Formdetaillierung zunäcbft noch kargen müffen, fo müffen wir
wohl untere Kraft auf anderem Gebiete fuchen. Nicht in der
Flächendispofition, die nicht weiter entwickelbar ift, fondern in
der charakteriftifchen Bewegung der Mafien, die weiter ent=
wickelt werden können, in der Steigerung des Ausdrucks der
rhythmifchen Bewegung des ganzen Raumgebildes; denn nicht
die einzelne Form, fondern diefe rhythmifche Bewegung des
Raumgebildes ift das primäre Element aller arcbitektonifcben
Wirkung. Das flbwägen der Raumverhältniffe, das Gliedern in
Tragendes und Getragenes, das Vor und Zurück der Maffen,
das Widerfpiel von Fläche und Öffnung, von Hell und Dunkel,
das find die Urelemente aller architektonifchen Wirkung und
diefe Urelemente genügen zunäcbft, um das in Austrag zu
bringen, worauf es in allererfter Linie ankommt, nämlich ohne
eine Zeitepoche in der Wirkung der Maffen und ihrer Verhält*
niffe einen eigenen Rhythmus zu befitjen beginnt. Wenn man
die monumentalen Leiftungen unferer Zeit, befonders auch auf
dem Gebiete des Denkmals, vergleichend prüft, dann kann man
vielleicht hoffen, daß wir auf dem Wege find zu einer eigen
tümlichen Einheitlichkeit des Gefühls im Abwägen der Maffen
und ihrer rhythmifchen Wirkung. Und damit ift das erfte und
wichtigfte einer monumentalen Sprache gewonnen, ihr Grund
charakter. Wenn wir in diefer Beziehung wirklich zu einem
allgemein gültigen Refultat kommen, fo bedeutet das für die
monumentale Geftaltung ein ähnliches Prinzip, wie es fich für
die bürgerliche Geftaltung im Prinzip ftrenger Sachlichkeit aus
gebildet hat. Denn für das monumentale Schaffen mit feinen
Anforderungen des Ausdrucks eines ideellen Zweckes ift nicht
die nackte Konftruktion, fondern das innerlich-logifche Abwägen
der Rhythmik dasjenige, was dem Begriff »fachlich* entfpricht.
Auch hier ift das erfte Refultat Einfachheit, und in diefem ein
fachen Grundorganismus gilt es dann, nach der Seite der Form
hin das zu betonen und zum individuellen Leben zu erwecken,
was diefen Rhythmus des Grundorganismus noch deutlicher und
klarer betont. Dazu bedarf es dann nicht nur des Ornaments,
fondern es bedarf, um zu völlig gültigem Ziel zu gelangen, der
Hilfe aller Kunft, der Plaftik und der Malerei. Im Zufammen-
arbeiten mit der Architektur und ihren höcbften Wirkungen
muß Plaftik und Malerei, wenn man das Wort richtig verftehen
will, wieder zum Kunftgewerbe werden. Soll alfo nicht nur die
eine Seite künftlerifcher Kultur, die des bürgerlichen Zweck
begriffes neu weiterentwickelt werden, fondern auch die andere,
die ausmündet in den großen Innenaufgaben monumentaler
Kunft, fo ift ein Bündnis zwifchen Architektur, Plaftik und Malerei
eben fo wichtig, wie das Bündnis zwifchen Architektur, Tifchlerei
und allen edlen Einzeltechniken des Kunftgewerbes. □
Mit einem Wort, es gilt die Schranken der Spezialifierung der
einzelnen Sondergebiete durch das Medium architektonifcher
Gefinnung in der ganzen Front künftlerifchen Schaffens all
mählich aufzuheben. □
Diefe Spezialifierung ift das cbarakteriftifcbfte Erbteil des neun
zehnten Jahrhunderts. Das neunzehnte Jahrhundert ftand auf
dem ganzen Gebiet feiner geiftigen und technifchen Ökonomie
unter der Signatur des neuartigen Wirtfchaftsprinzips der Tei
lung der Arbeit. Diefes Prinzip war das abfolut notwendige
Ausbilfsmittel, wodurch der einzelne in den Stand gefegt wurde,
dem ungeheuren Anprall an neuartigen Anforderungen geiftiger
und technifcher Natur ftandhalten zu können. □
Diefes Prinzip ift nicht auf geiftige und technifche Fragen
befchränkt geblieben, es bat der ganzen Epoche den Stempel
aufgedrückt. Es erftredete fich auch auf die Kunft. Hier, wo
bisher nirgends ftrenge Grenzen gezogen waren, fonderten fich
die Gebiete. Der Architekt begann den Begriff des Bauens nur
noch auf den Rohbau zu beziehen, im Innern waltete ein neuer
Spezialift, um diefen Rohbau einzurichten. Diefer Spezialift
findet auf allen Sondergebieten, die er braucht, wieder Spezia
liften, die das Schaffen von Zimmerdecken, von Tapeten oder
Fliefen oder was immer es fein mag, als Selbftzweck betreiben.
Das Kunftgewerbe im höheren Sinne wird ein Reich für fich
und fucht feine höcbften Trümpfe im objet d’art, das Selbftzweck
ift. Die Bildhauerkunft wird ein Reich für fich und febafft nur
noch die einzelne Figur, die Selbftzweck ift und böcbftens noch
die Architektur als Geftalterin eines befcheidenen Sockels duldet.
Die Malerei wird ein Reich für fich; fie zieht fich in den vor
nehmen Goldrabmen des Staffeleibildes ganz von der übrigen
Welt zurück und wird Selbftzweck. Die Teilung der Arbeit ift
in den Künften eingetreten. Jede entwickelt dabei naturgemäß,
was ihr den anderen Kunftgebieten gegenüber allein eignet,
und fo ftanden fich die Künfte auch da, wo fie fich in einem
Einzelfalle fuchten, fremd gegenüber, fie batten den Zufammen-
hang verloren mit dem Boden, auf dem fie fich begegnen, mit der
Architektur. Diefe Ifolierung aller Künfte fpiegelt fich deutlich in den
offiziellen ftaatlichen Anftalten. Die »hohe Kunft«, das Kunftgewer
be und die Architektur werden in Sachten an drei verfchiedenen
Anftalten gelehrt. Der werdende Architekt, der werdende Kunft»
gewerbler, der werdende Monumentalmater, der werdende
Architekturbildbauer können fich nicht gegenwärtig in die Werk-
ftatt febauen und fo natürliche Fühlung miteinander gewinnen.
Diefe Sonderung mag für die Spezialentwicklung der betreffen
den Gebiete eine Zeitlang notwendig gewefen fein, heute drängen
fie zueinander. Es ift ein febr charakteriftifches Symptom für
diefe unnatürliche Entfremdung, daß im Beginn der neuzeit
lichen Bewegung lauter Künftler auftraten, die jede künftlerifcbe
Mitarbeit ausfchloffen, die Univerfalkünftler waren. Sie ent
warfen, vom architektonifchen abgefeben, nicht nur Tapeten,
Fliefen und Teppiche felber, fie waren ihre eigenen Bildhauer
und Monumentalmaler, denn fie fanden nirgends einen Zufam-
menbang mit anderen Kräften. Daß diefes Prinzip der Uni-
verfalität, das zuerft fo ftark imponierte, auf die Dauer un
natürlich ift, daß es den Künftler zur Zerfplitterung feiner Kräfte
oder zu jenem unheilvollen Stereotypieren eines Perfönlicbkeits-
ftils führen muß, das viele an den neuzeitlichen Leiftungen fo
abfchreckt, liegt auf der Hand. □
Zum Glück zeigen fich Anzeichen zu einer Änderung. □
Schon gibt es kunftgewerbliche Schulen, wo auch der kunft»
gewerbliche Spezialift fo erzogen wird, daß er erft vom Großen
zum einzelnen kommt, daß er von einem beftimmten Raum
gedanken ausgebt, und man lernt z. B. nicht Deckenverzierungen
als folche, fondern Deckenverzierungen für einen beftimmten
Raum zu machen, Tapeten- und Fliefenmufter einem beftimmten
Zwecke anzupaffen. Die Folge ift, daß nicht mehr in der irre
führenden Fähigkeit eigentümlicher Mufterkombinationen, fondern
in der Fähigkeit fich einzufügen, die wahre künftlerifcbe Be
gabung gefehen wird und Kräfte entfteben, mit denen tro^ ihrer
Spezialifierung der im Großen fchaflfende Künftler ein Gefamt-
ziel erreichen kann. Und was fich hier für den bürgerlichen
Innenraum als Zeichen der Gefundung anbabnt, das beginnt
auch für den Monumentalraum zu tagen. Was ift die ganze
Bewegung, die anknüpfend an Adolf Hildebrands Gedanken
vom »Problem der Form«, die Plaftik unferer Tage durchzieht,
anderes, als ein Befinnen auf die latenten architektonifchen
Gefetje, die dem Werke der Plaftik erft feine Reife geben. Was
zeigt fich in dem Zug zum ftrengen Stilifieren, der in der Male
rei nach der Epoche des Stimmungsbildes immer deutlicher
bervorbricht, anderes, als daß fie reif wird für die großen
Wirkungen im Zufammenbange mit Architektur. □
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