Umfassungslinien der in den Seitenmitten unterbrochenen Kettenumrahmung
sind mit Silber ausgezogen. An den Ecken dieser Linien sitzen rote Perlen,
und das durchbrochene Leder ist mit ebensolchen roten Perlen geradezu
übersät. Die farbige Wirkung dieser Doublure muß einst außerordentlich
gewesen sein. Heute hat sie vom Gesamteindruck viel verloren, denn am
Ende des XVIII. Jahrhunderts wurde die um das Mittelfeld gehende (hier
nicht abgebildete) Umrahmung durch knallgelbe Vergoldung mit ganz stil-
widrigen Rokokostempeln elend verpatzt. Spuren davon sieht man an den
Ecken der Abbildung (Fig. z).
Der Besitzer dieser Handschrift war Johannes Marcanova, Professor
der schönen Literatur und Medizin, zuerst in Padua, dann in Bologna.
Schon im Jahre 1457 hatte er eine in der Literatur sehr bekannte Sammlung
von lateinischen Inschriften zusammengestellt und sie dem Herzog von
Cesena, Malatesta Novello gewidmet. Eine Abschrift davon aus dem
Jahre 1460 befindet sich auf der Stadtbibliothek zu Bern." Im Laufe der
Zeit vermehrte er die Sammlung so, daß er in Bologna eine zweite
Redaktion unternahm, die im Modeneser Kodex vorliegt, dessen Widmungs-
brief vom 1. Oktober 1465 datiert und an denselben Herzog von Cesena
gerichtet ist. Malatesta Novello, der schon längere Zeit kränkelte, starb am
20. November 14653" Das Buch dürfte sich damals beim Binden befunden
haben und nicht mehr in die Hände des Herzogs gelangt sein. Mommsenm"
und ihm folgend Dorez haben angenommen, daß sowohl die Berner als die
Modeneser Handschrift der Inschriftensammlung mit den übrigen Büchern
Marcanovas als Legat an das Augustinerkloster der regulierten Chorherren
von S. Giovanni di Verdara in Padua gelangtsei, wo der Verfasser seine
Tage 1467 beschlossen haben dürfte. Während aber in der Berner Hand-
schrift eine auf das Legat bezügliche Eintragungi" vorhanden ist, fehlt sie in
der Modeneser Handschrift. Die prächtige Ausstattung läßt schließen, daß
es sich um das Dedikationsexemplar der zweiten Ausgabe des Werkes
an den Herzog von Cesena handelt, das aus dem angeführten Grunde seiner
Bestimmung nicht mehr zugeführt wurde und so möglicherweise mit den
andern Büchern des Gelehrten in dem Augustinerkloster blieb oder dahin
kam, wenn auch, wie gesagt, das Fehlen der Schenkungsnotiz Bedenken
erregen könnte. War sie aber einmal im Besitz des Klosters, so dürfte sie
schon vor 1629 von dort abhanden gekommen sein. Pignoria sah sie schon
damals bei Giov. Vinc. Pinelli in Padua, der sie nach seiner Angabe aus dem
Kloster entliehen hatte, 11' und Tommasini führt sie in seinem Werk über
" Leon Dorez hat in seinem vortrefflichen Aufsatz in den Melanges G. B. De Rossi (Supplernent aux
Melanges därcheologie et d'histoire publiees par PBcole francaise de Rome, T. XII) Paris-Rome (1898), S. 124,
wahrscheinlich gemacht, daß in der Berner Handschrift B. 42 nicht das Autograph Marcanovas vorliege, wie
Mommsen annahm, sondern eine in seinem Auftrag und auf seine Kosten hergestellte Abschrift.
"' Pompeo Litta, Farniglie celebri, disp. 161, tav. XII.
"f" Corp. Inscr. Lat. III, p. XXIX. Dorez a. a. O. S. 124. Als Mommsen die Handschrift benutzte, war sie
signiert V. G. 13, auch De Rossi, lnscriptiones christiana urbis Roman II, pars I, 392 f., bezeichnet sie so; vorher
trug sie jedoch die Nummer Lax. 992; ferner XI. g. a, und heute ist sie, wie oben gesagt, mit a. I... 5. 15 bezeichnet.
1- Den Text einer solchen Notiz vergleiche bei Dorez S. 117.
H- Laur. Pignorius, Symbolarum epistolicurum lib. I, Patavii 1629, 8', p. 18.