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Volltext: Die bildenden Künste der Gegenwart

Gruppe XXV. Die bildenden Künste der Gegenwart. 11 
abgeschnitten, eine desto grössere Regsamkeit entfaltete die Genre- 
und Landsehaftsmalerei. Man darf die Schicksale der Malerei mit jenen 
der dramatischen Poesie vergleichen. Auch hier fristet die Tragödie 
mühsam das Dasein und sammelt nur eine kleine gläubige Gemeinde 
um sich, dem Lustspiel dagegen scheint die Sonne der Volksgunst oder 
wenigstens die Gunst derjenigen Classen, welche der dramatischen 
Kunst das regste Interesse zuwenden. Es wäre aber Unrecht, über 
der Klage, dass die monumentale Malerei so sehr in den Hintergrund 
getreten ist, die Verdienste und die Bedeutung der Genremalerei völ 
lig zu vergessen. Sie verklärt, die Zustände des Alltagslebens, sie um 
hüllt auch das Kleine und Unbedeutende mit einem poetischen Schleier 
und weiss selbst dem Gewöhnlichen einen künstlerischen Reiz zu ent 
locken , ihr danken wir die Einführung eines reichen humoristischen 
Elementes, einer wirksamen Komik, einer Fülle lebensvoller Züge 
in unsere Kunst. Die Gefahr ist freilich vorhanden, dass die Schil 
derung des Kleinlebens zu einer Gleichgültigkeit gegen den Inhalt 
der Darstellung verleite und die Kunst zu einem müssigen Unterhal 
tungsspiele herabsinke, ähnlich wie die dramatische Kunst sich häufig 
zu einem angenehmen Zeitvertreibe erniedrigt sieht. Diese Gefahr 
wird nicht beseitigt durch die Aenderung, welche in der Formensprache 
sich vollzog. Von dem architektonischen Aufbau der Composition, von 
der breiten Schilderung, welche die grossen Räume gestatteten , von 
der Gedankengliederung, welche die Vertheilung der Bilder auf die 
Einzelwände erforderte, ist natürlich keine Rede mehr. Das Colorit 
gilt als das wichtigste Ausdrucksmittel. Das haben wir den alten 
Holländern abgesehen, dass der Farbe eine besondere Kraft innewohnt, 
das sonst Unscheinbare und Gleichgültige poetisch zu verklären. Sie 
hatten aber den Vortheil, den die modernen Künstler nicht besitzen, 
dass die Gegenstände der Darstellung engverwandter Natur waren, das 
eigene Volksleben, heimische Gestalten schilderten, auch wenn sie von 
Haus fremdartig waren, erst gleichsam nationalisirt wurden. Dadurch 
gewann ihr Colorit eine einheitliche Grundlage und konnte, weil es 
stets an ähnlichen Gegenständen geübt wurde, feiner und reifer durch 
gebildet werden. Bei uns giebt es keinen herrschenden Gedankenkreis, 
durch welchen die Form und die Farbe fest umschrieben würde, die 
ganze weite Welt, alle Räume und alle Zeiten, der Orient und die An 
tike, der Süden und der Norden, die Allegorie und die Geschichte, al 
les nimmt unser Interesse in Anspruch und verlangt seine besondere 
Behandlung. Zu der Gefahr einer Jagd nach Motiven gesellt sich die 
andere einer Jagd nach Farbeneffecten, wodurch der Fortschritt der 
Kunst in eine ziellose, zerfahrene Unruhe auszuarten droht. 
Solche Eindrücke von dem Stande der modernen Kunst hinterliess 
die letzte Pariser Ausstellung. Es gilt nun zu prüfen, ob die Wiener 
Weltausstellung dieselben bestätigt oder verändert.
	        
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