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Schnütgen:
hält, ein höchst dankbares mustergültiges Motiv. Dass die folgende Pe
riode, welche die eigentliche Glanzzeit des Einbandes bezeichnet, durch die
Einführung der Goldpressung und der Ledermosaik, auf der Ausstellung
so schwach vertreten ist, hat wohl vornehmlich darin seinen Grund, dass
diese Prachtexemplare nur selten einen kirchlichen Charakter haben. Das
Buch war inzwischen, dank der Erfindung der Buchdruckerkunst, zu einem
eigentlichen Gebrauchsgegenstande geworden und die grossen Fortschritte
auf dem Gebiete seiner Ausstattung, zu welchen der Orient den Weg ge
zeigt hatte, kam namentlich den hervorragenden Profanwelken zu gute,
die auf’s kostbarste einbinden zu lassen, eine Liebhaberei der Bibliophilen
wurde.
Die zweite Gruppe der Ausstellung umfasst: Textile Arbeiten,
namentlich alte Gewebe und Stickereien, auch mehrere Posamente und
Spitzen. Gewebe, die bis in das vorige Jahrtausend zurückreichen, gehörten
früher zu den allergrössten Seltenheiten. Seitdem aber die Nekropolen
der altkoptischen Christen in Aegypten untersucht worden sind, zählen
selbst solche Gewebe, die bis in die altchristliche Periode hinaufgehen, zu
Tausenden. Herr Theodor Graf in Wien hat im Jahr 1884 die erste
derartige Sammlung nach Europa gebracht und bald dem österreichischen
Museum für Kunst und Industrie überlassen, dem der bekannte Orienta
list Prof. Dr. Karabaezek zu ihr einen eingehenden wissenschaftlichen
Katalog anfertigte. Die glänzenden Erfolge des ersten Entdeckers hat
andere Forscher zu weiteren Untersuchungen angeregt, deren Resultate so
ergiebig waren, dass der Kunstmarkt, zumal der deutsche, mit ihnen ge
radezu überschwemmt ist. Fast alle Museen, namentlich die von Berlin
und Düsseldorf sind in den Besitz von umfassenden derartigen Sammlungen
gelangt, deren Erwerbung in der letzten Zeit nicht einmal erhebliche Opfer
forderte. Ob das Kunstgewerbe aus ihnen grossen Vortheil ziehen wird,
bleibt zweifelhaft. Die archäologische Wissenschaft aber wird sich noch
viel mit ihnen zu beschäftigen haben, und an ihrer Hand wohl zu ganz oder
theilweise neuen Anschauungen in Bezug auf die Entwickelung der lextil-
kunst gelangen. Wenn diese aber auf sicheren Grundlagen sich aufbauen
sollen, dann wird eine üeberwachung der Funde unbedingt erforderlich
sein. Hiergegen scheinen die Hauptausbeuter der Leichenfelder, als welche
schlaue Griechen und Araber angegeben werden, sich bis jetzt energisch
gesträubt zu haben. Sie haben ein Interesse daran, im Trüben zu fischen,
die Spuren zu verwischen, vielleicht gar absichtlich in die Irre zu führen.
Und doch kommt Alles darauf an, ganz zuverlässig zu erfahren, wo, unter
welchen Umständen, in welcher Verbindung die einzelnen Stoffe — um
diese handelt es sich hier ja zunächst — gefunden sind, die sich oft
gegenseitig zu erklären und zu bestimmen vermögen, wenn anders die
Gemeinschaftlichkeit ihrer Herkunft über jeden Zweifel erhaben ist. Als