Leistung befähigen, sie würde dieselben in den Stand setzen jedem
raschen Umschwung der Mode zu folgen und jeder darauf beruhenden
Krise auszuweichen. So schien die Aufnahme der alten Methoden
unter allen Umständen von Vortheil, sollte sie auch kein weiteres
Resultat haben als die Befähigung der Hand, die Besserung des Ge
schmacks und des Verständnisses.
Von diesem Standpunkt aus sind nun von dem Wiener Spitzen-
curs — ohne die herrschenden Methoden zu vernachlässigen — die
alten Spitzenarten wieder aufgenommen worden, und zwar in beiderlei
Technik, sowohl als Nadelspitze wie als Klöppelspitze. Die Ausstellung
des Spitzencurses im Oesterr. Museum gibt uns gewissermassen einen
Lehrgang in der Spitzengeschichte; wir können ihr folgen von der
zierlichen, sternförmigen, gezackten Reticella bis zur zarten Brabanter
Spitze und zur modernen Duchesse. Von den schwierigsten und müh
samsten Arten, von der venetianischen Rosenspitze und der gleich
zeitigen Relicfspitze linden wir Beispiele, die sich den schönsten Ar
beiten der alten Zeit an die Seite stellen können. Wir gedenken nur
derjenigen, welche der Frau Kronprinzessin Step h anie zu ihrer Ver
mählung vom Vereine zur Hebung der Spitzenindustrie zum Geschenk
gemacht wurden. In anderen einfacheren Arten seien die Spitzen für
die Fürstinnen Kinsky und Schwarzenberg und die Gräfin Clam-
G alias erwähnt, sowie verschiedene Arbeiten für die Frau Hofräthin
Storck.
Was alle Spitzen, die aus dem Wiener Curs hervorgehen, aus
zeichnet, das ist nicht blos die musterhafte Ausführung, sondern auch
die Schönheit der Zeichnung, welche, getreu der Technik, an die alten
Muster sich anschliesst und doch diese in der künstlerischen Compo-
sition vielfach übertrifft. Und das gilt insbesondere von den späteren
Arten. Denn so schöne Muster und Zeichnungen in ihrer verschiedenen
Weise die früheren Spitzen im sechzehnten und auch noch im sieb
zehnten Jahrhundert bieten, so liess doch die Zeichnung von dem
Moment nach, als in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts
sich die kräftige, bei aller Feinheit feste Arbeit, in die dünne und
überzarte, flattrige der französischen und Brabanter-Spitze verwandelte,
um endlich bei den unschönen, nichtssagenden Blümchen von Valen-
ciennes anzulangen. Hier kann der moderne Spitzenzeichner mehr und
besseres thun als der alte. Und so ist es geschehen.
Der gleiche Vorzug zeichnet fast durchgängig die Arbeiten sämmt-
licher Spitzenschulen in den Kronländern aus. Sie stehen ja heute alle
unter dem directen Einfluss des Wiener Curses, von dem sie Lehre
und Muster erhalten.
Sie üben aber fast durchgängig, mit Ausnahme der Schule von
Gossengrün, nur die eine Art, die Klöppelspitze, die feinere Arbeit der
Nadelspitze zumeist der Musteranstalt und ihren directen Schülerinnen