Alois Vogel
DER MALER
FERDINAND STRANSKY
In einer Abhandlung über ein Bild von Herbert
Boeckl schreibt Fritz Novotny: „Die entwicklungs-
geschichtliche Wende, die das Ende des Impres-
sionismus bedeutet, läßt sich auch an einer neben
den radikalen Sinnveränderungen verhältnismäßig
äußerlich erscheinenden Eigenschaft der nach-
folgenden Malerei ermessen: an dem scheinbar
Gestaltlosen, Groben, Ungefügen der malerischen
Formungen". Was hier für ein Bild von Boeckl
zitiert wird, gilt zweifellos auch für Ferdinand
Stransky. Damit ist aber auch schon eine Kon-
kordanz angedeutet, die die Malweise Stranskys
von anderen Künstlern seiner Generation wieder
klar absetzt. Es ist das eine sehr direkte Arbeits-
weise, eine Arbeitsweise allein mit den Mitteln
der überkommenen Malerei, also mit der Farbe
auf der Fläche. Der Maler verläßt fast nie jene
Ebene, die gemeinhin als gegenständlich be-
zeichnet wird. Und das ist, wie es uns scheinen
will, durchaus kein Zufall. Meist neigen die
spirituellen, eher platonischen Naturen zu einer
dem Gegenstand entbundenen Gestaltung, die
kräftigen, mit dem Leben früh konfrontierten
Charaktere aber zu einer Manifestation der sicht-
baren, mit den Sinnen erfaßbaren Dinge. Kein
Zufall, daß viele der expressionistischen Künstler
soziale Mißstände aufzeigten und angriffen, daß
sich viele von ihnen für ihre Mitmenschen, die
Arbeiter, die Unterdrückten oder Ausgebeuteten
jener Zeiten engagierten. Es ist daher durchaus
auch kein Zufall, daß sich Stransky schon sehr
früh gerade für eine solche Malweise entschloß.
ln einer Zeit des wirtschaftlichen Notstandes,
am 16, September 1904, in Viehofen in der Nähe
St. Pöltens in Niederösterreich geboren, kam er
aus ärmlichsten Verhältnissen. Sein Großvater war
ein mährischer Wabergeselle, der in den achtziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts mit seiner Familie
hierher gewandert war, um in einer von Engländern
gegründeten Fabrik zu arbeiten. Auf Umwegen
kam der junge Ferdinand Stransky zu Professor
Seraphin Maurer, dem damaligen Leiter der
Restaurierungswerkstätte an der Akademie der
bildenden Künste in Wien. Der erfahrene Mann
erkannte das große Talent des Knaben und machte
sich erbötig, Stransky als Lehrling in sein Atelier
aufzunehmen. Hier wurde der junge Mensch nun
mit allem technischem Rüstzeug ausgestattet, das
er für den Beruf eines Restaurators brauchte.
Stransky fühlte sich aber bald vom deutschen
Expressionismus angezogen. Mit zweiundzwanzig
Jahren besuchte er im Volksbildungsheim Mar-
gareten den Kurs für Aktzeichnen.
ln jenen Jahren entstand ein Werk, das die Zeit
überdauerte. Es ist das bekannte Ölbild „Nieder-
österreichische Landschaft" aus dem Jahre 1925.
Robert Waissenberger sagt darüber: „Dieses Bild
kennzeichnet bereits deutlich die Begabung Strans-
kys und fällt vor allem durch die zarte Nuancierung
der so schwierig zu handhabenden Grün auf".
Daß Stransky vor diesen „so schwierig zu hand-
habenden" Couleurs nicht zurückscheut, sehen
wir immer wieder. Es scheint uns im Gegenteil,
daß gerade der Widerstand den Künstler reizt.
1937138 entstand ein großes Familienbild. Auch
in ihm herrschen die Grüntöne vor. Die beiden
Erwachsenen, eine Frau und ein Mann, stehen
fast in der Mitte des Bildes. Die Kinder, eines hat
die Mutter auf dem Arm, das andere steht an ihren
Leib gelehnt, konzentrieren die rechte Bildhälfte,
während der Mann in einem kleinen Abstand nach
links gerückt steht. Hinter den Menschen stuft
eine helle Fläche eine mit einem Tuch bedeckte
Tischplatte in den Raum, welcher, sonst leer,
1 Ferdinand Stransky, Die Familie, 1938. Öl auf Leinwand,
130x100 cm H
2 Ferdinand Stransky, Die Lege ll, 1950. Ol auf Holz,
74x90 cm. Kulturamt der Stadt Wien
ANMERKUNGEN 1. 2
' F. Novotny, um: das „elementar n der Kunstgeschichte
und andere Aufsätze, Wien 1968, S. 131,
' R. Waissenberger, Vorwort Katalog der Galerie Autodidakt,
Wien 1964.
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