehr auch der sich erweiternde philologische Unterricht Stoff bietet. In dieser und in den beiden folgenden Classen ist alle 14 Tage ein deutscher Aufsatz häuslich zu arbeiten; Lectüre (1 Stunde), einer Auswahl aus dem Mittelhochdeutschen. Den Haupttheil derselben bildet ein Auszug aus dem Nibelungen liede; dazu kommen Stücke aus den bedeutendsten Lyrikern. VI. Classe, wöchentlich 3 Stunden. Literaturgeschichte, (2 Stunden). Erstes Semester: Durch Mittheilung von Proben aus der ältesten deutschen Literatur ist eine allgemeine Kenntniss der Hauptveränderungen der Sprache zu gewinnen. Die Literaturgeschichte der Blüthezeit der epischen und lyrischen Dichtung des Mittelalters schliesst sich an die Lectüre des vorausgegangenen Jahres. Kurze Uebersicht der folgenden Zeit bis Opitz. — Zweites Semester: Lectüre mit Erklärung aus den bedeutendsten Werken der deutschen National-Literatur von Opitz bis Herder; daran sich schliessende übersichtliche Darstellung des minder Wichtigen. Deutsche Aufsätze, wöchentlich 1 Stunde zum Besprechen der Aufgaben und Zurück- geben der corrigirten Aufsätze. YII. Classe, wöchentlich 3 Stunden. Literaturgeschichte, 2 Stunden. Von Herder bis auf die neueste Zeit, in der für das 2. Semester der VI. Classe bezeichneten Weise. Memoriren und Vortrag von prosaischen und poetischen, besonders werthvollen Abschnitten. Deutsche Aufsätze, 1 Stunde. VIII. Classe, wöchentlich 3 Stunden. Literatur 1 Stunde. Die aus der Lectüre der classischen Sprachen und aus der deutschen Literatur den Schülern bekannt gewordenen Erscheinungen poetischer und pro saischer Bede sind zu Gruppen zu vereinigen, und so auf analytischem Wege, als Ergebniss aus der Kenntniss des Einzelnen, eine der Systematik sich annähernde Charakteristik der Hauptkunstgattungen zu geben. Deutsche Aufsätze, 1 Stunde; alle 2 oder 3 Wochen ein deutscher Aufsatz. Münd liche Vorträge eigener Ausarbeitungen durch die Schüler 1 Stunde. Der mit Unterrichts-Ministerial-Erlass vom 10. September 1855 kundge- maclite Lectionsplan aber enthält einige abweichende Bestimmungen: V. Classe, 2 Stunden wöchentlich. Hievon 1 Stunde Lectüre und Erklärung einer Auswahl von Musterstücken aus der neuesten Literatur; 1 Stunde Aufsätze. Alle 14 Tage ein Pensum. VI. Classe, 3 Stunden wöchentlich. 2 Stunden Lectüre und Erklärung einer Auswahl von Musterstücken aus der Literatur seit Opitz, mit gedrängter Uebersicht des Literarhistorischen. 1 Stunde Aufsätze. Alle 14 Tage ein Aufsatz als häusliche Arbeit. YII. Classe, 3 Stunden wöchentlich. 2 Stunden Fortsetzung und Schluss wie in der VI. Classe. Nach Umständen ausser dem in dieser oder in der VI. Classe: Lectüre einer Auswahl aus dem Mittel-Hochdeutschen, 1 Stunde Aufsätze. Alle 14 Tage ein Aufsatz als häusliche Arbeit. VIII. Classe, 3 Stunden wöchentlich. 2 Stunden Lectüre einer nach ästhetischen Gesichtspuncten geordneten Sammlung von Musterstücken in Verbindung mit analytischer Aesthetik. 1 Stunde Aufsätze. Alle 14 Tage oder 3 Wochen ein Aufsatz als häusliche Arbeit.
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.