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J. Steiger-Meyer in Herisau.
Diejenigen unter ihnen, welche blos auf den Erwerb des Web
stuhles angewiesen waren, haben sich meistens anderen Beschäftigungen,
besonders der Fabrikarbeit und der Stickerei zugewendet, weil die Fa
brikanten die Arbeitslöhne unmöglich mit den theuern Lebensbedürf
nissen in Einklang bringen konnten. Die jetzige Handweberei liegt daher
meistens in den Händen der Landwirthschaft, welche sich glücklich
schätzt, durch Hausverdienst zeitweise und namentlich im Winter die
überflüssigen Arbeitskräfte beschäftigen zu können.
Auch der Buntwebereifabrikation bietet die Erhaltung der Hand
weberei noch grosse Convenienz. Der mechanische Stuhl arbeitet aller
dings exacter, man kann für eine regelmässige Waare und genaues In
halten der übernommenen Lieferzeit garantiren, was bei der Handweberei
nicht möglich ist; dagegen hat der Fabrikant bei der Handweberei nicht
die erdrückende Last auf sich, durch dick und dünn bei schlechten wie
bei guten Zeiten fortarbeiten zu müssen, um sowohl den eingeschulten
Arbeiter nicht zu verlieren, als um die Maschinerie frisch zu erhalten,
wie diess beim mechanischen Stuhl der Fall ist; der Handweber ist
gefügiger und sich gewöhnt, periodisch unter einer schlechten Zeit mit
leiden zu müssen. Durch die Benutzung der mechanischen Zettlerei,
Spuhlerei und Schlichterei kann auch der Handweber bei mässigem Lohn
mit dem mechanischen Stuhl immer noch concuriren.
Der Export der Produkte wurde früher hauptsächlich durch Kauf
leute in St. Gallen vermittelt. Die betreffende Fabrikation hat sich aber
schon längst von dieser Vermittlung emancipirt und arbeitet direkt mit
dem Ausland.
Es ist lediglich diesem Schritt zu verdanken, dass diese Industrie sich
nicht nur erhalten, sondern bedeutend verbessern konnte.
Ein Artikel erträgt den Zwischenhändler nur so lange als zwischen
Produktionswerth und Verkauf eine genügende Marge liegt, um damit
beide Theile, Fabrikant und Händler, zu befriedigen; sobald aber eine
fremde Goncurrenz entsteht, welche direkt arbeitet, oder wenn das Be-
nefice durch andere Verhältnisse gedrückt wird, so muss sich der Zwi
schenhändler blos noch mit einer minimen Provision begnügen oder
besser ganz wegfallen, sonst wird die betreffende Industrie nach und
nach aussterben.
Der Absatz hat sich in den letzen 20 Jahren vielfach verändert;
das Gros der Buntwebereifabrikate ging seiner Zeit nach der Levante.
Schlimme Concurrenz der Schweizerfabrikanten unter sich und daher
rührende grenzenlose Verschlechterung der Waare nebst den schlimmen
Creditverhältnissen ruinirten aber das Geschäft gründlich.
Später wurden Canada, Nordamerika und Brasilien Hauptabneh
mer; theils der Wechsel der Mode, theils die Concurrenz der Druckwaa-
ren reduzirten aber nach einigen Jahren den Absatz auf ein unbedeu-