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Allgemeine Schulordnung 1774.
pecuniäre Anforderungen zu mehren, verzichtete man auf Sammlungen oder
Steuern zu Gunsten der Schulen und war jeder Erhöhung des Schulgelds ab
geneigt; man begnügte sich mit der Verlassenschafts-Taxe, einer Abgabe von
Bällen, Schauspielen u. dgl., drängte die ständischen Corporationen und den
Klerus zu Beiträgen, zog die Intercalar-Einkünfte geistlicher Beneficien und
ein Drittheil der Ueherschüsse des Bruderschafts-Vermögens ein, und nahm
fast überall den Ex-Jesuitenfond (Studienfond) in Anspruch, um die Lücken
der Schulfonde zu ergänzen.
Für die Errichtung der Hauptschulen gab die Auflassung vieler Gymnasien
Baum, Mittel und Lehrkräfte; mitunter wurden auch Stifte und Klöster ver
mocht, den Unterricht in den höheren Classen auf sich zu nehmen. Normal-
mässig eingerichtete Mädchenschulen entstanden hauptsächlich hei den Klöstern
der Ursulinerinnen, der regulirten Canonissinen u. s. w. Auch die erste israeli
tische Hauptschule trat zu Görz in das Leben. — In Errichtung normalmässiger
Trivial-Schulen ging die Kaiserin auf ihren Patrimonial- und Cameral-Herrschaften
voran, und ihrem Beispiele folgten viele Kirchenfürsten und Grossgrundbesitzer,
mehrere Städte und selbst Landgemeinden, zumal dort, wo die Geistlichkeit mit
regem Eifer sich der Sache annahm. In Böhmen, für dessen gesammtes Volks
schulwesen Kindermann als Oberaufseher rastlos thätig war, wurde auch zu
erst die Verbindung der Volksschule mit der Industrieschule durchgeführt.
Felbiger unterzog sich selbst einer Umarbeitung der schlesischen Schul
bücher für die österreichischen Schulen. Nachdem diejenigen für den Eeligions-
unterricht die Genehmigung des gesammten Episcopats und die Lesebücher
durch Aufnahme namentlich belehrender Stücke über die Verhältnisse und
Pflichten des bürgerlichen Lehens eine wesentliche Bereicherung erhalten hatten,
traten sämmtliche neue Schulbücher im Laufe der Jahre 1775 und 1776 an
das Licht und wurden durch eine eben so wichtige Beihe von Handbüchern,
Hilfsmitteln und Instructionen für die heim Unterrichte thätigen Personen, so
wie durch eine Anzahl apologetischer Schriften ergänzt. Die katechetischen
Bücher wurden sofort in das Italienische, Cechische und Slovenische, alle Schul
bücher der Trivialschulen in das Öechische übertragen.
Selbst auf das kaum erst acquirirte Galizien erstreckte sich das Streben,
für den dort fast nur dem Namen nach bekannten Volksunterricht eine neue
Grundlage zu schaffen. Schon im Jahre 1774 übernahm Kindermann die Aus
bildung galizischer Lehramts-Candidaten; Lemberg erhielt eine Schul-Commission
und eine Normalschule, Eelbiger passte die Schulordnung den nationellen und
confessionellen Verhältnissen des neuen Königreichs an; die Ucbersetzungen der
Schulbücher in das Polnische und Euthenischo wurden in Angriff genommen.
Als Maria Theresia am 29. November 1780 aus dem Leben schied, war mehr
als die Hälfte der Schulen Oesterreichs „verbessert” und zählte 200.000 Zög
linge aus allen Schichten der Gesellschaft, die reformirte Volksschule leuchtete
denen anderer Staaten Europas voran.