MAK

Volltext: Bericht über österreichisches Unterrichtswesen, aus Anlass der Weltausstellung 1873, I. Theil: Geschichte, Organisation und Statistik des österreichischen Unterrichtswesens

22 
Allgemeine Schulordnung 1774. 
pecuniäre Anforderungen zu mehren, verzichtete man auf Sammlungen oder 
Steuern zu Gunsten der Schulen und war jeder Erhöhung des Schulgelds ab 
geneigt; man begnügte sich mit der Verlassenschafts-Taxe, einer Abgabe von 
Bällen, Schauspielen u. dgl., drängte die ständischen Corporationen und den 
Klerus zu Beiträgen, zog die Intercalar-Einkünfte geistlicher Beneficien und 
ein Drittheil der Ueherschüsse des Bruderschafts-Vermögens ein, und nahm 
fast überall den Ex-Jesuitenfond (Studienfond) in Anspruch, um die Lücken 
der Schulfonde zu ergänzen. 
Für die Errichtung der Hauptschulen gab die Auflassung vieler Gymnasien 
Baum, Mittel und Lehrkräfte; mitunter wurden auch Stifte und Klöster ver 
mocht, den Unterricht in den höheren Classen auf sich zu nehmen. Normal- 
mässig eingerichtete Mädchenschulen entstanden hauptsächlich hei den Klöstern 
der Ursulinerinnen, der regulirten Canonissinen u. s. w. Auch die erste israeli 
tische Hauptschule trat zu Görz in das Leben. — In Errichtung normalmässiger 
Trivial-Schulen ging die Kaiserin auf ihren Patrimonial- und Cameral-Herrschaften 
voran, und ihrem Beispiele folgten viele Kirchenfürsten und Grossgrundbesitzer, 
mehrere Städte und selbst Landgemeinden, zumal dort, wo die Geistlichkeit mit 
regem Eifer sich der Sache annahm. In Böhmen, für dessen gesammtes Volks 
schulwesen Kindermann als Oberaufseher rastlos thätig war, wurde auch zu 
erst die Verbindung der Volksschule mit der Industrieschule durchgeführt. 
Felbiger unterzog sich selbst einer Umarbeitung der schlesischen Schul 
bücher für die österreichischen Schulen. Nachdem diejenigen für den Eeligions- 
unterricht die Genehmigung des gesammten Episcopats und die Lesebücher 
durch Aufnahme namentlich belehrender Stücke über die Verhältnisse und 
Pflichten des bürgerlichen Lehens eine wesentliche Bereicherung erhalten hatten, 
traten sämmtliche neue Schulbücher im Laufe der Jahre 1775 und 1776 an 
das Licht und wurden durch eine eben so wichtige Beihe von Handbüchern, 
Hilfsmitteln und Instructionen für die heim Unterrichte thätigen Personen, so 
wie durch eine Anzahl apologetischer Schriften ergänzt. Die katechetischen 
Bücher wurden sofort in das Italienische, Cechische und Slovenische, alle Schul 
bücher der Trivialschulen in das Öechische übertragen. 
Selbst auf das kaum erst acquirirte Galizien erstreckte sich das Streben, 
für den dort fast nur dem Namen nach bekannten Volksunterricht eine neue 
Grundlage zu schaffen. Schon im Jahre 1774 übernahm Kindermann die Aus 
bildung galizischer Lehramts-Candidaten; Lemberg erhielt eine Schul-Commission 
und eine Normalschule, Eelbiger passte die Schulordnung den nationellen und 
confessionellen Verhältnissen des neuen Königreichs an; die Ucbersetzungen der 
Schulbücher in das Polnische und Euthenischo wurden in Angriff genommen. 
Als Maria Theresia am 29. November 1780 aus dem Leben schied, war mehr 
als die Hälfte der Schulen Oesterreichs „verbessert” und zählte 200.000 Zög 
linge aus allen Schichten der Gesellschaft, die reformirte Volksschule leuchtete 
denen anderer Staaten Europas voran.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.